Ich kann es nicht glauben. Okay, ich kann es glauben, will aber nicht. Jetzt gibt es keinen Weg mehr darum herum, ich nehme Tyler mit in die Stadt. Ich hätte ihn als verrückt abgestempelt, aber er hatte einfach recht, was das mit den Schmerzen und Brüchen angeht. Es musste mehr dahinter stecken.Das mit dem Krieg ist ein klein wenig zu viel für meinen Geschmack, denn DAS konnte ich wirklich nicht glauben, das wäre absoluter Schwachsinn. Es wäre nicht unmöglich, aber es würde keinen Sinn ergeben. Ich hätte mir noch stundenlang darüber den Kopf zerbrechen können, aber ich war zu müde. Es mangelte mir an Disziplin, wenn ich wach sein musste, dann blieb ich auch wach- Nur eben heute nicht.
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,,Wir können da nicht einfach so hinein marschieren!" hielt ich gegen Tylers Idee, einfach in die Stadt hineinzulaufen, als ob nichts gewesen wäre. ,,Natürlich können wir das. Sie kennen uns schließlich." ,,Wir gehen am Zaun entang, bis wir auf eine Patrouille treffen. Die kennen mich schließlich." entgegnete ich und verschränkte die Arme. ,,Ja ja, okay, ich habe keine Lust mehr mit dir zu diskutieren." er stellte sich extra so hin, dass er von Oben einen spöttischen Blick auf mich werfen konnte. Wenn du nur zwanzig Zentimeter kleiner wärst, würde ich dich in den Boden stampfen. ,,Gut. Ich nämlich auch nicht. Müssen wir und von den anderen verabschieden?" wollte ich wissen und fuhr mir durch die Haare.
,,Ja klar, wir können nicht einfach so verschwinden. Und außerdem schulden wir den Leuten etwas." ,,Was heißt denn wir?" brummte ich. ,,Sie haben dich schließlich auch aufgenommen." ,,Jetzt geht das schon wieder los. Tyler: Ich.War.Nicht.Freiwillig.Hier! Du hättest mich auch im Wald liegen lassen können..." ,,Mit den Folgen, dass du uns ein paar Tage später mit deinem Trupp alle umgebracht hättest." unterbrach er mich. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, während ich mit meinem Daumen getrocknete Blutreste aus meinen Fingernägeln kratzte, denn heute war ich dran gewesen mit dem Ausnehmen eines Tieres.
,,Bist du eigentlich in Echt auch siebzehn?" fragte er, obwohl er sich schon zum Gehen gewandt hatte. ,,Ja, bin ich. Und du?" ,,So gut wie zwanzig." entgegnete er und ich zuckte die Schultern, ehe ich mich meiner letzten Aufgabe hier zuwendete, nämlich Feuerholz sammeln.
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,,Ich sage es heute Abend, bei dem großen Lagerfeuer." beschloss Tyler, als wir uns bei Dämmerung im Zelt eingefunden hatten. ,,Was willst du sagen?" knurrte Paul, der trotz der harmlosen Frage gefährlich klang. Tyler lächelte beschwischtigend. ,,Das wirst du sehen. Können wir dann los?" Ich überließ Paul das Nicken und gemeinsam machten wir uns auf zu dem Platz, auf dem sich schon so gut wie alle versammelt hatten.
Als alle mit dem Essen fertig waren, erhob sich Tyler und ging auf das kleine Podest, so wie am ersten Tag, als ich aufwachte. ,,Ich muss euch etwas verkünden. Ich weiß, dass es sehr kurzfristig ist, aber ich habe mich entschieden, mit..." Plötzlich quietschte jemand in der Menge auf und alle Blicke wandten sich ihr zu: Mary. Er warf ihr einen verwirrten Blick zu, den sie offenbar auch noch als Aufforderung verstand. Ihre Wangen färbten sich rosig. ,,Tyler, ich..." quiekte sie, dann fand Tyler gottseidank seine Worte wieder. ,,Oh.. Mary, es tut mir leid, aber eigentlich wollte ich sagen, dass ich mit Va.. Äh... Liv..." ,,WAS!?" kreischte sie aufgebracht. Die Mienen der meisten Leute waren geschockt, andere verfolgten gebannt das Schauspielt, während ich mir das Lachen zwanghaft unterdrücken musste. Das war einfach zu genial..
,,Mit ihr!? Du hintergehst mich!? Ich dachte, es wäre beschlossene Sache, mit dir und mir und dann entscheidest du dich für sie!? Für ein Mädchen aus der Stadt!?" keifte sie und ihre Stimme wurde immer lauter, während sie auf Tyler zustürmte und ihm mit den Händen vor seinem Gesicht rumfuchtelte. ,,Ich habe mich dafür entschieden, mit ihr in..." setzte er erneut an. ,,Nein!" fauchte Mary. ,,Du musst mir nichts mehr erklären. Vergiss es einfach." ihre Stimme brach, was sie offenbar noch wütender machte. ,,Und du, du kleines Flittchen: Das wirst du bereuen! Alles wirst du bitter bereuen." zischte sie. Ich nickte ängstlich, während ich so leise wie möglich zurück flüsterte: ,,Ich freue mich schon drauf." Ihre Hand klatschte auf meine Wange. ,,Was denkst du dir eigentlich!?" plötzlich hatte sie ihre Stimme wieder und Tyler warnte mich mit seinem Blick, dass ich ja nicht zurück schlagen sollte.
Verdammt noch mal, Tränen! Ich brauche Tränen! ,,Mary, ich hatte eigentlich vor..." ging er wieder dazwischen und ich hielt mir mit gespieltem Schmerz die Wange. ,,Tyler, du brichst mein Herz." schluchtzte sie jetzt und verschwand in Richtung der Zelte. Ich biss mir auf die Lippe, da das Lachen mich fast sprengte, doch Tyler fuhr sich ernsthaft besorgt durch die Haare, ehe das laute Murmeln und Getuschel losbrach.
Tyler und ich tauschten eine lange Zeit, nur Blicke aus, dann flüsterte ich schließlich: ,,Die kriegt sich schon wieder ein. Wenn du wiederkommst, kannst du sie immer noch heiraten und eine zwanzigköpfige Familie gründen." Er grinste mich mit seinem altbekannten Lächeln an, doch das schlechte Gewissen spiegelte sich noch in seinen Augen, dann klatschte er in die Hände und nahm wieder das Wort an, sobald die letzten Gespräche verklungen waren.
,,Also, das war eigentlich nicht geplant und meine kleine Rede sollte sich eigentlich um etwas anders drehen, nämlich, dass ich mit Liv in die Stadt gehen werde." bevor erneut das Gerede begann, fuhr er fort. ,,Ich werde bald wieder da sein, wir brechen morgen auf. Mittlerweile sind wir hier so viele, dass es auf zwei mehr oder weniger nicht ankommt. Ich bitte um Verständnis und ich hoffe, dass ich einiges in der Stadt bewirken kann, sodass wir nicht mehr ständig auf der Flucht sein müssen." Er sagte noch einige Wörter, doch in senkte meinen Blick auf die Erde, steckte die Hände in die Taschen meiner Hose und zog sie gleich wieder hinaus, als ich etwas Weiches spürte. Es war der Teddybär, den ich -oder eher gesagt Eric- auf der Suche nach dem Clan gefunden hatte.
Irgendwie wusste ich, dass der Teddy zu dem kleinen Mädchen gehörte, das mich nicht ansprechen sollte, als hätte ich irgendwo gelesen, dass er ihr gehörte. Ich scannte die Leute ab, als ich sie schließlich eingekuschelt an ihrer Mutter fand, die ich mit einigen Schritten erreichte und mich neben sie hockte.
,,Hier Kleine. Ich glaube, der gehört dir." Ich drückte ihr den kleinen Stoffbären in die Hand und musste noch nicht mal ein Lächeln vortäuschen, als ihre Augen anfingen, zu Leuchten.

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Der Anfang des Endes
RomanceValerie ist Soldatin und als einziges Mädchen bei der Bundeswehr, so beschützt sie die Einwohner ihrer Stadt, die trotz der hohen Mauer immer wieder Angriffe der Außenlebenden erfahren müssen. Ihre Familie ist bei einem Angriff brutal ermordet worde...