Kapitel 34

5.8K 267 14
                                        

Zehn Minuten vor sieben Uhr stand ich in kompletter Uniform vor dem Haupteingang des riesigen Gebäudes. Drei  weitere uniformierte Unteroffiziere schritten im Schnellschritt den gepflasterten Weg hoch und gleichzeitig hoben wir alle die Hand.
Sie kamen mir bekannt vor, sie hatten sie Ausbildung schon seit einem Jahr, wie ich an ihren Orden erkennen konnte.

Die doppelflügelige Glastür öffnete sich mit einem Zischen und Moore, gefolgt von zwei anderen Frauen im ähnlichen Outfit liefen hinter ihr her.
Sie hatten Headsets auf und gaben uns ein hektisches Zeichen, dass wir ihnen folgen sollten.

Ich prägte mir jeden der Gänge, die sich bis auf's kleinste Detail glichen, so gut es ging ein, bis wir zu einem Aufzug kamen, der uns in den vierten Stock beförderte, während beide Frauen fleißig in ihre Mikirofone sprachen. ,,Doktor Miller wird bald hier eintreffen, nehmen sie Platz." die ältere von Beiden zog kraftvoll eine Holztür auf, die in einen Konferenzraum führte.
An dem zehn Meter langem Tischsaßen schon einige Personen, wichtig aussehende Gesichter. Unter ihnen auch die Pressesprecherin, die ich von einigen Aufnahmen kannte.
Auf den Tisch standen kleine Namenskärtchen und ich suchte meinen Platz.
Die Leute unterhielten sich leise und schienen keine Notiz von uns zu nehmen, was aber auch gut so war.

Mittlerweile war kein Platz mehr unbesetzt und mir fiel auf, dass so ziemlich jeder eine Brille aufhatte. Die Frauen hatten alle ihre Haare in einen strengen Dutt gekämmt, waren mit Blazer und einem Bleistiftrock gekleidet, die Männer hatten entweder eine Gelfrisur oder eine Halbglatze, sowie einen teuer aussehenden Anzug. Insgesamt zählte ich genau achtundvierzig Leute und dreiundvierzig hatten eine Brille auf, die Hälfte vermutlich nur, damit sie intellektueller aussahen.

Die Tür ging noch einmal auf und herein kam Doktor Miller. Seine dunklen Haare ordentlich frisiert, mit Anzug und Aktenkoffer in der Hand. Verhältnismäßig war er klein, wie ich sehen konnte, als er hinter den Leuten herging, die sich zur Begrüßung erhoben hatten.
Gegenüber seinen Vorgängern war er ziemlich jung, sechsunddreißig Jahre, wie ich in bei der Wahl mitbekommen hatte.

Er nahm am Ende des Tisches platz, an dem ein größerer Stuhl stand. An der Wand hing eine Karte mit den Umrissen unserer Stadt, daneben ein Whiteboard und in der Ecke stand eine große Flipchart.
,,Setzt euch bitte." sprach Miller und alle taten, wie gesagt. ,,Nun, am 1. September fängt ein neues Jahr für unsere Republik an und einige von euch haben das Glück, für die Regierung zu arbeiten." lächelte er, seine gebleachten Zähne hätten mich schon fast geblendet.
Er fing an, eine Rede zu halten über unsere Stadt, bei der sich meine Ohren bald abschalteten, da ich das ganze Gelaber eh schon kannte.
Ohne das ich bewusst wahrnahm, wanderten meine Gedanken wieder zu Tyler und in mir breitete sich eine wohlige Wärme aus, die ich mit allen Mitteln versuchte, zu verdrängen.
Was hat dieser Junge mit mir nur gemacht? Er hat dich schwach gemacht, undiszipliniert. Wegen ihm kannst du dich nicht länger konzentrieren. Liebe ist gefährlich, Dummkopf.
Das, was ich an dem Abend zu Tyler gesagt habe, stimmte. Bei dem, was wir vorhaben, in der Stadt gegen die Regierung zu arbeiten, darf man sich keine Fehler erlauben, man kann sich keine Unachtsamkeit erlauben.
Wie kann man Gefühle unterdrücken? Also bitte, das hast du fast zehn Jahre mühelos geschafft. Also schaffst du es bei Tyler auch.
Ich schaffe das. Und doch konnte ich meinen Kopf nicht davon abhalten, daran zu denken, wie Tyler sich angefühlt hatte. Seine rauen Lippen, umgeben von kurzen Bartstoppeln, die auf meiner Haut gekratzt hatten. Die leichten Linien seiner Narben auf dem Rücken und die festen Bauchmuskeln, wie ich... Halt endlich mal deine verdammte Klappe! Diese Gedanken sind tabu, klar?

Ich verbannte endlich den Gedanken und musste dann daran denken, wie er schnell wegschaute, wenn ich seinem Blick begegnete. Wie er dann ein Lächeln aufsetzte, weil wir in einer gewissen Weise ja doch miteinander auskommen müssen.
Wir müssen zusammen arbeiten, auch wenn es noch so schwer ist.

,,... alle Hände voll zu tun im Westen. Die Außenbewohner werden immer stärker und ich weiß nicht, wie wir das noch lange managen können." durchbrach Millers Stimme endlich meine Gedankenwand und dann auch noch mit einem Thema, von dem ich noch nicht gehört hatte.

,,Vor allem ist auch unklar, was diese... Leute wollen. Geht es nur um's Morden, oder brauchen sie Nahrung? Vor allem kooperieren sie auch nicht, ansonsten hätten wir ja auch einen Kompromiss eingehen können. Aber solange es den Wasters nur darum geht, unseresgleichen auszulöschen, können wir einen Handel mit ihnen auch nicht in Augenschein nehmen." Warum weißt du davon nichts?
,,Es tut mir wirklich leid, dass ich die, die neu hier eingestellt wurden, schon gleich mit den größten Problemen konfrontieren muss, aber das belastet die Republik im Moment sehr schwer." Er ließ seinen Blick durch die Menge schweifen uns als er bei mir ankam, nickte ich einmal kurz, worauf er lächelte.
,,Deswegen habe ich die besten Abgänger der Eliteschule als Personenschützer eingestellt bekommen, was mich sehr erfreut."

,,Aber zurück zu dem, was unseren Einwohnern am Meisten Kopfschmerzen bereitet: Die Angriffe von außen." Miller holte einmal tief Luft. ,,Ich habe mich bereits mit den Vorsitzenen der Städte 'Gastonia' und 'Augusta' in Verbindung gesetzt. Das würden wir eigentlich nicht tun, denn wir sind seid dem Krieg unabhängig. Doch auch diese Städte haben unter den ständigen Angriffen zu leiden. Klar, wir können uns noch gut dagegen zu Wehr setzen, die Frage ist nur: Für wie lange noch?" ich schaute in einige verdutzte Gesichter, offensichtlich wurden mehrere im Unwissen gelassen. ,,Wir werden dieses Treffen in drei Wochen wiederholen, dann kann ich etwas konkreter in diesen Äußerungen werden. Ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit." Er erhob sich und alle taten es ihm gleich und unter unserem Applaus verließ er schnellen Schrittes den Raum.

Kaum hatte sich die Tür geschlossen, brach lautes Gemurmel aus und die vielen Leute unterhielten sich angeregt.
Was sollte ich von der ganzen Sache halten? Angriffe von den Wastern. Klar, es gab noch viele, viele andere Clans, wie der von Tyler, aber trotzdem gab ich mich der naiven Vorstellung hin, wie Paul, Evan und all die anderen Männer und Jungs versuchen, die Wachposten an der Mauer zu überwältigen.
Tyler hatte in einer gewissen Weise recht. Es würde Krieg ausbrechen.

Allerdings nicht gegen andere Städte, um mehr Macht zu erlangen, sondern gegen die Wasters. Hatte er das auch vorausgesehen?

Der Anfang des EndesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt