Erster Tag II

217 34 15
                                    

Herr Wanzmann suchte sich die Person raus, die am lautesten protestiert hatte. Im Falle der 10c war das Olli, der unangefochtene Klassenchef. Olli, der Junge, der auffiel, ohne eigentlich auffallen zu wollen.

,,Olli, wieso willst du das denn nicht machen?", versuchte er es verständnisvoll. Diese Nummer war eine von den paar, die er auf Lager hatte. Wenn alles verbraucht war...

Olli sah sich genervt in der Klasse um. ,,Weil, wissen'se, keiner von uns hat Bock auf so ne Scheiße. Ich mein, wozu soll'n das gut sein?"

,,Damit wir uns untereinander besser kennenlernen." Johann Wanzmann glaubte das selbst nicht. Dieses Projekt - vor allem mit der berüchtigt-gefürchteten 10c - würde entweder im Sande verlaufen oder in eine Katastrophe ausarten. Und beides wäre für den Ruf der Schule - und auch für seinen eigenen - nicht gerade förderlich.

Er fragte sich, was so schwierig daran sein sollte, seine innigsten Wünsche aufzuschreiben. Für einen Moment zeigte man sein eigentliches Wesen, das wahre Ich. Aber dieser Moment wäre schnell wieder vorbei, und dann wäre alles beim Alten.

Nichts würde sich ändern.

Anscheinend kannte er seine Schüler doch nicht so gut, wie er immer dachte, denn auf ein unsichtbares Zeichen hin zogen alle ihre Handys raus und diskutierten das Problem Gemeinschaftsprojekt digital.

Wanze ging zur Tafel zurück. Es war wirklich zum Haareraufen mit diesen Schülern. Irgendwann wäre er sechzig und dann - er freute sich schon darauf - würde er in Rente gehen. Obwohl er die knapp dreißig Jahre nicht überleben konnte, laut seinem Arzt...

Hör auf, hör auf. Nicht hier, nicht jetzt. Hier sind deine Schüler., dachte er und schloss die Augen.

,,Wir sind dabei. Unter folgenden Bedingungen." , sagte Oskar, ein Schüler, der nicht viel redete. Aber Johann Wanzmann wusste, dass er sich bemühte, einen guten Schulabschluss zu bekommen, immerhin gab Oskar jede Hausaufgabe pünktlich und ordentlich ab.

Als der Schüler jetzt die Stimme erhob, wandte sich Wanzes Aufmerksamkeit wieder der Klasse zu.

,,Wir wollen, dass alles im Rahmen dieses Projektes bleibt, Sie dürfen also nicht im Lehrerzimmer anfangen mit Angeben, klar? Und Sie müssen mitmachen." ,,Ich?!"

Wenn es eines gegeben hatte, womit Lehrer Wanzmann nicht gerechnet hatte, dann damit. Er weigerte sich, auch nur einen einzigen Punkt von der Liste aufzuschreiben und vorlesen zu lassen, wie der Direktor es angeordnet hatte.

Allerdings hatte besagter Direktor mit Kündigung gedroht, falls ,,Sie nicht in der Lage sein sollten, so ein kleines Projekt durchzuführen". Es blieb nichts anderes. Johann W. war in die Enge gedrängt worden, und nichts hasste er mehr.

Herr Wanzmann nickte ergeben. Die Schüler und Schülerinnen holten ihre Zettel hervor und begannen zu schreiben.

,,Weil das hier die letzte Stunde ist, werde ich die Zettel einsammeln, sobald ihr fertig seid. Dann könnt ihr schon verfrüht gehen."

Noch nie hatte Wanze derart schnell zehn Zettel in der Hand gehalten.

Wie man sich Wünsche erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt