Kapitel 27

6.2K 313 6
                                    

Tyler blieb dicht hinter mir, als wir den Waldrand erreichten. Es folgte ungefähr ein Kilometer ausgedörrte Fläche, dann fingen wieder die großen Eichen an, die Stadt zu säumen. ,,Und wie gehen wir jetzt vor?" fragte er und lehnte sich an einen Baumstamm. ,,Wenn wir gut sind, dann haben wir ein Empfangskomitee. Sobald wir hier querfeldein gehen, werden sie uns entgegenkommen." ,,Also gehen wir jetzt einfach?" Nein, wir bleiben hier noch zwei Stunden stehen. ,,Ja. Eine Bedingung: Überlass mir das Reden!" ,,Meinetwegen."

Zusammen verließen wir den schützenden Rand und ich zählte meine Schritte. Einhundertachtundfünzig. Man hörte Rufe, dann Motorenlärm. Der Befehl wurde gegeben, das Tor zu öffnen. Zweihundertsechzig. ,,Waffen fallen lassen. Sie haben keine Chace!" schallte es aus dem Megafon zu uns herüber und die Wache heitzte in den Geländewagen geradewegs auf uns zu. Ich gab Tyler ein Zeichen, damit er stehen blieb und er legte seinen Bogen und einige Messer ab, dann kam das Auto knapp vor uns zum Stehen.

,,Hände hinter den Kopf, auf die Knie." schrie jemand immer noch aus dem Megafon, doch wir taten, wie befohlen. Zwei Posten kamen auf uns zu, die Pistolen im Anschlag und ich musste fast Grinsen, denn die Patrouille war von Leuten aus der Einheit unter mir besetzt. ,,Ach du Scheiße. Das ist doch..." Ganz recht. Ihr hättet euch gar nicht so viel Arbeit machen müssen. ,,Bennet. Was machst... machen.." versuchte er mich zu fragen. Wie niedlich! Überlegst du gerade, ob du mich sietzen oder dutzen sollst? Ich stand auf, aber gab Tyler zu verstehen, dass er auf dem Boden bleiben sollte." ,,Ich muss mit dem Oberoffizier sprechen." sagte ich kalt und musterte sie verächtlich. ,,Ja... ja natürlich." ,,Ihm können wir vertrauen. Er kommt auch aus der Stadt. Sollte er trotzdem etwas machen, geht das auf meine Kappe." Jetzt war Tyler dran, mich verächtlich anzusehen und stand auf. Ich hieb mich auf die Ladefläche des Wagens, ohne den Posten noch eines Blickes zu würdigen und Tyler tat es mir gleich.

Sie warfen sich untereinander ratlose Blicke zu, ehe sie schlussendlich einstiegen und auf den Zaun zufuhren. Sie hupten einmal, dann wurde von Innen mühsam das Tor aufgedreht. Zwar warfen die Wachen uns einen seltsamen Blick zu, aber keiner hielt uns an, und so fuhren wir bis auf den mir vertrauten Vorplatz der Kaserne. ,,Also hier hat sich absolut nichts verändert." murmelte Tyler und sprang von der Ladeklappe, ehe der Wagen richtig gehalten hatte.

,,Denk bitte dran und lasse mich zuerst alles regeln. Also Klappe halten." ,,Ja ja, du mich auch." rief er und schaute sich um. ,,Wenn wir drinne sind, werde ich dich fertig machen." murmelte ich, aber offensichtlich gehört. ,,Wenn wir drinne sind, angenommen wurden, wenn uns die Leute wieder vertrauen, werden wir die Schaltzentrale suchen. Wir werden dem Regierungsgebäude einen kleinen Besuch abstatten." flüsterte er.

Es wurde ernst. So richtig ernst. Und irgendwie wurde mir das erst jetzt bewusst. In einer gewissen Weise musste ich meine Leute hier hintergehen, und was würde passieren, wenn wir wirklich die Pläne aufdeckten, die bestätigten, was Tyler behauptete? Hör auf, dir darüber den Kopf zu zerbrechen, verdammt!

Die Typen nahmen Tyler und mich in die Mitte und manövrierten uns durch die Kaserne. Ich zog den vertrauten Geruch ein, eine Mischung aus Essigreinger, Schweiß und Kantinenessen. Viele warfen mir überraschte Blicke zu und einige schienen mich erst auf den zweiten Blick zu erkennen, einige musterten Tyler, der sich davon aber nicht beeindrucken ließ und eingehend das Gebäude von Innen betrachtete.

Wir kamen vor der unbeschrifteten Tür zu stehen. Vor dieser Tür hatten alle ziemlichen Respekt, denn dahinter lag das Büro des Oberoffiziers und zu ihm wurde man nur gerufen, wenn man sehr, sehr tief in der Scheiße steckte.

,,Bennet!" ließ mich seine Stimme automatisch gerade stehen. ,,Sie dürfen eintreten." blaffte er und beäugte Tyler dann kritisch, der seinem Blick aber standhielt. Und es gab echt nicht viele Leute, die sich das trauten. ,,Vertrauensperson?" fragte er mich. ,,Ja, Sir." ,,Eintreten." Tyler schlüpfte zu mir in den Raum. Das erste, was mir auffiel, war die riesige Landkarte, in der rote Stecknadeln steckten. Auf seinem Schreibtisch standen vier Bildschirme und daneben einen Haufen Papiere.

,,Sie dürfen sich setzen." er deutete auf die unbequem aussehenden Stühle und wir setzen uns, während er sich auf seinem Ledersessel niederließ.

,,Ihre Mission ist kläglich gescheitert, Bennet." war ja klar, dass er mich am Anfang erstmal runter machen musste. ,,Wer sind sie?" ,,Derek. Derek Hunter, Sir." War ja klar. ,,Wieso stehen sie nicht im Einwohner Register?" ,,Erlauben sie, Sir?" fragte ich, damit ich wieder das Wort bekam. ,,Nur zu." ,,In dem Jahr, an dem ich in diese Kaserne wechselte, ist ein Junge über den Zaun geflohen. Nämlich De- Derek. Auf der Mission wurde ich von Wastern überwältigt und mit in ihr Camp verschleppt. Als ich aufwachte, habe ich ihn erkannt, denn hier in der Kaserne hing mal ein Bild von ihm aus. Ich habe ihn verraten und sie haben uns ausgestoßen, Sir..." ,,Aus welchem Grund sind sie geflohen, Hunter?"unterbrach mich der Oberste und ich klappte den Mund zu.

,,Das ist es ja gerade. Ich habe keine Ahnung mehr. Mittlerweile ist es fünf Jahre her, ich weiß nur noch, dass ich bei den Wastern aufgewacht bin. Ich habe ihnen erzählt, dass ich aus einem anderen Stamm ausgestoßen wurde, und sie haben mich aufgenommen. Und dann kam Valerie." ,,Halten sie es für einen Fehler, dass sie mit hierher gekommen sind?" Okay, diese Frage war sehr hinterlistig. ,,Ehrlich gesagt, nein. Ich weiß, dass ich hier aufgewachsen bin, nur leider konnte ich alleine nicht aus den Wäldern flüchten." Leider. ,,Halten sie es für einen Fehler, ihn hieher gebracht zu haben, Bennet?" ,,Nein, Sir. Ich bin mir sicher, dass er absolut vertrauenswürdig ist. Ich habe ihn dort erlebt, er hatte sich all die Jahre nichts sehnlicher gewünscht, als wieder hierher zu kommen. Die Wasters hätten ihn nicht gehen lassen und glauben sie mir: Sie hätten ihn gefunden, überall." ,,Es war schon fast ein Segen, dass Valerie mich verraten hat." ,,Wieso haben die Wasters dir die fünf Jahre nicht geglaubt, dass du aus der Stadt bist." Oh Shit, beinahe hätten wir uns verhaspelt.

,,Der Stammesführer hielt mich für seinen verlorenen Sohn. Offenbar war es für ihn Grund genug mich dorthaben zu wollen." Der Offizier nickte und tippte etwas in den PC. ,,Er ist an sie gebunden, Bennet. Macht er Mist, wird das auf sie zurückfallen, verstanden?" ,,Jawohl, Sir." ,,Sie können dann gehen." Das war's? Keine Fragen, kein weiteres Misstrauen? Ich nahm es als Kompliment, dass der Oberste mir so vertraute, nur leider musste ich sein Vertrauen brechen. Zumindest ein bisschen.

Ich salutierte einmal, dann zog ich Tyler am Ellenbogen nach draußen. ,,Sag mal, was denkst du dir eigentlich, einen Decknamen zu benutzen?" zischte ich, nachdem ich mich erkundigt hatte, dass sich keiner auf dem Gang befand. ,,Was ist, wenn die Leute aus der Einheit über mir dich wiedererkennen und dich "Tyler" rufen?" ,,Jetzt komm mal runter. Es wird mich keiner erkennen. Ich bin größer, musklöser, nicht  mehr so blond und habe einen Drei Tage Bart." grinste er flüsternd. ,,Sollte das hier irgendwie in die Hose gehen, dann schieße ich dich nicht vom Zaun runter, sondern erwürge ich dich eigenhändig."

Der Anfang des EndesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt