,,Was hätte ich tun sollen, hm? Mich ihnen alleine in den Weg stellen? Dann hätte ich noch viel weniger die Chance gehabt, dich zu sehen. Ich musste ihr vertrauen gewinnen." Ich hatte die Augen geschlossen, während Tyler leise erzählte, was vorgefallen war.
Zwei Monate und dreizehn Tage waren wir hier unten. Sie hatten an mir alles getestet, von Mitten, die zu schnelleren Reaktionen führen, über den beschleunigten Heilungsprozess, bishin zur Schnelligkeit. Ich fühlte mich entblößt, verletzt... Während er redete hatte mich jede Kraft verlassen.
Ich wollte nicht mehr kämpfen, weder für die Stadt, noch für die Waster. Ich hatte auf ganzer Linie versagt, warum dann nicht den Rest dem Schiksal überlassen? Dass nicht die Regierung vorhatte, die Gegend um die Stadt zu 'säubern', sondern die Leute hier unten, überraschte mich fast gar nicht mehr.
Die Stadt unter der Stadt gewann immer mehr Macht, immer mehr Menschen wurden hineingezogen. Die Soldaten, die an den Mauern postiert waren, hingen alle mit drinne, und immer mehr kamen dazu. Ich schüttelte träge den Kopf und rieb mir die Augen.
,,Du hättest mich dalassen sollen und dich selbst in Sicherheit bringen. Sie hätten mich umbringen sollen, Tyler." murmelte ich und musste schlucken. Geschockt starrte er mich an. ,,W-Was!?" ,,Ich habe keine Lust mehr. Es ist zu spät. Diese Doktoren hier werden mit meinen Genproben herumforschen und dann, wenn sie eine eigene Armee haben, die Regierung hier und vermutlich auch von den Städten im Umkreis stürtzen. Wir sind zu zweit. Die zu tausend."
,,Es gibt immer noch eine Chance. Sie sind noch nie so weit entwickelt, dass sie dieses Zeug spritzen können. Das, was wir in uns haben, liegt in den Hochsicherheitslaboren oben. Unterhalb des Regierungsgebäudes." ,,Und wie lange wird es noch dauern, bis sie dort auch Leute haben, die ihnen den Zugang ermöglichen?" ,,Wir dürfen es halt nicht soweit kommen lassen."
,,Ziemlich optimistisch dafür, dass wir auf der Tötungsliste dieses Netzwerkes hier ganz oben stehen." Seine Mundwinkel zuckten kurz, dann stand er auf und knipste die grelle Leuchtstoff Röhre aus. Ich rollte mich zusammen und schlief darauf sofort ein.
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Als ich die Augen wieder aufschlug, fühlte ich mich zumindest etwas besser. Ich setzte mich auf und reckte mich, dann viel mein Blick auf den kleinen Teller mit einem ganzen Laib Brot und einer metallernen Flasche Wasser. Gierig machte ich mich darüber her und in Rekordzeit hatte ich alles aufgegessen. In was für einer Lage ich mich befand, schob ich nach ganz hinten in meinen Kopf, stattdessen sah ich mich neugierig um.
Es war unverkennbar eine der Zellen, die gleichen grauen Wände, die aber immerhin hier von der kleinen Lampe erhellt wurden. Ich hatte auf einer Wolldecke gelegen, ansonsten war hier nichts. Schritte hallten durch den Gang, aber anstatt mich schlafend zu stellen, positionierte ich mich hinter dem Eingang. Meine Musklen und Gliedmaßen waren eingeschlafen und wenn es eine der Wachen war, dann wäre es ein Leichtes, mich zu töten, was mir aber ziemlich egal war.
Die Person stand nun in der Türschwelle und als sie einen Schritt in den Raum machte, sprang ich von hinten auf sie drau. Oder besser gesagt ihn, wie ich an den hellblonden Haaren erkennen konnte. Mit nur einem Tritt hatte mich Tyler von sich herunter befördert und ich knallte neben ihm auf den Boden. Sofort packten seine Hände meine Handgelenke um mich am Boden zu behalten. Er grinste mich an, aber es war nicht mehr das Lächeln von früher.
,,Ist ja gut. Wie du sieht, habe ich es eh nicht mehr drauf." etwas ungelenkig richtete ich mich auf. ,,Das kommt noch. Die haben dir unwahrscheinlich viele Sachen gespritzt, wie gesagt. Wenn auch nur eines davon anschlägt..." Er schaute hilfesuchend auf den Boden, dann sprach er leiser weiter ,,Deswegen wollten sie dich ja auch dabehalten. Um zu gucken, wie welches Mittel wirkt."
Dann herrschte Stille. Ich strich mir meine Haare aus dem Gesicht, dann hinter die Ohren. Ich spürte Tylers Blick auf mir. ,,Was ist?" ,,Du... hast dich verändert." ,,Was du nicht sagst. Könnte vielleicht daran liegen, dass ich fast drei Monate wie ein Tier gehalten wurde, das anschließend auf einen Menschen losgelassen wurde, um ihn zu töten."
,,Ist das das Letzte, an das du dich erinnerst?" Ich überlegte kurz, nickte dann langsam. ,,Ja... Dann weiß ich nur noch, dass mich jemand davon abgehalten hat, diesem Kerl den Rest zu geben." ,,Das war ich. Und dafür wurde ich auch ziemlich... bestraft." Ohne ein weiteres Wort zog er sich sein schwarzes Shirt über den Kopf und drehte mir den Rücken. Ich schnappte nach Luft.
Über seine alten Narben, die feinen, silbrigen Linien waren fleischige, dunkelrote Striemen verteilt. Zwei besonders tiefe hatten sich leicht einzündet. ,,Das... Sind Rückstände von einem Experiment. Sie haben in meinem Rücken herumgeschnitten, Proben genommen, ohne Betäubung." Er zog scharf die Luft ein, als ich mit einem Finger so sanft ich konnte über einen verkrusteten Schnitt strich.
,,Folterei." presste ich hervor. Er machte ein zustimmendes Geräusch, dann drehte er sich um. Unsere Nasen berührten sich fast und sein Atem fuhr über mein Gesicht. ,,Ich- Ich habe dich vermisst, Val." hauchte er und sah mir in die Augen, während er nach meinen Händen griff. ,,Nach allem was passiert ist, habe ich aufgehört gegen die Liebe anzukämpfen. Es- Es bringt eh nichts, warum sollte ich es dann noch verleugnen?" flüsterte ich zurück und er drückte mich vorsichtig an sich. Ich hatte eher das Gefühl, dass er noch an Muskeln zugelegt hatte, als ich meine Hände auf seine Brust legte.
,,Ich denke, wir sollten die wenige Zeit, die wir zum Leben haben, genießen." meinte er und seine Augen leuchteten auf. In mir löste sich etwas Schweres ganz auf, dann presste ich meine Lippen stürmisch auf seine.
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Der Anfang des Endes
RomanceValerie ist Soldatin und als einziges Mädchen bei der Bundeswehr, so beschützt sie die Einwohner ihrer Stadt, die trotz der hohen Mauer immer wieder Angriffe der Außenlebenden erfahren müssen. Ihre Familie ist bei einem Angriff brutal ermordet worde...