Klartext

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Dr. Allwissend begann zuerst mit einer allgemeinen Untersuchung. Er hörte meine Herztöne ab, leuchtete in meine Augen und Ohren, hämmerte auf mir herum und so weiter. Alles Standard für einen Dauerpatienten wie mich.

Dann fing er an, nach und nach jede erdenkliche Bewegung, die ein Mensch so ausführen kann, von mir zu verlangen.

Zuerst mein Kopf. Ich sollte ihn nach rechts, links, vor und zurück bewegen und dann kreisen lassen. Dabei sprang der Doktor die ganze Zeit um mich herum, maß Längen und Winkel aus und diktierte seinem Assistenten unverständliche Dinge, während Ju und Toni sich im Hintergrund hielten und zuschauten.

Dann musste ich verschiedene Grimassen ziehen, Schultern bewegen und mich auf verschiedene Arten aufrichten und auch hier wurde alles genauestens dokumentiert. Als nächstes kamen dann meine Arme dran und schließlich meine Finger.

Meine Beine hatten ja noch immer keinerlei Gefühl, weswegen wir sie logischerweise ausließen.

Diese ganze Prozedur und die vielen Bewegungen klappten mal mehr, mal weniger gut, und schon bald merkte ich, dass es mich sehr anstrengte. Dennoch biss ich die Zähne zusammen und gab alles, wie Ju es gesagt hatte, denn irgendwie saß mir die ganze Zeit die Angst im Nacken, nicht gut genug zu sein und dass das irgendwelche schlimmen Folgen hatte.

Es schien eine Ewigkeit vergehen, bis sich Dr. Allwissend endlich zufrieden gab und ich ausgelaugt in mein Kissen sank.

Wie mein Prüfer sich zur Rücksprache an Ju und Toni wand, bekam ich dann vor Erschöpfung kaum noch mit und ebenso wenig, wie ich von irgendeiner Schwester in mein Zimmer geschoben wurde.

Die nächsten paar Stunden verbrachte ich schließlich mit ausruhen, dösen, zocken und grübeln, bis sich endlich Toni in mein Zimmer stahl und sich in angemessenem Abstand auf einen Hocker neben meinem Bett fallen ließ.

Verwundert klopfte ich auf mein Bett, als Einladung an ihn, zu mir zu kommen. Doch er schüttelte nur den Kopf und meinte: "Doktor Allwissend kommt gleich." Dennoch konnte er nicht anders, als mich anzugrinsen und sich dann doch einen kurzen Kuss zu stehlen.

"Wie ist es gelaufen?", fragte ich nun vorsichtig.

"So genau weiß ich das auch nicht", meinte Toni, während sich im gleichen Augenblick die Tür öffnete und Dr. Allwissend mit großen Schritten hereintrat.

"So", sagte er mit Blick auf seine Unterlagen, "Nia Cavaon, ich werde Ihnen nun die Ergebnisse ihres Testes für Beweglichkeit und Motorik vorstellen."

Mein Herz begann zu pochen, als der Doktor die richtige Seite in seiner Mappe suchte. Ich wünschte, ich konnte Tonis Hand nehmen.

"So, dann wollen wir einmal sehen", begann er, "Oberhalb der Gürtellinie sieht alles soweit ganz gut aus. Schulter- und Nackenbereich sind vorbildlich, in weiteren physiotherapeutischen Behandlungen rate ich daher zum erhöhten Fokus auf Bauch- und Rückenmuskulatur, die in Ihrem Fall ausbaufähig sind. Kommen wir nun zu Ihren Armen... Links ist definitiv Ihre stärkere Seite. Sie kommen hier allgemein auf etwa achtzig Prozent, rechts liegen wir bei sechzig. Feinmotorik in den Fingern muss selbstverständlich weiter ausgebaut werden, aber ansonsten ist dieses Ergebnis soweit zufriedenstellend."

Durch seine runden Brillengläser hindurch lächelte der Doktor leicht in meine Richtung und nickte dann Toni zu. "Gute Arbeit!"

Erleichtert lächelte ich. Das schienen doch gute Nachrichten zu sein.

Doch dann veränderte sich Dr. Allwissends Miene und ein nachdenklicher Ausdruck legte sich über sein Gesicht.

"Nun, Herr Cavaon, kommen wir zu Ihren Beinen..."
Ich presste meine Lippen aufeinander.
"Es ist... wie soll ich sagen.. bedenklich, dass Sie zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Gefühl in den Beinen haben. Ich schlage alternative Behandlungsmethoden vor, die in enger Absprache mit Ihren Ärzten experimentell an Ihnen durchgeführt werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass sie dann doch noch Ihr Gefühl zurückerlangen, aber zu einer Wahrscheinlichkeitsangabe in Prozent möchte ich mich nicht durchringen."

Er übergab Toni einen Zettel und sagte dann: "Wir werden noch ein Gespräch in Anwesenheit von Dr. Bam und weiteren Ärzten führen. Bis dahin sind hier alle Informationen, die Sie benötigen."

Dann ging er auf mich zu und gab mir die Hand. "Ich bedanke mich für Ihre Kooperation und wünsche Ihnen alles Gute weiterhin", sagte er und verließ dann das Zimmer.

You Restore Me - Tonia Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt