Kapitel 13

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Ich fand es zwar nicht so toll, dass ich mein erstes Mal "High-Sein" in der Schule erleben musste, aber das war trotzdem ein gutes Gefühl. Das Gefühl, dass mir so ziemlich alles egal war und außerdem, dass ich das erste Mal in Mathe lachen konnte.



Nach der Schule war ich wieder nüchtern und beschloss, in der Aula auf Finn zu warten, ohne überhaupt zu wissen, ob er kommt. Aber ich hatte Glück. Er kam mit kleinen Augen auf mich zu. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er nicht nochmal in der Pause draußen war. Er küsste mich intensiv, sodass ich mich leicht nach hinten lehnen musste. "Baby kommst du mit zu mir? Wir wollen paar Filme schauen", sagte er etwas verwirrt. Ich fragte erst garnicht nach, wer "Wir" waren. Ich war mir sehr sicher, dass er Lea, Liam, Elias und Alex meinte. Ich hatte eh nichts zu tun heute. Unsere Lehrer tun vor den Osterferien in 2 Wochen so, als wäre das Schuljahr vorbei. Also willigte ich ein und wir gingen zusammen aus der Schule zu seinem Auto. Keine Spur von den anderen, ich ging davon aus, dass sie selbstständig zu ihm fahren würden.

Als wir bei ihm ankamen stiegen wir aus und gingen in sein Wohnzimmer. Er war nicht ganz sicher auf den Beinen. "Wollen wir etwas zu Essen bestellen?", fragte er mich. Seine Stimme kam mir fast fremd vor, da er während der Fahrt nicht mit mir geredet hatte. "Baby? Du hast nicht nur heute in der früh gekifft oder?", wollte ich ernst wissen, musste aber anfangen zu lachen, da er nach vorne wankte. Er musste auch lachen und nickte mit gerunzelter Stirn. Also bestellten wir uns zwei mal Thai Curry. Ich fragte Finn endlich nach seiner Nummer und speicherte sie voller Stolz in mein Handy ein. "Lass uns das Wohnzimmer bisschen gemütlicher machen", sagte er voller Motivation, was mich erneut grinsen lies, da ich ihn einfach nicht ernst nehmen konnte. Wir machten uns an die Arbeit und verteilten etliche Kissen und Decken auf seiner riesigen Couch. Wow, sah das gemütlich aus!

Nachdem unser Essen ankam, klingelte es schon wenig später an der Haustür. Ich machte auf und begrüßte die anderen mit einer Umarmung. Und schon wieder hatte ich dieses unbeschreibliche Gefühl. Ich fühlte mich so geborgen wie noch nie und es steigerte sich von Mal zu Mal wenn ich die vier bzw. fünf sah. Wir gingen zusammen ins Wohnzimmer, wo Finn gerade Chips, Gummibärchen und Popcorn auf den kleinen Tisch vor der Couch stellte. Getränke gab es auch, Bier und Wein. Naja, was denn sonst? Es wurde diskutiert, welchen Film wir uns als erstes ansehen sollten und wir entschieden uns für einen Horrorfilm. Ich hasste es so sehr, ich erschreckte mich bei jeder Kleinigkeit. Also kuschelte ich mich an Finn und der gab mir eine Flasche Wein.' Also noch unromantischer kann man Alkohol echt nicht trinken', dachte ich und ein Lächeln machte sich über meinen Mund her. "Wer sich erschrickt, trinkt!", rief Alex noch bevor wir auf Play drückten. Ich kann doch nicht unter der Woche so viel trinken? Dann hab ich doch morgen einen totalen Kater! Aber was sollte ich tun? Ich hätte sagen können, dass ich morgen einen Test schreibe und die anderen hätten das auch sicher verstanden aber wieso soll ich sie verurteilen, wenn ich es selber so will. Es ist alles so viel einfacher, wenn man nicht nüchtern ist. Man hat nicht hunderte Gedanken, die einem durch den Kopf schwirren, sondern konzentriert sich nur auf eine Sache. Und zwar, dass es einem in diesem Moment gut geht. Und ich darf mir das wenigstens ein paar Mal nach diesen schrecklichen Monaten gönnen.

Und so ging es weiter. Tag für Tag versammelten wir uns bei ihm, tranken zu viel und redeten über Gott und die Welt. Am Donnerstag war ich mit Sally in der Stadt. Ich hatte aber nicht wirklich Freude daran, mit ihr durch die Läden zu gehen und so zu tun als wäre alles super. Ich liebe sie wirklich sehr, aber die anderen können mich einfach verstehen und mir mit meinen Psycho-Problemen helfen. Ich hatte sozusagen meine eigene kleine Psychotherapie mit Finn, Alex, Liam, Lea und Elias. Und das reichte mir auch. Ich vergaß am Dienstag zur Sitzung zu gehen und sagte auch gleich für den Donnerstag ab. Zahlt eh die Krankenkasse, ich sagte ich hätte eine Auszeit gebraucht.

Am Sonntag sahen wir wie nicht selten einen Film. Als dieser fast aus war sah ich auf meine Weinflasche. "Auch aus!", rief ich und die anderen sahen mich verwirrt an. Hab ich das laut ausgesprochen? Tunnelblick zu Lea. Sie lachte mich aus, aber nicht dieses fiese Auslachen wie bei Clarissa, sondern ein liebevolles Lächeln. "Komm mal mit Lia." Ich stand langsam auf, da ich wusste, mein Kreislauf würde sonst nicht mitspielen. Finn und die anderen bekamen glaube ich nichts davon mit, da sie aufgrund des Alkohols komplett auf das Ende des Films fokussiert waren. Lea zog mich in die nächstbeste Ecke.

"Willst du das alles eigentlich?", fragte sie mich, als wäre ich ihr das wertvollste auf der Welt. "Willst du wirklich fast jeden Tag betrunken oder high sein?" Ich starrte sie an und fing mal wieder an zu weinen. Wieso bin ich denn in diesem Zustand immer so emotional? "Ich habe die schlimmsten Monate meines Lebens hinter mir und will mir einfach auch mal ein anderes Gefühl gönnen. Ich hab nicht gesagt, dass ich das immer machen will, aber die letzte Woche waren einfach fantastisch", antwortete ich glücklich und traurig zugleich. "Ich will dir einfach nur sagen: Pass gut auf dich auf", beratschlagte sie mich und umarmte mich. Was sie genau meinte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich glaube ich habe eine richtig tolle neue Freundin gefunden.

Der Film war genau in dem Moment aus, als wir wieder zur Couch kamen und der Abspann fing an. Keiner reagierte und deshalb lief das schwarze Bild mit weißer Schrift noch einige Zeit vor meinen Augen weiter. Ich fing mal wieder an zu grübeln, über wirklich alles. Sally und Chloé, ich habe mich nicht gemeldet seit zwei Tagen! Der Test morgen! Wann ist die nächste Sitzung? Mir wurden es zu viele Gedanken und ich musste schon wieder schluchzen. Da ich im betrunkenen Zustand mich nicht um unzählige Gedanken kümmern musste, nahm ich mir eine neue Weinflasche und trank auf Ex gut ein Viertel leer. Finn starrte mich mal wieder verblüfft an. Aber dieses Mal war es anders. Er sah irgendwie besorgt aus. Und jetzt fiel mir erst auf was Lea mir vorhin eigentlich gesagt hat. Sie hat mich nicht gefragt, ob ich das will, weil sie mir einen Vorwurf machen wollte oder weil sie mich noch warnen wollte. Sie hat mir das gesagt weil es sozusagen schon feststand wo das auch bei mir hinführt. Es führt in die Abhängigkeit.

Liebe Führt Zum TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt