Kapitel 6

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Wir fuhren und fuhren immer weiter. "Wo fahren wir überhaupt hin, Finn", fragte ich ihn nach ein paar Minuten, weil irgendwie eine peinliche Stille in der Luft lag. "Keine Ahnung. Wohin du willst", antwortete er lachend. Doch schon bevor ich antworten konnte bog er nach rechts ab, dann nochmal kurz darauf nach links und nun waren wir in einer wunderschönen Seitenstraße. Es war ganz anders als auf der Hauptstraße. Nicht so hektisch. Man hatte nicht das Gefühl als müsse man sofort weg von diesem Ort. Es war viel ruhiger. Als ich 10 war, war ich mit meiner Familie mal in Venedig. Eine wunderschöne Stadt. Als wir dort abends Essen gegangen sind, waren wir plötzlich in einer kleinen Seitengasse. Dort gab es eine Bar und ein paar Restaurants. Es sah ähnlich aus wie hier und ich wusste nicht ob mich das freuen sollte oder ob ich traurig sein sollte. Wir parkten etwas abseits in der Nähe eines kleinen Parks. In diesem Stadtteil war ich wirklich noch nie. Berlin ist so ein grauer und trauriger Ort, aber manchmal haut mich diese Stadt doch um. Wir stiegen aus und er kam mir sehr nah. Ich hatte das Gefühl er wollte meine Hand nehmen, aber er tat es nicht. "Italienisch oder Thai?", fragte er. 

Wir entschieden uns für italienisch und gingen nebeneinander in Richtung eines Lokals. Es sah von außen sehr unscheinbar aus wie alles hier, aber als wir eintraten, kam mir der Duft von krosser Pizza und frischem Pesto entgegen. Der Raum war wunderschön dekoriert und es war sehr warm hier drinnen, wie in fast jeder Pizzeria. Wir hatten Glück, denn es waren nur noch zwei Plätze frei. Wir setzten uns und bekamen auch schon gleich die Speisekarte und bestellten kurz darauf. Und endlich fingen wir an mal etwas mehr zu reden. "Du, Eliana, mir tut das übrigens wegen gestern in der Schule leid", sagte er aus dem nichts. Toller Start für ein Gespräch. 

Ich war mir nicht sicher was er meinte, also fragte ich nach. "Naja, ich war ja wie du vielleicht gemerkt hast nicht ganz bei der Sache. Und wenn du das jetzt total abwertend siehst dann tut mir das echt leid", antwortete er mir. Aber ich unterbrach ihn. "Nein, ich meine jeder probiert mal aus, das ist ja ganz normal", sagte ich ruhig zurück. Wir sahen uns kurz etwas beschämt an. Ich glaube er wusste nicht, ob er mir sagen sollte, dass das kein probieren was sondern er das vielleicht regelmäßig macht. Und ich wusste nicht ob ich loslachen sollte, da ich irgendwie ahnte, dass er öfter kifft oder trinkt. Gott sei Dank brach er das peinliche schweigen kurz darauf. "Naja ich finde man darf sich ausprobieren was Drogen angeht. Aber nur, damit man weiß wie gefährlich das alles sein kann." Ich grinste. Ich fand das irgendwie eine gute Einstellung. Solange man das nicht regelmäßig betreibt ist ja nichts wirklich gefährlich, außer bei Heroin oder so vielleicht. "Ich bin auch deiner Meinung. Ich hab nur immer Angst vor Einsamkeit. Seit dem Vorfall mit meiner Mutter und jetzt wo mein Bruder weg ist, bin ich ja ganz alleine. Ich hab Angst vor einem Horrortrip indem ich mich einsam fühle. Ich weiß ich mach mir viel zu viele Sorgen. Außerdem wüsste ich garnicht woher ich das Zeug bekomme und wäre vermutlich zu faul es zu besorgen", sagte ich und ich fing an zu lachen. Finn stieg mit ein. Ich fühlte mich so wohl in diesem Moment. Alles war so harmonisch. Und er war so ein ehrlicher und offener Mensch. Alleine weil er mir sowas wie mit den Drogen anvertraut obwohl wir uns noch nichtmal 3 Tage kennen. Aber auch ich hatte das Gefühl als könnte ich ihm einiges anvertrauen.

 Wir redeten noch über andere Themen. Es bot sich viel an, da wir von unserer gemeinsame Schule über unsere Lehrer bis hin zu unseren Mitschülern reden konnten. Dann kam auch schon unser Essen. Allerdings hat mich das an diesem Abend eigentlich eher weniger interessiert. Wir redeten und redeten und fanden kein Ende. Es war inzwischen schon 10 Uhr. Nach dem Essen dauerte es nicht mehr lange bis Finn die Bedienung zum Zahlen rief. Ich holte mein Geld raus und überlegte dabei, wie viel das eigentlich kostete. "Tu dein Geld weg Eliana! Dachtest du ich lad dich zum Essen ein und zahle dann nicht?" Ich glaube meine Wangen liefen etwas rot an. Das passierte mir schon immer, wenn ich mich geschmeichelt fühlte. Ich zog meine Jacke an und nahm meine Handtasche. Wir gingen aus dem schönen Lokal und beschlossen noch eine Runde in dem kleinen Park in der Nähe unseres Autos spazieren zu gehen. Es war ein wunderschöner Abend. Der Himmel war sehr klar, sodass man die vielen Sterne sehen konnte. Ich sah in Richtung Himmel und Finn tat es mir nach. 

"Interessieren dich die Sterne auch?", fragte er vorsichtig. Irgendwie eine komische Frage, dachte ich bei mir. Aber ja, ich finde es faszinierend wie viele verschiedene Planeten und Sterne es da draußen gibt und es trotzdem so scheint, als würde sich alles Leben hier abspielen. Genauso sagte ich ihm das auch. Er war etwas irritiert aber auch erfreut darüber. Wir standen gefühlt 5 Minuten da und starrten einfach in den Himmel. Aber ich hatte das Gefühl, dass Finn immer näher kam. Es bestätigte sich. Er nahm vorsichtig meine Hand. So vorsichtig als wäre sie aus dünnstem Glas, welches zerbräche wenn man es nur etwas zu fest drücken würde. Unwillkürlich aber überglücklich erwiderte ich es. Mir wurde heiß am ganzen Körper. Wir standen uns inzwischen gegenüber und sahen nicht mehr zum Himmel sondern uns in die Augen. Aber ich hatte nicht das Gefühl, als wollte er mich küssen. Und das tat er auch nicht. "Hast du Lust noch mit mir mitzugehen? Ich hab zuhause eine Garage da treffe ich mich immer mit meinen Freunden. Wenn du willst kannst du ja mitkommen ich kann dich nachher auch heimfahren", sagte er mit sehr beruhigender Stimme zu mir. Ich konnte nichts sagen. Ich nickte einfach nur mit einem breiten Grinsen. Er hatte so schöne Augen. Ich musterte sein Gesicht, als würde ich etwas ganz bestimmtes suchen. Er hatte so eine markante aber gleichzeitig weiche Gesichtsform - so perfekt. und seine Haare genau wie seine Lippen waren wunderschön. An diesen blieb ich auch mit meinem Blick hängen. Er bemerkte es. Endlich, nach 3 Monaten, spürte ich wieder etwas ähnliches wie Liebe in mir. Und es war ein magischer Moment als unsere Lippen sich berührten und wir uns unterm Sternenhimmel küssten. 

Liebe Führt Zum TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt