Kapitel 15

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Ich sah ihn und erkannte die Verwunderung und Traurigkeit in seinem Gesicht. Ich kam ihm näher, immer näher. Und als ich bei ihm war fiel ich ihm um den Hals und küsste ihn. Das war es. Das war das einzige was ich brauchte. Seine Küsse, seine Umarmungen, seinen Duft, seine Nähe. Ich fühlte mich so unendlich geborgen. Ich sah ihm in die Augen und flüsterte nur "Es tut mir so leid". 


Ich brauchte mich nicht zu entschuldigen. Dass ich zu ihm zurück kam war für ihn Entschuldigung genug, was nochmal ein Grund war, warum ich ihn so sehr liebte. Ich musste ihm alles erklären, warum ich weggerannt und ihm vorhin aus dem Weg gegangen bin. Aber das war mir in dem Moment egal. Ich spürte, wie viel glücklicher ich war, wenn ich mich in seiner Nähe befand. Wir verabredeten uns mal wieder für nachmittags, dieses mal aber ohne die anderen, was mir aber eh gelegen kam, da ich ihm von meiner Ferienplanung erzählen musste. 

Nach der Schule fuhren wir also wie üblich zu ihm und aßen zu Mittag. Ich will ihm nicht sagen, dass ich zwei Wochen wegfahre. Ich glaube aber einfach nur, weil ich um ihn Angst hatte. Und um mich. In einer Woche habe ich es geschafft, dass Alkohol die beste Möglichkeit wurde, meine Probleme zu verdrängen. Was kann in den zwei Wochen passieren, wenn ich keinen bekomme bzw. was kann bei ihm passieren wenn er eventuell mehr trinkt oder kifft. "Baby ich muss dir was sagen", fing ich also an zu reden. Er schaute mich nur stirnrunzelnd an. "Ich fahr in den Ferien ganze zwei Wochen weg. Und ich habe Angst" Finn starrte mich traurig an aber sagte dann: "Wieso denn Angst, Schatz?" Ich erzählte ihm meine Gedanken und er kam zu mir und tröstete mich. "Ich werde nichts schlimmes machen, ich verspreche es dir! Aber du musst mir auch versprechen, dass du keine dummen Sachen machst, wenn du mal traurig bist und nichts zum Trinken in der Nähe ist." Ich nickte und umklammerte fest seinen Brustkorb. Ich sog seinen Duft ein und wurde fast high davon. 'Das ist meine liebste Droge', dachte ich bei mir. Aber nicht mal diese wird zwei Wochen bei mir sein. 

"Wo fährst du überhaupt hin?", wollte er nach langem kuscheln wissen. "Zu meiner Tante. Sie wohnt an der Ostsee und hat einen kleinen Hof, eine Art Bauernhof. Sie ist meine einzige Verwandte, ihr Mann, also mein Onkel, lebt nicht mehr und Kinder hat sie keine. Ich habe kein besonderes Verhältnis zu ihr, aber sie hat eigentlich die Vormundschaft, interessiert sich aber so gut wie garnicht für mich. Sie war aber der Meinung, ich solle sie mal wieder besuchen kommen. Ich war früher mit meiner Mama und meinem Bruder nicht selten bei ihr. Ich kann mich nur noch an den Duft von frisch gemähtem Gras und das Muhen der Kühe erinnern. Und wenn man auf das Gelände ihres Hofes gegangen ist, stand sie schon immer lächelnd an der Tür und wartete auf uns. Sie ist eine tolle Frau, keine Frage, aber ich glaube ich habe sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen." Ich musste das alles ziemlich fasziniert erzählt haben, denn Finn grinste mich an, als würde er sich für mich mitfreuen. Ist er denn garnicht traurig, dass ich wegfahre? "Ich finde es trotzdem nicht toll, dass du wegfährst", beantwortete er meine nicht ausgesprochene Frage. Wir legten uns auf die Couch und kuschelten. Er streichelte meine Wangen und ich glaube, dass ich irgendwann einfach eingeschlafen bin. 

Die Tage vergingen wie im Flug, was wahrscheinlich daran lag, dass ich mich sogar auf die Ferien mit meiner Tante freute. Am Mittwoch traf ich mich mit Sally und wir machten uns einen schönen Mädelsabend und redeten über Diverses. Mir fiel erst jetzt auf, wie selten ich sie in den letzten zwei Wochen eigentlich gesehen habe, obwohl wir ja sogar auf die gleiche Schule gingen. Am Donnerstag war ich das letzte Mal bei Finn, da mein Zug am Freitag schon um 15 Uhr ging. Die anderen waren auch da. Wir tranken mal wieder viel zu viel und fingen an zu philosophieren. Und es war gruselig, es ging um den Tod. Ich habe noch nie so intensiv über etwas gesprochen wie an diesem Tag über dieses Thema. Ist der Tod schmerzhaft? Kann es eine Befreiung sein zu sterben? Fühlt es sich anders sein schnell zu sterben als langsam? Und das waren nicht einfach mal schnell drei Fragen. Wir redeten ganze vier Stunden darüber und es wurde immer krasser, da sich unser Alkoholpegel auch erhöhte. Um 18 Uhr sind Liam, Lea, Elias und Alex gegangen und ich blieb noch bei Finn. 

"Ich frage mich das ernsthaft. Wie ist das, wenn man stirbt. Keiner wird jemals sagen können, ob es nicht doch ein Leben nach dem Tod gibt, weil keiner jemals wieder ins Leben geholt wurde", redete er fasziniert vor sich hin. Ich war überrascht wie sehr ihn das interessierte, aber dann musste ich wieder an den Grund seiner psychiatrischen Behandlung denken. Er wollte sich umbringen. "Glaubst du es ist gut wenn du so über das redest? Ich mein ja nur...", riet ich ihm. "Du meinst wegen meinem Selbstmordversuch? Ach, das habe ich abgehakt." Mit so einer lockeren Antwort habe ich nicht gerechnet. Wie kann man denn mit sowas so schnell abhaken? Mir wurde allerdings ziemlich schnell wieder bewusst, wie er es abgehakt hat. 

Wir lagen einfach nur da und waren in unsere Gedanken versunken. Ich wollte nicht weg von ihm. Es sind nur zwei Wochen aber wir haben uns bis jetzt jeden Tag gesehen und dann ist der Kontrast extrem. "Ich hab ein Abschiedsgeschenk", sagte er mit einem verschmitzten Grinsen. Ich riss die Augen auf, da ich nicht wusste was auf mich zukommt. Er ging zu einem kleinen Regal und holte etwas aus einer Schublade. Es war ein Joint. Er forderte mich auf mitzukommen und ich stand auf und nahm seine Hand. Wo gehen wir hin? Als wir vor seiner Haustür standen und ich das klicken vom Aufsperren seines Autos hörte, dämmerte mir langsam, was er vorhatte. Hotbox. Ich kannte das Wort nur vom hören und wusste was es war, hab es aber natürlich noch nie ausprobiert. Wir setzten uns ins Auto auf die Rückband und er zündete den Joint an. Ich hab nicht einmal gesagt, dass ich das will, aber ich ließ mich einfach darauf ein. Ich hab jetzt eh zwei Wochen frei von Drogen und außerdem ist es vielleicht wirklich ein schöner Abschluss. Schon nachdem jeder einmal gezogen hat, war das Auto voller Rauch und ich musste aufpassen, dass ich keinen Hustenanfall bekam. Aber es fühlte sich gut an. Zu gut. So gut, dass ich fast die ganze Tüte alleine rauchte. Als ich den letzten Zug nahm fing Finn mich an am Hals zu küssen. Währenddessen zog ich den Rauch der uns umgab, in meine Lunge. Man konnte nicht viel sehen, aber fühlen konnte ich plötzlich doppelt so intensiv wie sonst. Die Wirkung der Drogen, der Duft von dem Weed, Finns Parfum und seine leidenschaftlichen Küsse wirkten auf mich so stark, dass ich beinahe ohnmächtig wurde. 

Liebe Führt Zum TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt