Kapitel 16

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Sie ritten in ein kleines Dorf in der Nähe vom Heyd Forest. Die vierer Gruppe wollte endlich in Richtung Ordwin, in die Hauptstadt von Cenwa ziehen, doch der Weg dorthin war länger als gedacht. Sie mussten fast halb Ashwyn durchqueren und dann noch über die Silverfrost Mountains, bevor sie überhaupt einmal an der Grenze nach Cenwa waren. Sie waren schon seit ein paar Wochen unterwegs und waren erst in der Nähe von Claywood angekommen, dort, wo Atyrias Reise begann, dort, wo vor ein paar Monaten Collin ermordet wurde und wo sie zum ersten Mal auf Bryan und Neyra traf. Atyria wusste immer noch nicht, wer der Attentäter war und von wem er angeheuert wurde. Das Dorf war nicht wirklich groß, aber es gab wenigstens ein Gasthaus, in dem sie sich zwei Zimmer mieteten. Eins für Bryan und Atyria und das andere für Max und Neyra. Atyria saß auf dem Bett und zog sich an, als Neyra in ihr Zimmer kam. "Ist Bryan da?" "Nein, was brauchst du von ihm?" Neyra betrat das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie setzte sich neben Atyria und umarmte sie. "Alles in Ordnung, Neyra?" Neyra lachte kurz. "Ja, alles bestens. Ich wollte eigentlich mit dir reden. Über etwas persönliches, etwas, dass Bryan vielleicht nicht mithören sollte." Atyria hob eine Augenbraue. "Jetzt hast du auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit. Um was geht es denn?" Neyra schaute auf den Boden vor ihr und glitt mit ihrer einen Hand durch ihre Haare. "Bei Lyara... wo soll ich nur anfangen? Also, ich habe dir doch gesagt, dass ich einmal eine Sklavin war?" Atyria nickte. "Ich habe euch aber nicht alles erzählt, was es über mich zu wissen gibt. Die Zeitspanne zwischen Sklaverei und dem Treffen mit euch, ist länger, als ich gesagt habe. Ich war glücklich, hatte eine gute Arbeit mit einem Laden, der super lief und einen wunderbaren Ehemann." Atyria stockte der Atem. "Warte, du bist verheiratet?!" Neyra lächelte leicht. "Ich bevorzuge zu sagen, dass ich verheiratet war. Mein Mann, Gaven, verschwand einfach eines Tages und ich habe bis heute immer noch keine Ahnung was mit ihm passiert ist. Ich weiß nur, dass er einfach so verschwunden ist. Er hat nichts mitgenommen, er hat keinen Zettel zurückgelassen. Nichts." Atyria bemerkte, wie sehr es Neyra schmerzte über diese Erinnerung zu reden. "Neyra... es tut mir so leid." Sie legte ihren Arm um ihre Freundin und zog sie zu sich. Neyra begann zu weinen und schluchzte. "Danke, Atyria. Ich weiß einfach, warum du meine Freundin bist." Atyria lächelte sie an. "Ich bin froh, das Gleiche behaupten zu können. Aber warum darf Bryan das nicht erfahren?" "Ich möchte einfach nicht, dass jeder weiß, dass ich eine Witwe bin. Aber ich fande es wichtig, dass du es wenigstens weißt." Neyra löste sich aus der Umarmung, stand auf und betrachtete sich im Spiegel. "Bei Lyara, sehe ich scheiße aus!" Beide Frauen begannen zu kichern und plötzlich klopfte es an der Tür. "Atyria, Neyra? Wir würden jetzt frühstücken!", rief Max durch die Tür hindurch. Wie abgesprochen antworteten Neyra und Atyria gleichzeitig: "Kommen gleich!" Atyria hörte Max wieder nach unten in den Essensraum gehen und schaute zu Neyra. "Wie sehe ich aus, Atyria?" Sie betrachtete sie von oben bis unten. "So umwerfend wie immer!" Neyra hackte sich bei Atyria unter und zusammen machten sie sich auf den Weg nach unten.

Schon auf der Treppe nach unten konnte Atyria Bryan und Max sehen. Bryan lächelte ihr zu und Atyria tat das Gleiche. Sie gingen die Treppe weiter nach unten und setzten sich zu ihren Freunden. "Habt ihr gut geschlafen?", fragte Bryan in die Runde. "Ja, es ist mal schön in einem richtigen Bett zu schlafen. Habt ihr irgendetwas neues aufgeschnappt?" Max schaute sich kurz um. "Anscheinend ist mein Vater darauf aus, Atyria und uns so schnell wie möglich, für den Tod Darrens zur Rechenschaft zu ziehen, was übrigens nicht so gut ist. Wenn mein Vater einmal Wut in sich hat, dann haben wir ein ernstes Problem. Ich hab' auch noch aufgeschnappt, dass er seine Armee sammelt, um dich, Atyria, endgültig zu töten." Atyria dachte nach. "Das ist... gar nicht gut. Wir brauchen auf jeden Fall einen Plan, denn auch wenn wir nach Ordwin kommen, haben wir keine Verbündeten und nicht einmal Soldaten, die für uns kämpfen könnten. Wir wären deinem Vater komplett ausgeliefert." Jetzt war es Neyra die sich zu Wort meldete. "Ich denke, dass ist wahrscheinlich auch sein Plan. Er weiß, dass wenn wir zu viele Verbündete bekommen, ihn sehr einfach stürzen können, aber wenn wir keine haben, ist es genau umgekehrt." Die anderen stimmten ihr zu. "Brechen wir eigentlich heute noch auf oder haben wir noch Zeit, um unsere Vorräte aufzustocken?" Atyria drehte ihren Kopf zu Max. "Ich würde sagen, wir brechen heute Nacht, im Schutz der Dunkelheit auf. Ich muss nämlich auch noch etwas erledigen." Bei diesem Gedanken, kamen ihr jetzt schon fast Tränen. Neyra wusste wahrscheinlich, was Atyrias Plan war, denn sie legte eine Hand auf ihre Schulter. Aber eines fiel Atyria sofort auf: Bryan war er irgendwie egal, dass es ihr gerade nicht gut ging. "Ich muss mal kurz an die frische Luft." Atyria stand auf und machte sich auf dem Weg nach draußen. Sie lehnte sich gegen ein Fass und atmete ein paar Mal tief aus und ein. Der Gedanke daran, heute noch Collins Grab zu besuchen, ist einfach zu viel. Sie hat diese Gefühle immer versucht zurückzuhalten, aber jetzt... jetzt ist es einfach zu viel. Sie brach in Tränen aus. Die Tür neben ihr ging auf und sie sah Neyra. "Atyria?" Sie blickte sich um und entdeckte sie. "Du willst Collins Grab besuchen gehen, oder?" Atyria nickte und Neyra umarmte sie. "Soll ich mit dir mitkommen? Bryan ist ja gerade nicht so gesprächig." Atyria löste sich von Neyra, doch hielt immer noch ihre Hand fest. "Es wäre das Beste überhaupt, wenn du mich begleiten würdest. Ich schaffe das alleine nicht." Die Sonne strahlte auf die beiden Freunde herab und hüllte sie in eine angenehme Wärme. "Es ist so schönes Wetter und wir müssen bald einen Krieg führen.", meinte Neyra. "Neyra, wenn diese ganze Scheiße vorbei ist, wirst du dann bleiben oder suchst du dir etwas anderes, das du machen kannst?" Neyra schaute sie an. "Naja, eigentlich war mein Plan, zu bleiben, aber wenn du mich danach nicht mehr haben möchtest kann ich auch gerne gehen." Atyria lachte. "Nein, nein. Ich frage mich einfach nur, wer alles noch zu mir halten würde, wenn ich nicht die Person wäre, die von Lyara erwählt wurde." "Ich halte immer zu dir, komme was wolle. Du bist meine absolut beste Freundin und sogar wahrscheinlich die erste beste Freundin, die ich je hatte. Ich hoffe du siehst das genauso." Atyria wischte sich die letzten Tränen von der Wange. "Ja, ich sehe das auch so. Unsere Freundschaft ist mir so verdammt wichtig!" Neyra umarmte sie ein weiteres Mal. "Wollen wir wieder reingehen und uns bereit für den Ritt nach Claywood machen?"

Mhefran - Retterin des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt