Wie man sich Wünsche erfüllt

Dritter Tag III

,,Wer ist Nora?"

Das war die Frage, die Nick hasste. Er hasste es, dass niemand seine andere Seite sah, dass niemand bemerkte, wer er eigentlich war.

Okay, niemand außer Elli.

Sie hatte bemerkt, dass Nick nicht Nick war. Er war Nora, ein Mädchen.

,,Bist du trans?", hatte sie ihn eines Tages aus heiterem Himmel gefragt. Sie hatte ihn angesehen, so ganz seltsam, als hätte sie es schon immer gewusst und nur nichts gesagt. Was war ihm anderes übrig geblieben, als zuzustimmen? 

Er wollte einem einzigen Menschen die Wahrheit sagen, er wollte, das zumindest ein einziges Wesen dieser Welt wusste, wie es ihm ging.

,,Ist nicht schlimm.", hatte Elli gemurmelt und sich auf ihre vielen Strichzeichnungen konzentriert. Behandelt hatte sie ihn nicht anders, und darüber war Nick - Nora! - sehr froh. 

Es tat gut, jemandem sein Innerstes anzuvertrauen und dennoch nicht das Gefühl zu haben, ein Außerirdischer zu sein.

Elli wurde mit der Zeit zu einer Art Schwester für ihn. Für sie. 

Elli merkte sehr wohl, dass es Nick - Nora! - nicht gut ging. Sie merkte, dass sie die Frage hasste. Sie wollte sie sein, ihr eigenes Ich entfalten.

Als Samuel fragte, wer Nora sei, dachte sie nicht mehr nach. Sie, der Mensch, der sein Leben dem Denken gewidmet hatte, schaltete seinen Kopf aus und murmelte, laut hörbar für alle: ,,Bist du wirklich so blöd oder tust du nur so? Nick ist Nora."

Schweigen. 

Genau das, was Elli verhindern wollte, war jetzt bei ihnen im Raum und verschluckte ihr Gespräch. Unbehaglich wirbelte sie den Kugelschreiber zwischen ihren Fingern umher, sie war nervös. Ängstlich vielleicht.

Sie wusste es nicht, konnte es nicht einordnen. Aber es fühlte sich wie Angst an. Vielleicht.

Die Klasse 10c schwieg. Jedenfalls solange, bis Wanze zum Plakat ging, sich einen Stift nahm und hinter den Punkt Richtig Ich sein ein Häkchen setzte.

,,So. Den ersten Wunsch haben wir schon mal.", sagte er und nickte Nora zu. Elli dankte ihm im Stillen.