Kapitel 3

3 0 0
                                    

Und ich weiß nich wieso, aber ich hatte das Gefühl ich muss mich um ihn kümmern. Wahrscheinlich weil ich weiß wie schlimm es sich anfühlt wegen irgendeinem Grund hiersein zu müssen. Und außerdem wollte ich ihn kennenlernen. Was hatte ich denn schon zu verlieren, dachte ich damals.  


Also ging ich schnurstracks aus der Tür, in der Hoffnung ihn noch einzuholen. Der Gang war lang. Und grau. Ganz anders als der Raum in dem die Therapien stattfinden. Hier lief es mir immer kalt den Rücken runter, denn dort merkte man erst wieder wo man sich eigentlich befand. Ich ging nach rechts denn ich wusste links würde man nur in eine Sackgasse laufen. Ich konnte ihn sehen. Ganz am Ende des Flurs sah ich jemanden nach draußen huschen. Scheint als wolle er hier ganz schnell weg - kein Wunder, ich meine wir reden hier immer noch von einer Psychiatrie. Aber ich ging immer schneller bis ich schließlich fast rannte. Draußen angekommen aber merkte ich dass das umsonst war. Gehen hätte gereicht, denn er saß ganz friedlich auf einer Steinmauer nur ein paar Meter weiter und zündete sich gerade eine Zigarette an. Ich atmete erleichtert auf und räusperte mich dann leise. Ich ging zu ihm aber er bemerkte mich erst garnicht, obwohl ich direkt vor ihm stand. Stattdessen starrte er in die Landschaft. Naja also wenn man Kreuzberg als Landschaft bezeichnet. Ich räusperte mich erneut, dieses mal aber etwas lauter, sodass er es hören konnte und sich schließlich zu mir wandte. Während er seinen Kopf drehte bekam ich irgendwie Panik. Wieso bin ich ihm eigentlich hinterhergelaufen?  Was soll ich überhaupt sagen? Ich fing an unruhig zu werden. So bin ich einfach. Ich bin generell sehr offen wenn es darum geht, neue Leute anzusprechen. Allerdings, kurz bevor es dann soweit ist mit denjenigen zu reden, bekomm ich immer Angst und kein Wort kommt mehr aus mir heraus. Das kann echt oft sehr peinlich enden und genau davor hatte ich in diesem Moment Angst. Denn süß war er ja schon irgendwie.

 "Oh... Hey. Ich hab dich erst garnicht bemerkt. Ich war total in meine Gedanken vertieft tut mir leid." Und genau jetzt fing dieser Moment an, indem ich nicht wusste, was ich antworten sollte. Ich lächelte. "Kein Problem. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich das total stark von dir fand wie du über, naja dein Leben geredet hast. Und ich wollte fragen ob alles okay bei dir ist?" Wow! Ich war echt von mir selber überrascht. Ich glaub so viel habe ich noch nie zu einem Fremden gesagt. "Setz dich doch zu mir, dann können wir etwas reden." Ich war überglücklich als er das zu mir sagte. Ich strahlte innerlich vor Freunde und versuchte mich ganz cool und unauffällig neben ihn zu setzen. Er drückte seine Kippe auf dem Boden aus und drehte sich direkt eine nächste. "Willst du auch eine?", fragte er mich vorsichtig. Ich runzelte meine Stirn etwas und schüttelte dann meinen Kopf. Er zuckte mit den Schulter. "Und wo kommst du her?", murmelte er. "Aus Pankow, du?" Er antwortete, dass er in Berlin Mitte, an der Grenze zu Pankow wohne und auch drei Mal in der Woche hierher käme. Wir redeten noch darüber auf welche Schule wir gingen und in welche Jahrgangsstufe und stellten mit Erstaunen fest, dass wir die gleiche Schule besuchten. Er ging in die 12., in die Abschlussklasse, eine Stufe über mir. "Darf ich dir eine Frage stellen?", fragte ich ihn leise. Er nickte. "Wie hast du es geschafft mit dem Schmerz umzugehen?" Er atmete einmal tief ein und dann lange aus. Dann grinste er ironisch. "Garnicht." Mit dieser Antwort hätte ich nicht gerechnet. "Man kann mit so einer Art Schmerz nicht umgehen. Der Körper und mein Kopf haben versucht es mit Dingen zu verarbeiten , die ich mir selber antun wollte. Aber wie du ja vorhin wahrscheinlich mitbekommen hast, es hat nicht geklappt. Man blendet den Schmerz zwar für einige Minuten aus, aber danach ist es nicht besser." Nachdem er sich die zweite Zigarette angezündet hatte, herrschten gefühlt fünf Minuten Stille zwischen uns. Aber nicht diese peinliche Stille. Nein, es war irgendwie anders. Ich war auf eine Art und Weise fasziniert von ihm, die ich nicht beschreiben kann. Ich sah ihn mit offenem Mund an. Er lachte mich an. Ich glaube er überspielt seine Trauer oft mit Lachen. So empfand ich es jedenfalls in diesem Moment. "Ich muss los. Meine Freunde warten auf mich. Wann sehen wir uns wieder?", fragte er und drückte mal wieder ihre Zigarette auf dem Boden aus. Ich war sehr froh darüber, dass es ihn interessiert ob wir uns wiedersehen. "Also ich bin in 3 Tagen wieder hier", antwortet ich etwas nervös. "Okay. Ja, da bin ich auch wieder da. Vielleicht sieht man sich ja davor auch in der Schule?" Ich nickte aufgeregt. Dann ging er ohne ein Wort zu sagen in Richtung Parkplatz und stieg dann in sein Auto. Ich sah ihm so lange hinterher bis er aus meinem Blickfeld verschwand. Ich hab mich lange nicht mehr so glücklich gefühlt. Die letzten Monate ging es mir immer so schlecht, ich war alleine, fühlte mich leer und jetzt hab ich das erste mal wieder sowas wie Hoffnung. Das mein Leben besser wird. Was rede ich da eigentlich? Ich kannte diesen Jungen nicht mal. Ich hab ihn vor 20 Minuten das erste mal gesehen. Ich darf mir keine Hoffnungen mache. Das endet nie gut. 

Liebe Führt Zum TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt