Atyria hielt Collin immer noch weinend in ihren Armen, als sie Schritte hörte, die auf sie zukamen. Zuerst dachte sie, dass es wahrscheinlich die Stadtwache sein würde und sie gekommen waren um sie zu verhaften. Aber sie konnte nur eine Person erkennen. Sie sah schwarze Stiefel, die so groß waren, dass es sich bei der Person, die jetzt vor ihr stand, ganz sicher um einen Mann handeln würde. Sie war sich dann ganz sicher, als er anfing mit einer tiefen, kräftigen Stimme zu sprechen: "Wir müssen hier weg. Sofort!" "Nein! Wer bist du überhaupt? Glaubst du, du kannst einfach so meine Wohnung betreten und sagen, dass WIR gehen müssen? Es ist doch eher wahrscheinlicher, dass du das Arschloch bist, das meinen Freund ermordet hat und diese gottverdammte Nachricht an die Wand geschrieben hat. Also verpiss dich!" Mit ihrem Schwert immer noch in der Hand ging sie auf den Unbekannten los, aber er wich aus, so schnell und einfach, dass Atyria vor Verwunderung stehen blieb und ihn von Kopf bis Fuß musterte. Er hatte braune, zu einem Zopf zusammengebundene Haare und diese knallgelben Augen, die ihr so bekannt vorkamen. Er war verdammt groß und muskulös und hatte eine Lederrüstung an. Sie bemerkte auch den Köcher und den Bogen auf seinen Rücken. Sonst fand sie aber keine anderen Waffen. Atyria dachte darüber nach, wie schnell er wohl mit seinem Bogen schießen könnte. Wenn ich vielleicht schnell genug bin? Als hätte er sie gehört, sagte er rau: "Versuch es ja nicht, ich bin nicht hier um mit dir zu kämpfen. Das schwöre ich dir!" Er hatte es geschworen. Schwüre waren in Ashwyn heilig. Collin hatte ihr auch etwas geschworen. Sie schob den Gedanken über ihn wieder weg, denn es schmerzte sie einfach zu sehr über ihn nach zu denken. "Du hast ihn also nicht umgebracht?" fragte sie den Unbekannten, während sie ihr Schwert sinken lies. "Natürlich nicht, aber wenn wir hier nicht schnell wegkommen, wirst du für dein restliches Leben kein Tageslicht mehr zu Gesicht bekommen. Derjenige, der deinen Freund, was mir übrigens sehr leid tut, umgebracht hat, hat auch die Stadtwache gerufen und wenn sie gleich hier aufkreuzen, werden sie dich festnehmen, auch wenn du sagst, dass du es nicht warst, denn das Blut auf deiner Kleidung sagt etwas anderes aus. Also entweder du kommst mit mir oder eine dunkle, nasse Zelle unter der Erde wartet auf dich." Er streckte ihr die Hand hin. Sie wollte ihm nicht glauben, sie wollte bei Collin bleiben, sie wollte hoffen, dass sie sich geirrt hatte und er doch noch atmete, aber irgendetwas in ihrem Kopf sagte ihr, dass sie fliehen sollte, fliehen sollte mit dem unbekannten Mann, der immer noch seine Hand zu ihr ausstreckte. "Aber was wird aus seiner Leiche?" Sie zerbrach fast daran, dieses Wort, Leiche, auszusprechen. "Ich habe Vertrauen in die Menschen, dass sie ihn begraben werden und ein schönes Grab machen werden." Vertrauen in die Menschen. Wie er das sagte, ließ sie über etwas nachdenken, wurde aber von den lauten Schritten auf der Straße unterbrochen. Es waren die Wachen. Also entschied sich Atyria und nahm die Hand des Unbekannten.
Die beiden sprinteten aus der Wohnung und bogen links ab. Atyria hörte die Schreie der Wachen hinter ihnen und sie wusste, dass sie die Beiden verfolgen würden. Sie hatten keine Zeit mehr und deswegen hatte sie nur ihr Nachthemd und ihre Hausschuhe an und genau deswegen konnte sie irgendwann mit dem Unbekannten nicht mehr mithalten. Er bemerkte es, wurde langsamer und als sie wieder nebeneinander her rannten, schlang er seine muskulösen Arme um sie und warf sich Atyria über die Schultern. Sie wehrte sich nicht, denn sie wusste, dass sie sonst sehr schnell von den Wachen eingeholt werden würde. "Danke, wie heißt du eigentlich?" keuchte sie. "Nenn mich Bryan." Bryan. Der Name kam ihr gar nicht bekannt vor und sie fragte sich, warum eine zufällige Person, ihr einfach so helfen sollte. Als Bryan um die Ecke bog, musterte sie die Häuser um sich herum. In den meisten war es dunkel. aber dennoch gab es noch ein paar Häuser, bei denen man erkennen konnte, dass noch eine Kerze brannte. Eins wusste sie ganz sicher: Bryan rannte zum Adelsviertel von Claywood. Sie wusste nicht warum. Vielleicht war er ja ein Adliger, aber nein, er sah irgendwie nicht aus wie einer und wenn er wirklich einer wäre, würde sie in sicherlich kennen. Entweder von ihrer Arbeit oder den paar Malen, bei denen sie im Adelsviertel war. Man sah den Unterschied sofort. Hier im Adelsviertel, gab es viel größere und prächtigere Häuser, wenn nicht sogar Villen. Die meisten besaßen einen Vorgarten mit verschiedenen Marmorskulpturen. Zum Glück war es um diese Uhrzeit in Claywood sehr ruhig und niemand sah sie, als Bryan sich nach hinten um schaute, die Wachen nicht mehr sah und dann nach rechts in einen Vorgarten rannte. Er ließ Atyria endlich los und sie war froh, endlich wieder selbst laufen zu können. Sie schaute das Haus an, vor dem sie jetzt standen. Es war schön, so verdammt schön. Sie konnte die Farbe nicht genau erkennen, wusste aber, dass es sich wahrscheinlich um einen sehr schönen Blauton handeln würde. "Bitte überlasse mir das sprechen, verstanden? Du sagst nichts, tu einfach so als wärst du immer noch zu geschockt von dem was du in den letzten Minuten mitgemacht hast." Sie nickte mit ihrem Kopf und trat näher an Bryan heran, als er an die Haustür klopfte. Nach einigen Minuten und weiterem klopfen, ging dann auch endlich die Tür auf und vor ihr stand eine ältere, von den Jahren gezeichneten Frau. Sie hatte graues Haar und blaue Augen. "Bryan?! Bist du das? Und wer ist diese Frau, deine neue Freundin?" Sie kannte ihn und Atyria dachte darüber nach, wie sie zueinander stehen könnten. Mutter und Sohn? Nein, unwahrscheinlich. Liebespärchen? Nein, ein zu großer Altersunterschied. Sie kam einfach nicht drauf, bis Bryan der alten Dame antwortete:" Nein, sie ist nicht meine neue Freundin und können wir bitte reinkommen, es ist wirklich wichtig, sie muss sich erholen und benötigt ein Dach über den Kopf, denn in ihre Wohnung kann und will sie sicherlich nicht zurück, Tante." Tante! Das war es! "Bitte, ii...ccc..hhh m..öö..cc..hhttt.eee mich e..ii..nn..ff..aa.cch nur au..s..rr.uuuu.hh.en." sagte sie leise, während ihre Beine nachgaben. Sie wusste nur noch, dass Bryan sie auffing und sie ins Haus hinein trug.
Er konnte sie gerade noch so auffangen und hob sie jetzt in den Armen. Er betrat das Haus, dass er vor zehn Jahren das letzte Mal gesehen hatte, genauso wie er seine Tante so lange nicht mehr gesehen hatte. Er sah die Bilder an der Wand, die Gleichen, die er damals mit voller Begeisterung immer wieder betrachtet hatte. Bryan wusste wirklich nicht was er hier tat. Er wusste, dass ein Attentäter es auf den Freund der Frau in seinen Armen abgesehen hatte und es offensichtlich auch geschafft hatte ihn umzubringen. Deshalb war er in seiner Katzengestalt um das Haus geschlichen und hat nach ihm Ausschau gehalten, konnte aber niemanden finden. Und dann musste natürlich auch noch sein Katzenschwanz in der Wand stecken bleiben. Er kann von Glück reden, dass er von der hübschen Frau befreit wurde und dafür hatte Bryan ihr dann auch einen Gefallen getan: Er hatte sie vor den Wachen gerettet. Er stieg jetzt die Treppe hinauf und trug sie in das Gästezimmer, legte sie auf das Bett, strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und legte die Decke über sie. Wir beide müssen morgen mal ein ernstes Gespräch führen. Er ging wieder nach unten zu seiner Tante und fing an ihr alles zu erzählen, was in der letzten halben Stunde alles passiert war.
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Mhefran - Retterin des Lichts
FantasyEin Krieg. Ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit. Und zwischendrin ist Atyria. Sie wird von der Göttin Lyara selbst auserwählt, die Welt zu retten und das Licht zurückzubringen. "Wenn die Welt droht in der Dunkelheit zu versinken, wird irgendwo in...