Kapitel 5

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Atyria versuchte so wenig aufzufallen wie es nur möglich war. Sie suchte nach einem Schneider, bei dem sie vielleicht das bekommen könnte, was sie benötigt. Sie konnte sich daran erinnern, dass es hier in der Gegend einmal einen Schneider gegeben hatte, sie wusste aber nicht, ob dieser heutzutage immer noch dort war, wo sie dachte. Atyria wurde schneller und bog nach rechts ab, dann wieder nach links und nach ein paar Minuten kam sie an dem kleinen Laden an. Heute habe ich wenigstens einmal Glück. Sie betrat die Schneiderei und bemerkte erst in diesem Moment, dass sie gar kein Geld dabei hatte, um zu bezahlen. Was sollte sie jetzt tun? Kein Geld hieß auch kein Nadel und Faden. Atyria wollte gerade wieder umdrehen und den Laden verlassen, als eine junge Frau mit schwarzem Haar und sehr dunkler Haut neben ihr stande und sie fragte: "Guten Morgen, werte Frau. Was kann ich für Sie tun?" Erst jetzt schaute die Frau Atyria und bemerkte wahrscheinlich die Wunde an ihrem Oberarm und die restlichen Schrammen in ihrem Gesicht. Sie fuhr erschrocken zurück. "Bei Lyara, was ist denn mit ihnen geschehen?" Atyria blickte sich besorgt um bevor sie der Frau antwortete: "Lange, sehr lange Geschichte. Machen Sie sich um mich keine Sorgen, aber ich brauche wirklich dringend Nadel und Faden. Ich habe leider kein Geld dabei um es zu bezahlen, aber ich würde es ihnen dreifach zurückzahlen. Das schwöre ich!" Die Frau sah wahrscheinlich die Besorgnis in ihrem Gesicht als sie sagte: "Ich hole ihnen Nadel und Faden und belassen wir es beim Doppelten."

Sie bekam was sie brauchte bedankte sich und verließ den Laden, so schnell, dass sie fast die Person umwarf, die die Schneiderei betrat. Sie rannte so schnell und unauffällig zurück zu der Gasse, in der sie Bryan zurückgelassen hatte, wie sie nur konnte. Als sie endlich wieder bei Bryan war, hatte ihr Körper fast keine Kraft mehr. Dazu kam dann der nächste Schock. Sie betrat die Gasse und ging zu Bryan, bei dem sie schon von weitem sah, dass er seine Augen geschlossen hatte. Sie bekam Panik. Atyria ließ sich neben ihm nieder und rüttelte an ihm. Sie spürte noch einen Atem, also lebte er noch. Bryan öffnete langsam seine Augen und grinste sie an. "Keine Sorge mir geht's noch gut," sagte er zu ihr, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Verdammter Cray. Er zog sein Hemd aus, das er unter seiner Lederrüstung trug, was gar nicht so einfach war, weil der Pfeil immer noch in seiner Schulter steckte und gab es Atyria. Sie riss ein kleines Stück ab, um es nacher auf die Wunde zu drücken. Sie schaute den Cray an. "Bereit?" Er nickte ihr zu. Sie fing an den Pfeil aus seiner Schulter zu ziehen und sie merkte, wie er einen Schrei unterdrückte. Als sie ihn draußen hatte, ging alles so schnell, als hätte sie das schon ihr ganzes Leben gemacht. Sie nahm die Nadel und den Faden und fing an die Wunden zu vernähen. Stich für Stich arbeitete sie sich voran. Als sie fertig war, legte sie das Stück von Bryans Hemd auf die Wunde und riss nochmal ein längeres Stück ab, um das kleine zu befestigen. Als sie fertig war, atmete sie erleichtert auf und blickte wieder zu Bryan. Dieser lächelte sie nur an: "Hast du echt gut gemacht, danke." Sie lächelte zurück. Verdammt ihr gefiel sein Lächeln mehr als es ihr hätte gefallen sollen. "Kein Problem, ich schulde jetzt halt einer Schneiderin ein wenig Geld, aber ich denke, dass wird kein Problem sein, oder?" "Ja, ich glaub das wird unser geringstes Problem sein. Wir müssen erstmal aus der Stadt kommen." "Du ruhst dich erstmal aus. Ich möchte nicht, dass du mir während dem Laufen einfach zusammen brichst." "Aber wir müssen hier weg, wir können nicht ewig hier in dieser stinkenden Gasse bleiben." Da hatte er recht, sie könnten unmöglich hier bleiben und als hätten die Götter sie erhöht, ertönte eine bekannte Stimme hinter Atyria: "Ihr wollt raus aus der Stadt? Da kann ich vielleicht helfen. Du schuldest mir dann aber noch mehr, Atyria." Sie drehte sich um und schaute die Schneiderin an.

Atyria erschrak und stand schnell auf und nahm ihr Schwert in die Hand. "Woher kennst du meinen Namen?!" Bryan stellte sich neben sie und musterte die Schneiderin. "Glaub mir, das ist auch eine lange Geschichte, die ich dir aber gerne erzählen werde. Ich würde euch vorschlagen mit mir zu kommen. Hier draußen ist es nicht sicher und die Stadtwache sucht immer noch nach euch." Atyria blickte zu Bryan und er flüsterte ihr zu: "Eine bessere Möglichkeit bekommen wir vielleicht nicht und ich glaub es wäre ziemlich interessant zu erfahren woher sie deinen Namen kennt." Atyria dachte kurz darüber nach. Sie ging durch, was alles passieren könnte. Die Schneiderin könnte sie genauso gut verraten, wie es auch Fiona getan hatte. Aber wenn sie die Stadtwache informieren würde, dann hätte sie es getan, wenn sie noch in dieser Gasse wären, denn hier saßen sie in der Falle. Die Stadtwache könnte den einzigen Ausweg sehr leicht blockieren. "Ich glaube uns bleibt fast nicht anderes übrig." Die Schneiderin zeigte ein kleines Lächeln. "Gute Entscheidung. Ihr könnt mich Neyra nennen. Und jetzt folgt mir, wir nehmen eine Abkürzung zu meiner Schneiderei."

Zu dritt liefen sie zurück zur Schneiderei und versuchten dabei so unauffällig wie möglich zu sein. Atyria konnte sich den Weg den sie nahmten nicht genau merken. Sie wusste nur noch, dass sie durch sehr viele kleine Gassen liefen. Neyra ging vor ihnen, Atyria in der Mitte und Bryan folgte nach ihr. Er war sehr ruhig geworden und sie wusste wahrscheinlich auch warum: Er vertraute Neyra nicht, was Atyria auch komplett verstand. Wenn sie uns genauso verrät wie Fiona werde ich erstmal sehr lange niemanden mehr außer Bryan vertrauen. Sie kamen endlich an der Schneiderei an und als sie im Haus waren zeigte Neyra auf eine Tür: "Die führt nach unten in den Keller. Wir gehen da runter, hier oben ist es zu gefährlich zu reden. Zu viele Spitzel." "Solange du vorgehst." erwiderte Bryan. "Keine Angst, ich werde euch da unten nicht einsperren." Sie drehte den Türknauf und die Tür öffnete sich und Neyra ging nach unten. Nach einem kurzen Blickwechsel stiegen die Verbliebenden zwei auch die Treppe nach unten. Im Keller angekommen sah sich Atyria ganz genau um. In der einen Ecke stand ein Sofa, davor ein kleiner Tisch auf den Kerzen standen. Rechts an der Wand stand ein Bücherregal, in dem ein paar Bücher standen. Sonst war dort unten aber nichts. Neyra setzte sich auf das Sofa und bat Bryan und Atyria mit einer Handbewegung sich auch zu setzen. "Also.." begann sie. "Atyria, das ist doch dein Name, oder?" Atyria runzelte ihre Stirn und antwortete: "Ja und ich möchte immer noch wissen, woher du weißt wie ich heiße." "Langsam, langsam. Zuerst fangen wir mit deiner Geschichte an." Sie verdrehte die Augen. "Na gut." Somit erzählte Atyria von ihrem Leben und was in der letzten Nacht passiert war. Als sie Collin erwähnte, musste sie ihre Tränen so heftig unterdrücken, dass sie sich ein wenig mehr zu Bryan lehnte. Sie beendete ihre Geschichte, mit dem Ereignis in Fionas Haus und der Flucht in die Gasse. Neyra hatte ihr ganz aufgeregt zugehört und sagte dann: "Interessant, wirklich interessant. Ihr habt euch wirklich gut geschlagen!" "Ja das haben wir und du siehst ja, wie knapp wir weggekommen sind." antwortete Bryan ihr bevor Atyria etwas sagen konnte. "Aber kommen wir jetzt zu meiner Geschichte. Bei Lyara, wo soll ich nur beginnen? Na gut, fange ich hier an: Ich hatte vor ein paar Jahren, ich glaube es war vor drei Jahren, diesen Traum. Er fühlte sich so real an und ich glaube immer noch, das es sehr real war. Also, ich möchte nicht so abschweifen. In diesem Traum kam Lyara zu mir. Ihr wisst schon die Mondgöttin." Die beiden nickten nur langsam. "Sie sagte mir, dass ich in ein paar Jahren eine Frau und einen Mann treffen würde. Sie hören auf den Namen Atyria und Bryan. Lyara sagte mir, dass ich euch dann helfen sollte. Sie erzählte mir wer du wirklich bist, Atyria, aber sie gab mir auch den Befehl, dir es erst zu sagen, wenn du bereit bist. Sie wusste, dass ihr mir niemals einfach so glauben würdet, was wirklich gut ist, aber deswegen gab sie mir das hier: Sie zog ein silbernes Amulett mit einem leuchtenden blauen Stein in der Mitte aus ihrer Tasche. Bryan starrte es nur an, als er langsam fragte: "Ist das..." Bevor er fertig sprechen konnte sagte Neyra wieder: "Ja das ist Lyaras Amulett. Das aus den Legenden und Geschichten und es gehört dir, Atyria. Lyara sagte zu mir, dass es deiner Familie gehörte, also gehört es nun dir." Sie konnte es einfach nicht fassen und sie begann Neyra immer mehr zu vertrauen. In den Legenden hieß es, dass wenn man es trägt, den Segen Lyaras besaß. Den Segen der ältesten und mächtigsten Göttin in Ashwyn. Sie nahm das Amulett entgegen und hing es sich um. Plötzlich verschwand die Welt um sie herum und sie stand auf einer Wiese. Die ganze Wiese war gefüllt mit weiß leuchtenden Blumen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte und etwas entfernt von ihr stand eine Frau mit dem Rücken zu ihr. Sie drehte sich langsam um und Atyria blickte in die Augen von Lyara.

Mhefran - Retterin des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt