Etwas stieß mir in den Rücken und schubste mich damit vom Bett. Ich war noch so verschlafen, dass ich mich nicht rührte. Über mir sagte jemand nervös"Scheiße! Lucy alles ok bei dir?" Ich rollte mich auf den Rücken und sah Julian mit halb geschlossenen Augen an. Er kam vom Bett und hob mich wieder hoch. Ich machte keine Anstalten aufzustehen und legte einen Arm über meine Augen. Julian zog ihn weg und fragte besorgt"Hast du dich verletzt?" Ich gähnte und verbesserte ihn danach"Wenn überhaupt musst du fragen 'Habe ich dich verletzt?'." Er lächelte erleichtert und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Dann stand er auf und drehte sich um. Aber bevor er gehen konnte rief ich ihm hinterher"Heute schlafe ich zur Wand!" Er grinste noch und war dann im Bad verschwunden. Ich war zu müde, um aufzustehen. Doch es hätte mir sowieso niemand gegönnt liegen zu bleiben. Also stand ich auf und machte mich fertig.
Als ich wieder aus dem Bad kam saß Julian auf dem Bett und meinte"Du brauchst aber lang." Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und sagte spöttisch"Wenn du die Zeit gemessen hättest, dann wüsstest du das ich schneller fertig bin als du." Er beobachtete mich genau bis er nach gab und anfing zu lachen. Meine Arme sanken nach unten und ich fragte ihn"Was ist los?" Er lehnte sich zurück und entgegnete"Darf ich keine Zeit mit dir verbringen?" Ich ging auf ihn zu und sagte"Doch klar aber ich weiß auch nicht wie ich es erklären soll...manchmal durchschaue ich dich halt." Er seufzte und nickte"Ich war beim Rudel..."mein Blick ging zum Wecker, es war kurz nach acht und bis vor einer halben Stunde war er noch nicht einmal angezogen. Wollte er mir weiß machen, dass er innerhalb einer halben Stunde weg war?" Ich unterbrach ihn"Warte mal...Das meinst du doch nicht etwa ernsthaft? Du sagst das du nur eine knappe halbe Stunde brauchst, um zum Rudel zu gehen?" Er wandte den Blick von mir"Du hast auf die Uhr geschaut?" Ich wusste nicht, ob er darauf wirklich eine Antwort haben wollte. Ich starrte ihn an und wartete bis er es mir von selbst erklärte"Gut, ich habe gestern kurz mit Ryan gesprochen und er sagte er macht es. Nachdem er vorhin wieder gekommen ist hat er mir erzählt was die anderen von unserem 'Plan' halten." Ich dachte kurz nach, vor allen Dingen warum er das nicht gleich gesagt hat"Und das konntest du mir nicht sagen, weil...du es ihm vor mir gesagt hast?" Er kratzte sich am Hinterkopf und meinte"Ich wusste doch nicht wie du das findest." Ich knirschte mit den Zähnen und fragte"Also fandest du, dass es besser ist mich, auch wenn es nur eine 'kleine' Lüge ist, zu belügen? Du weißt, dass ich es nicht ausstehen kann, wenn man mich belügt besonders du nicht." Er seufzte"Du bist doch nicht sauer, weil ich eine Kleinigkeit verändert habe." Ich stemmte meine Arme in die Hüften"Nein, ich bin sauer, weil du ruhig die Wahrheit hättest sagen können." Julian schien es wirklich Leid zu tun"Du hast recht...Vielleicht wollte ich auch einfach nur, dass du dich freust, wenn ich mich um das kümmere." So wie er das sagte war es total niedlich. Er konnte mir nicht einmal in die Augen sehen und schien nachzudenken wie er von seiner Antwort ablenken konnte. Ich klopfte ihm auf die Brust und sagte"Schon ok...Also was hat das Rudel gesagt?" Er zögerte nicht lange und nahm den Themenwechsel sofort an"Die meisten finden es unnötig, weil sie denken das sie schon stark genug sind. Aber mit ein paar Sticheleien konnte Ryan sie zu einem Probetraining überreden." Natürlich fanden sich die Wölfe schon stark genug. Das würde ich ihnen schon aus dem Kopf schlagen. Sie mussten merken, dass auch sie nicht unverwundbar waren. "Wann ist das Training?"erkundigte ich mich bei Julian. Er antwortete mit einem schiefen Grinsen. Es war nicht sonderlich schwer für mich das zu deuten"Kann ich vorher noch etwas essen?" Er nickte mir zu und brachte mich in die Küche. Cara war gerade fertig damit denTisch zu decken und setzte sich auf die Bank. Ihre Haare wirkten etwas zerzaust und sie sah noch verschlafen aus. Ich fragte sie neugierig"Hast du nicht viel geschlafen?" Sie sah mich böse an und grinste gespielt"Ja...aber nur weil mich Ryan geweckt hat als er um sieben Uhr aufgestanden ist." Ich wusste wie gereizt sie sein konnte, wenn sie müde war also beließ ich es dabei und aß mit ihr.
Da Cara noch im Schlafanzug war, musste sie sich umziehen. Es war mir nicht gelungen sie davon zu überzeugen im Haus zu bleiben. Ich ging auch noch ein mal hoch ins Zimmer und holte die Amulette hervor. Es war eine einfache Kette mit einem kleinen lilanen, tränenförmigen Anhänger. Sie konnten auch für uns nützlich sein. Ich stecke sie ein und drehte mich um. Plötzlich zuckte ich zusammen und hielt die Luft an. Julian stand völlig überraschend hinter mir und lächelte mich an. Ich fuhr ihn an"Erschreck mich nicht so!" Sein Lächeln wurde breiter und er nahm meine Hand. Ich funkelte ihn noch einmal böse an bevor ich ihm folgte. Ryan und Cara schlossen sich uns an der Tür an. Ich schaute mich um und fragte Julian"Wo ist denn deine Mutter?" Er fing an zu grinsen und meinte"Ich hätte gedacht, dass du sie nicht erkennst. Sie ist schon vor gegangen." Dabei hatte sie gesagt, dass sie auf uns aufpassen wollte. Vielleicht reizte sie die Vorfreude auf das Training auch einfach. Ich jedenfalls freute mich den anderen meine Stärke zu beweisen. Je öfter ich im Wald war, desto besser konnte ich mich orientieren. Ich erkannte immer öfter irgendwelche markanten Punkte und auch den Ort an dem ich zum ersten Mal auf das Rudel getroffen war. Die Lichtung war viel zu klein, deshalb standen alle Wölfe dahinter und waren schon am kämpfen. Es waren viel mehr als sonst. Ich war aber die Einzige der das auffiel, jedenfalls glaubte ich das"Warum hat sich das Rudel fast verdoppelt?" Er ließ seinen Blick über die Menge schweifen"Dir ist sicher auch schon aufgefallen, dass viel mehr kleine Wölfe hier sind. Das liegt daran, dass weibliche Wölfe oft ausgeschlossen werden. Besonders bei Kämpfen, aber wenn wir mehr Wölfe brauchen dürfen sie auch helfen." Ich räusperte mich"Hört sich etwas diskriminierend an." Er zuckte mit den Schultern, als ob es ihn gar nicht interessieren würde. Das lag wohl daran, dass er es so gewohnt war. Ich wollte auch nicht weiter darüber reden. Vielleicht in zehn bis zwanzig Jahren, wenn ich Königin sein sollte. Die ersten Wölfe hatten unsere Ankunft bemerkt und stoppten ihr Training. Das verdeutlichte mir wie sehr sie sich auf einem Kampf mit mir freuten. Mir stand eine ganze Menge Arbeit bevor. Ganz still wünschte ich mir nicht gleich gegen den stärksten Wolf kämpfen zu müssen. Ich konnte zwar viel aber ich brauchte Zeit. Und wenn ein starker, großer Wolf mich attackiert, habe ich keine Zeit in seine Gedanken einzudringen. Ich brauchte also ein nicht ganz so schweren Gegner. Da kam in mir die Frage auf, ob ich meinen Gegner überhaupt selbst wählen durfte oder ob mir einer zugeteilt wurde. Es waren nicht mehr viele Augenblicke bis ich es erfahren durfte. Aus dem Augenwinkel sah ich wie verschiedene Wölfe zu Akela gingen und leise etwas tuschelten. Ich konnte mir denken was es war und behielt jeden der bei Akela war im Auge. Im Gegensatz dazu behielt Akela mich genau im Auge. Er tat ja so, als ob ich gefährlich wäre. Darüber freute ich mich. Ich wusste zwar nicht genau warum, aber ich freute mich. Bei dem ersten Wolf, der sein Maul öffnete und mir seine Zähne zeigte, spürte ich dieses vorfreudige Kribbeln im Bauch. Er sah nicht ganz so stark aus doch auch nicht nach einem allzu leichten Gegner. Ich ging langsam in die Mitte des Kreises der sich gebildet hatte. Das Rudel sah genauso aufgeregt wie ich aus. Ich versuche so viele von ihnen wie möglich in meinem Blickfeld zu behalten. Links von mir bewegte sich jemand und als ich genauer hin sah merkte ich das es Akela war. Um ein Haar verschluckte ich mich als er mit erhobenem Kopf auf mich zu trat. Er behielt seinen Kopf oben und sagte so das nur ich es verstehen konnte"Ich wollte es dir nicht zu leicht machen." Alle wussten, dass der stärkste Wolf Anführer des Rudels war. Vor mir stand also der stärkste Wolf des Rudels und ich musste versuchen ihn mit reiner Muskelkraft zu besiegen. Ich wurde nervös und setzte alles daran es mir nicht anmerken zu lassen. Meine Aufregung stieg von Sekunde zu Sekunde und verhinderte dadurch quasi das ich nach seinen Schwachstellen suchen konnte. Falls er überhaupt Schwachstellen hatte. Es müsste einen Weg geben mich nicht vor dem gesamten Rudel zu blamieren. Außerdem hatte ich dann den gesamten Respekt des Rudels. Und das könnte mir in vielen Situationen nützlich sein. Ich brauchte nur eine winzige Chance und dann würde ich meine ganze Stärke zeigen. Das Rudel setzte sich um uns herum aber das bekam ich nur am Rande mit. Ich war viel zu sehr auf Akela konzentriert. Ich wusste nicht, ob Sekunden oder Minuten vergingen in denen wir uns umkreisten und abschätzten. Ja, ich wollte kämpfen aber nicht gegen ihn. So sehr ich es auch wollte, ich schaffte es nicht auf ihn zu zugehen. Mit meiner reinen Kraft hatte ich noch nie gekämpft. Ich hatte mich bisher hinter meinen Fähigkeiten versteckt. Heute wollte ich nicht feige sein. Akela blieb stehen und ich nahm all meinen Mut zusammen und rannte auf ihn los. Dann biss ich in seinen Nacken und zog ihn zu Boden. Ich warf mich auf ihn drauf aber er rollte mich einfach wieder runter. Er war noch überrascht von meiner Reaktion. Das nutzte ich und warf ihn wieder um. Wir wälzten uns auf dem Boden und schnappten nach einander. Ich erwischte seine Schulter und er stieß mich weg. Als er aufstand knickte sie etwas weg und ich sah wie er die Zähne zusammen biss. Aber er war hart im Nehmen und attackierte mich. Ich landete im Schnee und er drückte mir eine Pfote auf die Kehle. Aus Reflex drang ich in seinen Kopf. Er wollte sich dagegen wehren aber er hatte keine Chance. Ich ließ ihn sein zu Hause sehen. Eine vertraute und ruhige Umgebung. Seine Freundin saß mit ihrem Kind am Tisch und fütterte es. Als sie ihn in seiner Wolfsgestallt sah, sprang sie auf und lief in die Ecke des Zimmers. Sie hatte die Arme schützend um ihr Kind geschlungen und sah ihn angsterfüllt an. Ich musste sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen wie schlecht er sich fühlte. Es ging um die Personen die er liebt liebte und ich ließ ihn so etwas sehen. Ihm blieb fast keine Wahl, wenn er wollte das es aufhörte. Vielleicht war ich etwas zu weit gegangen. Ich löste mich aus seinem Kopf und bekam gerade noch so mit wie Akela sich zurück verwandelte. Dabei taumelte er zurück und sah sich verwundert um. Er drehte den Kopf hin und her und wirkte ziemlich durcheinander. Bei dem erschrockenen Ausdruck auf seinem Gesicht tat er mir richtig leid. Ich war wirklich zu weit gegangen. Ich verwandelte mich auch zurück und wollte auf ihn zu gehen. Doch die Wölfe jaulten mir schon aufmunternd zu. Akela verwandelte sich zögerlich und stellte sich an den Rand der Menge. Ich ließ mich bejubeln und stellte mich dann zu Liam. Er gratulierte mir"Das hast du echt gut gemacht. Ich habe ihn noch nie verlieren gesehen." Das munterte mich nicht gerade auf"Hast du ihn nicht gesehen? Er war total geschockt." Liam merkte jetzt erst, wie es mir ging. Er kuschelte sich schweigend an mich und gab mir den Halt den ich brauchte. Ich seufzte"Es ist doch so unfair und ich gehe einfach zu weit." Er sah mich besorgt an"Das stimmt doch überhaupt nicht. Du hast die Fähigkeiten nun mal und kannst sie auch einsetzen."-"Aber ich verletze sie damit und das schlimmer als ich es körperlich tun könnte." Er wusste, dass ich nicht nachgab. Und was ich brauchte"Dann musst du mit deiner körperlichen Stärke kämpfen." Ich sah ihn entsetzt an"Das meinst du doch nicht ernst? Ich habe doch keine Chance! Gegen keinen von euch. Besonders nicht gegen dich, Julian." Erst nachdem ich es ausgesprochen hatte merkte ich den Fehler. Normalerweise störte es ihn, wenn ich den falschen Namen benutzte. Aber er schien damit überhaupt kein Problem zu haben"Dann musst du trainieren und das kannst du jetzt machen. Ich zeige dir wie du stärker wirst als ich, na ja fast." Ich lachte kurz mit ihm bevor wir, wie die anderen mittlerweile auch, einen Probekampf anfingen.
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Wolfsleben
WerewolfEs geht um Lucy. Sie ist 15 und lebt fast allein seit ihre Mutter sie verlassen hat. Ihren Vater hat sie nie gekannt und sie muss entdecken das sie ein Wolf ist. Aber sie ist nicht die einzige. ©thunder2006