Kapitel 2

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Ich führte uns nach Nord-Osten, da wo zuletzt eine Gruppe gesehen wurde. Dem Maßstab der Karte nach zu Urteilen, waren es circa sechzig Kilometer, bis zu dem Punkt. Ich passte mich ein bisschen dem Schritt meiner Leute an, doch ich ging zügig, und unterbrach mein Tempo nicht. Acht Kilometer schafften wir in der ersten Stunde, als die Dämmerung anbrach, waren wir genau fünf Stunden gelaufen, also plus/minus vierzig Kilometer. Die vier Einheiten hatten sich zu einer großen zusammengeschlossen und ich hatte kein Problem damit, an der Spitze gelaufen zu sein und keiner hatte sich beschwert.

,,Meinst du nicht, wir sollten für die Nacht hierbleiben? Es wird gleich dunkel, wir haben vielleicht noch eine Stunde." sprach mich der Führer der dritten Einheit an, ich meine sein Name war Liam. Ich nickte ihm kurz zu und er gab an die anderen weiter, dass wir unsere Zelte hier aufschlagen konnten. Probleme, mit Jungs in einem Zimmer zu schlafen hatte ich noch nie, ich war ja schließlich damit aufgewachsen, auch mit dem Umziehen gab es keine Komplikation, nur ein paar Blicke, die sich schnell wieder abwandten, wenn ich sie erwiderte.

Eric verteilte an uns jeweils ein Paket mit der Essensration für Abends, als er mir den Katon reichte, warf er mir ein Lächeln zu, das ich allerdings nicht zurückgab. Flirten konnte er mit jemand anderes, wenn es nach mir ginge, wären wir jetzt immernoch am Laufen, um möglichst schnell und gezielt unsere Mission zu erfüllen. Ich schliff unsere Messer , während ich auf dem Boden saß und aß, dann probierte ich sie an einem Baum aus. Aus einer Entferung von bestimmt vierzig Meter bleib das Messer genau da stecken wo ich es haben wollte, genau zwischen zwei tiefen Furchen in der Rinde einer Buche. Das andere Messer traf genau einen Meter darüber ein, das nächste einen Meter darunter.

Ich zuckte nicht zusammen, als jemand hinter mir in die Hände klatschte, er hatte sich bereits durch das Knacken kleiner Äste und dem Raschen alter Blätter verraten. ,,Wow, das habe ich noch nie gesehen. Du bist echt einer der Besten." sagte der Typ, der vermutlich Liam hieß. Ich hatte überhaupt keine Lust mich mit ihm zu unterhalten, also zuckte ich nur mit den Schultern, setzte mich auf einen abgeholzten Baum und schliff die Messer weiter. Moment. Ein abgeholzter Baum? Hier? Über fünfzig Kilometer von den Mauern zu unserer Stadt entfernt? Das konnten nur die Wasters gewesen sein. ,,Du willst echt nicht reden, oder?" setzte Liam noch einmal an. ,,Nein!" knurrte ich, wähend ich die Rinde des Baumes an der Stelle untersuchte, wo er abgeholzt worden war. ,,Okay, okay. Was machst du da?" Gott, wieso musste der so nerven? ,,Wasters, hier, vor mindestens zwei Tagen. Diese Gruppe hatte auf jeden Fall eine Axt und vielleicht auch eine Motorsäge." sagte ich anstatt einer Antwort, das war wohl das längste, was ich jemals mit einem hier gewechselt hatte. Der vermeintliche Liam zog verdutzt seine Augenbrauen hoch. ,,D- das erkennst du? An einem Baum?" ,,Wenn man sich ein bisschen anstrengen würde, könnte das jeder Zwölfjährige erkennen!" gab ich zurück, wobei ich meine Stimme extrem genervt klingen ließ. Meine Güte, konnte der jetzt mal endlich abziehen? Offentsichtlich dachte er nichtmal dran, denn er ließ sich neben mich auf dem Baumstamm nieder. ,,Wie alt bist du?" fragte er völlig unvermittelt nach einer Minute Stille. ,,Wüsste nicht, was dich das angeht." entgegnete ich, ohne das Schleifen zu unterbrechen. ,,Warum bist du so abweisend? Hast du einen Freund?"

,,Was interessiert dich das?" fuhr ich ihn an und er wich ein Stück zurück. ,,Ich will dich nur ein bisschen kennenlernen. Ist das verboten?" Liam verlor seine Geduld, was auch gut so war, vielleicht würde er es ja aufgeben, sich mit mir unterhalten zu wollen. ,,Ich finde, dass du nicht so verklemmt sein solltest?" ,,Ach ja? Ich finde, dass du dich jetzt endlich mal von hier verpissen solltest." Ich erhob meine Stimme nicht, was ihn offentsichtlich noch mehr anstachelte. ,,Weißt du was? So wie du aussiehst und kämpfst, könntest du hier echt jeden haben. Sie haben alle Schiss vor dir, aber wollen gleichzeitig mit dir ins Bett." ,,Ich sagte, verpiss dich hier." drohte ich ihm. ,,Ist doch ein öffentlicher Baumstamm. Na gut, wenn ich schon auf diese Weise nicht mit die ins Gespräch komme, dann sag mir wenigstens, warum du so gut bist." ,,Vielleicht, weil ich trainere?" ,,Und wie lange schon?" ,,Ich will nicht mit dir reden! Jetzt geh wieder zu den anderen!" ,,Himmel, ich versuche doch nur, dich ein bisschen kennenzulernen!" ,,Und was ist, wenn ich nicht kennengelernt werden will?" ,,Dann musst du es jetzt wohl. Es gibt für alles ein erstes Mal." trotz des dämmrigen Lichts konnte ich sein schmieriges Grinsen erkennen. Er war attraktiv, nur nicht halt auf eine Weise, die mich ansprechen würde. Selbst wenn, mit so einer Nervensäge würde ich es keine Stunde aushalten.

,,Valerie..." er ließ sich meinen Namen wie ein Karamell Bonbon auf der Zunge zergehen und mich überlief eine Gänsehaut. ,,Hör auf damit!" fuhr ich ihn an, wohl etwas zu laut, denn einige drehten ihre Köpfe zu uns. ,,Wie soll ich dich denn sonst ansprechen?" ,,Gar nicht!" ,,Und was ist wenn doch, Valeriiiieeee!?" ,,Dann schneide ich dir die Zunge ab. Versprochen." Ich stand auf und warf einige Messer, um mich abzureagieren. Kein einziges verfehlte sein Ziel.

Liam war ebenfalls aufgestanden. ,,Denkst du, du kannst mir drohen? Du?" er lachte auf. ,,Ja, das kann ich. Und jetzt verzieh dich endlich!" Augenrollend wollte ich mich auf machen, die Messer wieder einzusammeln, als er mich plötzlich am Handgelenk packte. ,,Du kannst mir nicht drohen. Du bist ein Mädchen." ,,Und was soll das heißen? Lass mich los und verdrück dich!" Ich versuchte seine Hand abzuschütteln, doch er drückte noch fester zu. ,,Selbstberherrschung, beherrsch dich. Wehr dich erst, wenn es nicht anders mehr geht" sagte ich mir immer wieder in Gedanken. ,,Ich verdrücke mich nicht! Du hast mir nicht vorzuschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Nur weil du gut bist, kannst du nicht von dir behaupten, besser zu sein. Antworte gefälligst, wenn ich dich etwas frage, verstanden!?" er packte mich am Oberarm und drückte mich gegen die raue Rinde eines Baumes. Mit der anderen schob er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei er schon fast liebevoll lächelte. Das war genug! ,,Lass mich los! Nimm deine Hände weg!" zischte ich. Ich wusste, das ich stärker war als er, also wollte ich mich nicht wehren, denn mit einem Verletzten würden wir nicht zügig weitermarschieren können. ,,Nein. Ich mag dich, Valerie. Also werde ich meine Hände nicht wegnehmen." er drückte meine Schultern fest gegen den Baum und lehnte sich mit seinem Gewicht gegen mich. ,,Einen Kuss, Valerie und ich werde dich in Ruhe lassen." hauchte er über mein Gesicht. Zu nah, viel zu nah. ,,Nie- mals!" ich zog meine Nase hoch und rotzte ihm ins Gesicht. Wow, das wollte ich schon immer mal machen und es klappte tatsächlich. Ich schob ihn von mir runter und holte die Messer, dabei hörte ich ihn leise fluchen und ich grinste in mich hinein.

Der Anfang des EndesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt