Klassenfahrt Vierter Tag I

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,,Heute klauen wir ein Auto."

Als Wanze das sagte, sah er viel selbstsicherer aus als irgendwann zuvor, fand Elli. Sie wusste nicht, woran sie das festmachte oder wie er vorher nicht ausgesehen hatte, aber er sah einfach selbstbewusster aus.

Irgendwie.

Mit dieser Aussage hatte der Lehrer natürlich die ganze Ausmerksamkeit der Klasse, und Elli stand auf, um alles mitzubekommen. ,,Wie jetzt?", fragte Ulrike, sie klang...irgendwie verwirrt, Elli konnte nicht sagen, warum sie das hätte sein können - verwirrt - , aber sie fragte nicht nach.

Sie fragte nie nach, wenn sie Menschen nicht lesen konnte.

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,,Gas geben. Nach rechts." Die Stimme des Lehrers klang angespannt und fest, als er Janine die Anweisungen fürs Autofahren gab. Die Schülerin war erst sechzehn, hatte aber schon mehrmals eine Probefahrt gemacht. Ob das illegal war, ließ Wanze für den Moment außen vor.

Das, was sie hier machten, war viel mehr illegal.

Janine standen Schweißtropfen auf der Stirn, sie umklammerte angespannt das Lenkrad und hatte die Zähne zusammengebissen. Aber ihr Blick war fest auf die Straße geheftet.

Das hier war etwas, das sie nicht vermasseln durfte.

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Janine ließ das Lenkrad los und öffnete die Autotür. Sie brauchte jetzt frische Luft, und sie waren mehrere Kilometer von der Stadt entfernt, wo es genug frische Luft gab. Das war also nicht das Problem.

Das Problem war eher, dass sie gerade nicht wusste, wie man eine Autotür öffnete.

Die Welt war verschwommen, sie drehte sich, als würde Janine auf einem Kreisel stehen und würde nach oben schauen. Die Geräusche kamen ihr unnormal laut vor, das Gurgeln des Motors, das Geräusch des eigenen Atems, das Stoffrascheln, als sie sich nach hinten drehte, um auf die Straße zu sehen.

Kein Auto in Sicht. Janines Herz beruhigte sich ein wenig, sie tastete nach dem Türgriff.

Die Tatsache, dass sie gerade getan hatte, was sie schon immer mal hatte machen wollen, war wunderbar. Das war es, was sie gerade so seltsam hatte fühlen lassen, es war kein Glück gewesen, aber eine überwältigende Zufriedenheit mit sich und der Welt.

Janine hatte viel erlebt und würde vielleicht nicht alles davon verdauen, aber sie konnte darauf hinarbeiten. Diese Wünsche waren ungemein hilfreich, das musste sie zugeben.

,,Das machen wir nie wieder.", murmelte sie und versuchte erfolglos, gegen den sauren Breigeschmack in ihrem Mund anzukämpfen. Janine drehte sich nicht um, aber sie hörte, wie Wanze die Autotür öffnete und sie wieder zuschlug, als er die Straße unter den Schuhsohlen hatte.

,,Das stimmt.", grummelte er zurück. ,,Das machen wir nie wieder."

Dann übergab Janine sich und sie war froh, dass der Lehrer genug Anstand hatte, um sich wegzudrehen.

Wie man sich Wünsche erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt