Währenddessen zog ich den Rauch in der Luft, die uns umgab, in meine Lunge. Man konnte nicht viel sehen, aber spüren konnte ich plötzlich doppelt so intensiv wie sonst. Die Wirkung der Drogen, der Duft von dem Weed, Finns Parfum und seine leidenschaftlichen Küsse wirkten auf mich so stark, dass ich beinahe ohnmächtig wurde.
Ich döste kurz weg, aber als sich der Wirkstoff in meinem Körper ausgebreitet hatte, fing ich an ihn wild zu küssen. Ich fühlte mich immer besser und ich konnte das Adrenalin, dass durch meinen Körper strömte förmlich hören. Wenn es einen Vorteil gibt an Gras, dann diesen. Ich weiß nicht mehr wie lange wir auf der Rückbank waren und einfach nur rumgemacht haben, aber irgendwann habe ich einfach die Zeit vergessen.
Als wir wieder aus dem Auto ausstiegen, kam mir die Luft frischer vor als am Meer, obwohl wir uns mitten in Berlin befanden. Ich fasste mir an die Schläfen und stellte fest, dass zu viel Rauch und Marihuana damit gemischt keine gute Kombination waren. Ich bekam starke Kopfschmerzen, sodass ich mich kurz auf den Bordstein setzten musste. 'Was hast du schon wieder getan', fragte mich mein inneres Ich. Aber Finn unterbrach meine Gedanken und warf mich einfach über seine Schulter. Ich fing an zu kreischen, aber konnte mich wenigstens auf etwas anderes als die Schmerzen konzentrieren. Er sagte überhaupt nichts, sondern trug mich einfach auf seine Couch.
Er schaltete den Fernseher an und spielte Musik ab. Es hörte sich viel besser an als sonst. Nicht unbedingt lauter, aber der Bass, die Melodien und die Stimme kamen viel mehr zur Geltung. Dieser Moment überraschte mich so sehr, dass Finn mich stirnrunzelnd ansah, weil ich so intensiv auf den Bildschirm starrte. Das war es also, richtig high sein. Dieser Tag war kein Vergleich zu dem, als ich das erste Mal in der Schule probiert habe. Alles war noch toller und ich war so zufrieden mit mir und allem. Ich lag noch einige Zeit in Finns Arm, bis ich auf die Uhr schaute und mir auffiel, dass ich noch nichts gepackt habe. "Baby es ist schon 8", sagte ich nuschelnd. "Na und?", gab er genervt zurück. "Ich habe noch nicht gepackt und ich muss auch noch heimfahren". Er brauchte ein bisschen Zeit, bis er überhaupt kapierte, was ich gesagt habe, aber dann stand er auf und steckte mir seine Hand entgegen. Mal wieder nahm ich sie an. Werde ich immer machen, das nahm ich mir an diesem Tag fest vor. Wir gingen zur Haustür und er fragte mich, ob er mit zu mir fahren solle, doch ich lehnte sein Angebot ab. Wir küssten uns und dann ging ich von seinem Haus weg. Ich hoffe ich finde in meinem Zustand den richtigen Weg.
Als ich endlich Zuhause war, ging ich in meinen Keller und holte meinen Koffer. Ich glaube ich habe den seit drei Jahren nicht mehr genutzt. Ich packte alles hinein, was ich fand und für notwendig hielt. Es war viel zu viel, aber sonst hat meine Mama mir wenigstens gesagt, was wichtig war und was nicht. Nachdem ich fertig war, ging ich auch schon gleich in mein Bett. Es fühlte sich so weich an wie noch nie, als würde ich auf reinen Federn schlafen. Mein Kopf tat immer noch weh, deshalb nahm ich mir eine Aspirin. Ich freute mich auf meine Tante. 'Das erste Mal alleine bei ihr' dachte ich und schlief dann glücklich ein.
Der nächste Vorteil von Marihuana war auf jeden Fall, dass man vor lauter Highsein nicht schlecht schlafen kann, weil man die Träume eh nicht mitbekommt. Naja zumindest war das meine Erklärung. Die einzige für mich plausible, warum ich nach vier Monaten eine Nacht in Ruhe schlafen konnte. Ich stieg das erste Mal motiviert aus meinem Bett, da ich mich, wie schon gesagt, echt freute. Ich weiß nicht warum, wie man unschwer erkennt kümmert meine Tante sich nicht um mich, aber sie ist trotzdem immer so nett und lustig wenn wir uns dann sehen. In der Schule passierte wie vor jeden Ferien nichts Besonderes mehr. Nach dem Unterricht wartete ich an Finns Auto auf ihn. Als er mich sah, stieg ihm ein Lächeln ins Gesicht. Zwei Wochen ohne diese wundervolle Lachen. Er gab mir einen Kuss. "Ich muss jetzt schon nach Hause, Baby", sagte ich und mir stiegen fast Tränen in die Augen. Ob vor Glück, weil ich gerade echt eine Auszeit brauche oder aber, weil ich Finn wirklich sehr vermissen werde, weiß ich nicht. "Soll ich dich noch heim fahren?", fragte er mich liebevoll und ich nickte.
Wir fuhren eine Weile und ich starrte währenddessen aus dem Fenster. Vor meiner Haustür angekommen stiegen wir beide aus. Wir umarmten uns eine gefühlte Ewigkeit und küssten uns dann sehr lange. Als Finn wieder ging sah ich ihm noch sehr lange nach. Richtig realisiert habe ich es in diesem Moment nicht, dass ich ihn jetzt so lange nicht sehe. Noch traurig packte ich meine restlichen Klamotten, Geld und Handy zusammen. Ich sperrte die Tür hinter mir zu. Ein echt komisches Gefühl, das erste Mal alleine in den Urlaub zu fahren. Und auch noch an den gleichen Ort, an dem ich doch so oft mit meiner Familie war. Dann machte ich mich mit der U-Bahn auf in Richtung Hauptbahnhof.
Nachdem nach einer Stunde Verspätung endlich mein ICE kam, war ich heilfroh, da ich mich die Zeit am Bahnsteig nirgends hinsetzen konnte. Meine Fahrzeit betrug drei Stunden und ich genoss es in vollen Zügen einfach nur Musik zu hören und mich zu entspannen.
Am Bahnhof in der Nähe von Kappeln, erwartete mich am Bahnsteig ein Mann. Er kam direkt auf mich zu, aber ich kannte ihn nicht. "Eliana?", fragte er stirnrunzelnd. Ich nickte geschockt. "Ich bin ein Angestellter auf dem Bauernhof deiner Tante. Ich soll dich abholen." Ich schluckte schwer und nickte erneut. Sie schafft es nichtmal ihre Nichte vom Zug abzuholen, die sie eine Ewigkeit nich mehr gesehen hat? Ich versuchte es auszublenden, da ich immer noch einigermaßen viel Vorfreude hatte.
Schon bevor ich in das Auto einstieg, spürte ich die wundervolle Luft hier an der Ostsee. Man roch den weichen Sand und das kühle Wasser. Ganz anders als in Berlin. Alles riecht nach Abgasen. Das stört einen irgendwann weniger, da man sich daran gewöhnt, aber man konnte den Unterschied deutlich wahrnehmen. Auch was die Landschaft betrifft ist hier alles besser. Ich sah während der Fahrt aus dem Fenster und konnte die ewigen Weiden und grünen Wiesen erkennen. Die Fahrt dauerte eine weitere halbe Stunde.
Angekommen parkte der fremde Mann ein paar hundert Meter abseits von dem Hof meiner Tante. Wir stiegen aus und ich nahm meine Koffer aus dem Kofferraum. Ich war wirklich aufgeregt, da wir uns das letzte Mal gesehen haben, als mein Familiendrama noch nicht ganz so extrem war. Und jetzt wusste nicht, ob unser Verhältnis dadurch anders war oder es eventuell unangenehm werden könnte. Ich versuchte mal wieder alles um mich herum auszublenden und ging auf den riesigen Hof zu. Ich kam immer näher und dann konnte ich schon die Eingangstür des Hauses sehen. Ich hörte Kühe muhen, Hühner gackern und in den Wiesen um mich herum die Grillen zirpen. Und als ich auf das Gelände des Hofes trat, konnte ich auch endlich das Lächeln meiner wartenden Tante unter dem Türrahmen erkennen. Doch nicht anders. Alles wie früher.
DU LIEST GERADE
Liebe Führt Zum Tod
Teen FictionPsychoterror. Das beschreibt Elianas Situation ziemlich genau... aber denkt sie allen ernstes das dieser "neue geheimnisvolle Typ" das bessern könnte...? An ihrer Stelle hätte ich eher Angst, dass es schlimmer wird