Toni schaute auf die Uhr.
"Wie viel?", fragte ich mit kratziger Stimme.
"23:03", meinte er, "Also 40 Minuten ab jetzt."Er setzte sich auf meine Bettkante und packte sich an seine Haare, welche über und über mit Schaum bedeckt waren, dann schüttelte er erneut fassungslos den Kopf und schaute grinsend zu Boden, während er leise "Ich fass es nicht" murmelte. Dann schaute auf und fragte mich: "Und jetzt?"
"Erzähl mir was", sagte ich.
"Erzählen? Was denn?"
"Irgendwas... Alles."
Es war so eine Nacht, in der man meinte, die Zeit würde still stehen. In der man nirgendwo anders sein wollte, als mit dieser einen Person an diesem einen Ort (Ok, als Ort hätte ich jetzt zwar nicht unbedingt ein Krankenhaus gewählt, aber das machte die Person bei mir mit Leichtigkeit wett.)
Toni erzählte mir Einiges. Über sein Leben, seinen Beruf und das Krankenhaus, seine Gedanken. Und ich liebte es, ihm einfach zuzuhören. Seiner warmen Stimme zu lauschen und sein Inneres mehr und mehr zu verstehen. Er wirkte so unglaublich offen und ehrlich, wie ich ihn noch nie erlebt hatte und auch ich hatte das Gefühl, ihm alles anvertrauen zu können.
Vertrauen... ja, ich glaube, in dieser Nacht redeten wir das erste Mal voller Vertrauen miteinander. Als könnte die Dunkelheit alles, was eigentlich zwischen uns stand, verdecken. Die Tatsache, dass ich ein noch immer zum großen Teil gelähmter Patient war und er mein Arzt und alles andere, was irgendwie da war und irgendwie auch nicht.
Irgendwann legte sich Toni zu mir aufs Bett und ich war ihm nah wie noch nie. Ich konnte seine Haut auf meiner fühlen, ich konnte ihn riechen und ich konnte spüren, wie sein Brustkorb beim Sprechen vibrierte.
Alles in mir wurde warm und kribbelig und pulsierend bei dieser Nähe, doch ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen. Auf keinen Fall wollte ich diesen magischen Moment durch irgendeine falsche Bewegung zerstören.
Doch Toni schien diese Anspannung nicht zu merken oder zumindest nicht zu stören. Er lag mit einer Selbstverständlichkeit an meiner Seite, als würden wir uns schon seit Jahren kennen und währenddessen erzählte er immer weiter mit leiser Stimme Geschichten aus seinem Leben.
Wenn man so etwas erlebt, kommen einen vierzig Minuten vor wie eine Sekunde und so erschreckte uns der Handywecker so sehr, dass wir beide zusammenzuckten. Kurz blieb Toni liegen und ich versuchte, den Rest seiner Nähe so gut es ging in mich aufzusaugen. Doch dann stand er auf und ich hatte das Gefühl, mein Bett sei auf einmal viel zu groß ohne ihn.
"Okay", sagte er zu mir und atmete tief ein. Kurz stand er da und blickte mich mit einem Hundeblick an. Doch dann begann er, auf der Stelle herumzutänzeln. "Ich bin schon ein bisschen aufgeregt, du nicht?", fragte er mit leicht schrille Stimme, während er sich die Hände knetete und begann, nervös auf und ab zu laufen.
Unfassbar, wie dieser Kerl in einer Sekunde von solch einer ruhigen und intimen Stimmung in solch eine Aufregung verfallen konnte. Doch es war ansteckend. Auch ich war plötzlich seltsam aufgeregt.
"Du zuerst oder ich?", fragte Toni nun und verzog das Gesicht ein wenig.
"Ich bitte", sagte ich. Bestimmt war jeglicher Schutz durch Zeitungen zwecklos und mein Kissen war komplett aufgeweicht, genau wie meine Kopfhaut. So fühlte es sich zumindest an.
Toni nickte nur und holte das mobile Kopf-Duschen-Gerät herbei. Dann drehte er mich, sodass mein Kopf über dem Becken lag. Ich half natürlich so gut es ging mit, aber es war trotzdem wieder schrecklich umständlich.
Dann begann er, mit warmem Wasser den Schaum von meinen Haaren abzuspülen. Seine Hände strichen dabei sanft über meinen Kopf und massierten meine Kopfhaut. Ich schloss die Augen. Schon wieder war ich ihm so wunderbar nahe. So konnte es immer sein.
Als er schließlich das Wasser abgedreht, mein Kissen von allen Zeitungen befreit und mich wieder in eine normale Position gebracht hatte, stemmte er seine Arme in die Hände und schaute das Werk auf meinem Kopf mit einer unergründlichen Miene an. Mich interessierte es brennend, wie es geworden war, weswegen ich ungeduldig meinte: "Zeig."
Doch er schüttelte nur den Kopf. "Erst bin ich dran". Daraufhin verschwand er im Bad und man konnte den Wasserhahn rauschen hören. Ungeduldig wartete ich. Dann hörte man eine Weile gar nichts mehr.
"Toni?" fragte ich.
"Meine Haare sind.... blau!", hörte ich nur eine unnatürlich hohe Stimme hinter der Tür. Dann öffnete sie sich langsam und heraus trat Doktor Pirosa mit knallblauen Haaren.
Ein wenig verloren stand er da zwischen der Tür und meinem Bett, bevor er mit einem schiefen Grinsen meinte: "Ey aber sooo schlecht sieht das doch gar nicht aus... oder?" Entschuldigend und immer noch sichtlich unüberzeugt zog er sich an einer Haarsträne, welche ihm nass ins Gesicht hing.
Also ich fand es wirklich gut. Zumindest war es nicht langweilig.
"Hol... endlich... einen Spiegel", sagte ich und brauchte dabei gefühlt Ewigkeiten. Ich musste unbedingt mehr sprechen üben. Doch nicht jetzt, jetzt war ich viel zu gespannt auf meine Haare, ich wollte endlich wissen, wie sie aussahen. Toni lief zur Kommode, auf der noch Annis Handspiegel lag, dann setzte er sich neben mich, mit der Spiegelseite abgewandt.
"Ok, bist du bereit?"
"Ja."
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You Restore Me - Tonia
Fanfiction"Hallo! Mein Name ist Nia Cavaon und ich möchte euch gerne meine Geschichte erzählen..." Ein schlimmer Unfall reißt Nia aus seinem alten Leben und ins Koma. Nach fünf Jahren hat schließlich keiner mehr Hoffnung, dass er je wieder aufwachen könnte, d...