Aufstehen, Kleinigekeit essen, sieben Stunden laufen, Pause, weitere fünf Stunden laufen, Zelt aufschlagen, schlafen. Der Schlaf war für mich in den Tagen zu einem richtigen Luxus geworden, auch wenn ich es über den Tag nicht sonderlich merkte, machte mir die Hitze doch ziemlich zu schaffen. Sechs Tage ging das so, dann entdeckte ich gerade mit dem Eintreffen der Dämmerung am Horizont die hohen Wolkenkratzer. Wir waren da. Noch etwa zehn Kilometer. Morgen Vormittag würden wir da sein. Und dann? Sterben? Überleben? Hinter das Geheimnis kommen? Sterben? Gefangen genommen werden? Sterben? Vielleicht sollte ich nicht immer alles negativ sehen, denn oftmals kommt alles anders, wie gedacht.
Und das war ich nicht gewohnt. Ich brauchte einen Plan. Alles musste durchdacht sein, dann konnte auch nichts schief gehen. Aber wir hatten keinen Plan, zumindest sah ich es eher als eine Entschuldigung an, mit der Tyler wieder aufgenommen werden sollte. Und wenn er wieder drinne war, in der Kaserne? Würden wir dann unser Leben riskieren? Also theoretisch hielt mich nichts hier, ich hatte keine Familie, keine Freunde, ob ich da war oder nicht, machte keinen Unterschied, vielleicht außer, dass eine der Besten fehlte. Aber diese Stelle konnte man schnell wieder besetzen.
Aber ich wollte wenn dann im Kampf sterben. Im Kampf für die gute Seite. Und im Moment war die böse Seite die Wasters. Und ich würde keine Minute zögern, einen zu töten.
Vielleicht konnte man es Propaganda nennen, denn die Regierung hatte uns immer wieder verklickert, dass die Leute da draußen "Das Ungewisse" sind, die regelmäßig die Randeinwohner der Stadt überfielen und brutal ermordeten.
Was wäre aus mir geworden, wenn die Wasters sich damals sich nicht genau unser Haus ausgesucht hätten? Ich hätte wahrscheinlich einen guten Schulabschluss und in ein paar Jährchen würde ich in der Küche in einem kleinen, gemütlichen Haus am Herd stehen und brav auf meinen Mann warten, während meine zwei Kinder ordentlich ihre Hausaufgaben erledigten. Vielleicht war mein Leben so gar nicht schlecht, immerhin hatte ich keine Angst zu sterben, denn ich hatte niemanden, von dem ich Abschied nehmen konnte. Wieso dachte ich auch immer an den Tod? Es würde alles glatt laufen, Tyler könnte mich von den Plänen der Regierung überzeugen, oder ich würde sein Schicksal in die Hand nehmen.
Wir setzten uns auf den Boden und blickten on die Ferne zu den Wokenkratzern, während die letzten Strahlen der Sonne langsam verschwanden. Es war schon beinahe kitschig, wie alles in gold und rot getaucht wurde. ,,Du würdest mich schlagen, wenn ich versuchen würde, dich zu küssen, oder?" grinste er und rückte ein Stück näher zu mir. ,,Ich würde dich an deinen Eiern am Baum da drüben aufhängen." knurrte ich und rutschte weg. ,,Wieso bist du so prüde?" ,,Vielleicht hättest du es einfach machen sollen und meine Reaktion abwarten." ,,Ach?" er zog die Augenbrauen nach oben. ,,Tja, jetzt hast du es versaut." gab ich zurück und rollte das Zelt aus, in dem ich geschickt die Stangen einfädelte und mit den Heringen im Boden festmachte. Es dauerte keine drei Minuten und Tyler beobachtete mich dabei.
,,Ich lege mich schon hin." sagte ich und krabbelte in den engen Raum. ,,Hmm." hörte ich ihn nur noch murmeln. Mir fielen meine Haare in dunklen Strähnen ins Gesicht, als ich den Zopf löste. Körperhygiene war sowieso auf der Strecke geblieben, aber das machte mir nicht viel aus. Der Geruch von Schweiß gehörte zum Training, zur Ausbildung, eigentlich zu allem dazu, was man in der Kaserne machte.
Davon abgesehen hatte man beim Duschen exakt fünf Minten lang warmes Wasser, bis es ganz kalt wurde. Im Camp bei den Wasters war drei Mal in der Woche "Waschtag" gewesen, da sind alle Frauen zu einem großen See gelaufen, in dem man sich die ersten drei Meter durch Algen kämpfen musste und dann irgendwann ein Stück Kernseife gereicht bekommen hatte, das man so schnell wie möglich weiter geben sollte.
Ich drehte mich auf die Seite und schloss die Augen, nur um gleich darauf vom Schlaf übermahnt zu werden.
DU LIEST GERADE
Der Anfang des Endes
RomanceValerie ist Soldatin und als einziges Mädchen bei der Bundeswehr, so beschützt sie die Einwohner ihrer Stadt, die trotz der hohen Mauer immer wieder Angriffe der Außenlebenden erfahren müssen. Ihre Familie ist bei einem Angriff brutal ermordet worde...