Kapitel 22

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Die Tage vergingen und Atyria war immer mit den gleichen Dingen beschäftigt. Sie schaute, wie es mit dem Training der Rekruten aussah, wie der Wiederaufbau der Mauer vorrangig und ob Efania irgendetwas neues für sie hatte. Dann hörte sich Atyria noch die Probleme der Bürger an, die manchmal eher witzig als ernst war. Wenn sie mit diesen ganzen Dingen fertig war, ging es an die eindeutig wichtigeren Dinge. Sie überlegte zusammen mit Greviel, wo die besten Positionen für die Soldaten wären. Greviel war eine große Hilfe. "Wir stellen hier auf die Mauer auch ein paar Bogenschützen. Einfach um auf Nummer sicher zu gehen." Greviel nahm ein paar Figuren und stelle sie auf die Stelle, die Atyria meinte. "Du wirst gut darin." Atyria schaute zu Greviel. "Danke. Wenn man so einen guten Lehrer wie dich hat, ist das auch kein Wunder." Er lachte. "Gut, ich werd' mal schauen, welche Soldaten wir dort hinstellen und welche schon so weit wären." Sie nickte und er ließ sie alleine zurück. Atyria ging mit der hand durch ihre Haare und setzte sich auf die Bank hinter ihr. Es war anstrengend so viel Verantwortung zu haben, doch sie wusste, dass es einfacher werden würde, wenn sie endlich Essary schlagen würden. Wenn, sie Essary schlagen. Am Morgen bekam Atyria die Nachricht, dass die Armee der Cray voraussichtlich am Abend eintreffen würde, aber sie bekam auch die Nachricht, dass der König von Essary die Grenze nach Cenwa überquert hatte. Und das war wiederum gar nicht gut. Die Mauer stand zwar zum größten Teil und sie hatten auch schon einige Soldaten, aber trotzdem waren ihre Chancen, diesen Krieg zu gewinnen, fast gleich Null. Sie seufzte. "Über was denkst du schon wieder nach?" Atyria schaute auf und sah, dass Bryan vor ihr stand. "Ach, einfach nur über die gesamte Situation. Ich hab' Angst, dass wir es nicht hinbekommen werden." Bryan setzte sich neben sie und legte einen Arm um sie. "Wir schaffen das schon. Wir haben schon soviel zusammen durchgemacht, da bekommen wir auch das hin. Es ist ja nicht so, als hätten wir uns nicht darauf vorbereitet." Sie lehnte sich an ihn. Bei Bryan fühlte sie sich sicher. Sie wusste zwar nicht wie er es machte, aber immer wenn er an ihrer Seite stand, hatte sie das Gefühl, dass sie alles erreichen könnte, wenn sie es nur hart und oft genug versuchte. Atyria küsste ihn auf die Backe und stand auf. "Ich muss wieder an die Arbeit." Er kicherte. "Ich auch."

Sie lief durch die Straßen Ordwins. Es war sehr viel weniger los als sonst. Das waren dann wohl die Auswirkungen des Krieges der bald bevor stand. Sie hatte ihre goldfarbene Rüstung angezogen. Der Schmied, Havilar, hatte sie extra für Atyria angefertigt und sie würde im bevorstehenden Kampf eindeutig mehr Schutz als die Lederrüstung von Neyra geben. Sie bog ab und war nun auf der Straße, die zum großen Haupttor führte. Sie stellte sofort fest, dass dort irgendetwas vor sich geht. Atyria erhöhte etwas ihr Lauftempo und versuchte etwas zu erkennen. Das Tor war geschlossen und ein Reiter kam auf sie zu. Nein, kein Reiter, eine Reiterin. Eine, die sie sehr gut kannte. "Atyria?! Steig auf!" Neyra hob ihr eine Hand hin und Atyria nahm diese und zog sich auf das Pferd. "Neyra? Was ist los? Das Tor ist zu!" "Du solltest das lieber selber sehen." Am Tor angekommen, nahm sie die Treppe links vom Tor, die auf die Mauer führte. Oben angekommen blickte sie nach unten und erkannte sie Soldaten mit dem Wappen Essarys. Angeführt wurden sie nicht vom König, sondern einer sehr vertrauten Person. "Neyra? Wie ist das möglich?" Sie schaute zu ihrer Freundin. "Ich habe keine Ahnung." Atyria sprintete die Treppen nach unten. "Öffnet das Tor!" Ihre Freundin kam ihr hinterher gelaufen. "Was hast du vor?" Das Tor schwang langsam auf und Atyria ging hindurch. "Ich möchte Antworten." Sie ging auf die Soldaten zu. Es war offensichtlich nicht die ganze Armee. Eher eine Warnung oder etwas in dem Sinne. Atyria stelle sich vor die Person. Diese lachte nur höhnisch. "Hallo, Atyria." Sie legte eine Hand auf den Griff einer ihrer Dolche. "Hallo, Darren."

"Wie ist das möglich?! Wir haben dich getötet. Du warst tot!" Er verlagerte sein Gewicht ein wenig nach rechts. "Kennst du noch die besonderen Soldaten, die euch sehr oft verfolgt haben?" Sie ging einen Schritt zurück. "Du meinst diese grausamen Experimente deines Vaters?" Doch in diesem Augenblick wurde ihr etwas klar. "Du bist auch so ein Experiment. Er hat dich irgendwie wiederbelebt." Darren lachte. Wiederbelebung war gegen die Natur der Welt. Die Götter hatten es so nicht geplant und es gab immer einen Preis für so etwas und Atyria wusste, was es bei Darren war. Seine Augen waren komplett schwarz. Die Dunkelheit hatte ihn nun völlig eingenommen. Er zuckte zusammen. "Er kämpft immer noch dagegen an." Darren war immer noch da. Seine Augen bekamen eine normale Farbe. "Töte mich, bitte, Atyria! Töte mich einfach!" Seine Augen wurden wieder schwarz. "Du solltest das nicht tun. Es wäre ein sehr schlechte Idee." Atyria ging einen weiteren Schritt zurück. "Was willst du hier, Monster?" Er ging einen Schritt auf sie zu und die Wachen auf den Mauern nahmen einen Pfeil aus ihrem Köcher. "Ganz einfach. Ich komme von meinem Vater aus. Er möchte dir gerne sagen, dass sie Zeit gekommen ist. Du wirst sterben. So wie alle anderen und dieses Mal wird er auch dafür sorgen, dass niemand mehr entkommt, nicht so wie du damals. Willst, dass ich ihm noch etwas von dir ausrichte?" Atyria grinste. "Ich will ihm etwas ausrichten, nur wirst du nicht die Person sein, die es ihm überbringen wird." Darren, oder besser gesagt, das Monster, dass Darren übernommen hatte, wusste wohl, was sie vorhatte, denn plötzlich kamen Schatten auf Atyria und Neyra geflogen. Sie stellte sich vor ihre Freundin und das Amulett um ihren Hals wehrte die Dunkelheit ab. Die Wachen auf den Mauern schossen mit ihren Bögen und die ersten Soldaten Essarys fielen um. Atyria zog ihre Dolche und schaute Darren an. "Lust auf eine Revanche?" Monster-Darren lachte und zog sein Schwert. Neyra zog sich etwas zurück, nahm ihren Bogen und ließ Pfeile auf die Soldaten regnen. Darren holte zu einem Schlag aus, doch Atyria blockte ihn ab und sprang etwas zur Seite. Es folgte ein weiterer Schlag und dieses Mal erschuf sie ein Schild aus Wasser. Das Schwert prallte ab und Atyria ergriff ihre Chance. Sie zielte mit ihren Dolch genau auf sein Herz. Er wollte sie mit seiner anderen Hand zu Boden Schlagen, doch Atyria hielt diese mit Wasser zurück. Die Dolche gingen durch seine Rüstung, direkt in sein Herz. Darren sackte zusammen. Seine Augen weiteten sich und wurden wieder normal. "Danke, Atyria. Sag' Max, dass ich sie liebe." Seine Augen schlossen sich und er fiel zur Seite.

Von den restlichen Soldaten ware nur noch zwei übrig. Atyria wandte sich an sie. "Sagt eurem König, dass er mich am Besten nicht unterschätzen sollte. Denn ich bin eine Königin die für ihr Königreich kämpft." Sie nickten und rannten die große Straße entlang. Sie drehte sich um schaute zu Neyra. Ihre Freundin schaute sich Darren an und spuckte auf seine Leiche. "Und ich dachte, er wäre tot." Atyria legte eine Hand auf Neyras Schulter. "Hoffen wir mal, dass er dieses Mal tot bleibt. Ich werd' Leute schicken, die die Leichen weg bringen werden." Neyra nickte. Das war dann wohl der Anfang. Der Anfang der Schlacht, die entscheiden wird, ob das Licht oder die Dunkelheit stärker ist.

Atyria lief durch die Gänge des Schlosses. Seit dem Besuch von Darren war im ganzen Schloss und in ganz Ordwin die Hölle los. Jedem war klar, dass es bald ein Blutbad geben würde. Max lief an ihr vorbei. "Ich geh' dann auch mal meine Rüstung anziehen." Atyria blieb stehen. "Warte! Du wirst an der Front kämpfen? Bist du dir da ganz sicher?" Max blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu ihr. "Irgendeine Heilerin brauchen wir an der Front und lieber ich bin dort als die anderen Heilerinnen." Atyria schaute ihr in die Augen. "In Ordnung, aber, bitte, geh' kein Risiko ein. Wenn die Lage scheiße wird, dann verschwindest du von dort, verstanden?" Sie nickte. "Verstanden."

Sie kam im großen Saal an und entdeckte Bryan. Er hatte auch schon seine Rüstung an. "Die Armee Essarys kommt immer näher." Sie nickte und ging an ihm vorbei. Sie rannte zu Efania. "Was neues von den Cray?" Sie zog sich gerade eine Lederrüstung an. "Nein, leider nichts neues." Verdammt. Ihre Chancen ohne die Cray waren noch schlechter, als sie sowieso schon sind. Bryan kam ebenfalls in der Raum gelaufen. "Atyria, wir müssen zu den Mauern!" Ihr Herz begann zu rasen. Bryan nahm ihre Hand und zusammen rannte sie zu den Stallungen. Ihr Pferd, Cyres, hatte ebenfalls eine prächtige Rüstung bekommen. Sie stieg auf und wartete auf die anderen. Es waren gut achtzig Mann, die nun noch vom Schloss zu den Mauern ritten, um dort die anderen zu unterstützen. Sie ritten los, Atyria ganz vorne und rufte den Bürgern zu, dass sie in den Häusern bleiben sollen. Dort würde ihnen nichts passieren. Sie kamen näher an die Mauer und umso näher sie kamen, desto lauter wurde der Lärm. Für Lyara. Für meine Eltern und für mein Volk!

Sie stieg ab und lief erneut die Treppe nach oben. Ihre Freunde folgten ihr. Sie konnte es nicht fassen. Sie hatte noch nie, eine solch riesige Armee gesehen und es wurden immer mehr. Der König von Essary stand vorne. Er hatte eine goldene Krone auf dem Kopf. "Atyria!", rief er zu ihnen nach oben, "Du weißt, dass nur einer von uns, die Krone tragen kann und das werde ich sein." Sie atmete tief durch. "Was willst du eigentlich? Macht? Reichtum? Oder beides? Du warst damals nicht gründlich genug. Tja, jetzt holt dich deine Vergangenheit ein, alter Mann." Sogar von so weit oben, konnte sie erkennen, wie wütend er wurde. "Du wagst es, mich alten Mann zu nennen? Was glaubst du eigentlich, wer du bist?!" Atyria lachte. "Ich bin Atyria Noana Glenrith. Königin von Cenwa und Retterin des Lichts." "Du wirst sterben, weißt du das? Deine tolle Cray-Armee ist nicht einmal da. Dadurch weiß ich, dass deine Chancen noch geringer sind. Du hast schon verloren, als du dein Erbe angenommen hast und Claywood verlassen hast." Sie wollte noch etwas erwidern, doch die ersten Feuerbälle kamen auf sie zu. Die Schlacht hatte begonnen.

Mhefran - Retterin des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt