Kapitel 3

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Atyria stand wieder in ihrer Wohnung, alles war voller Blut und sie sah Collin auf ihrem Bett liegen. "Warum hast du mich nicht gerettet?" "Was hätte ich denn machen sollen?" antwortete sie ihm. "Warum hast du mich nicht gerettet? Warum hast du mich nicht gerettet?" "Hör auf damit! Du warst ja nicht mal im Zimmer als ich aufgestanden bin, ich wusste doch nicht, dass du gleich sterben würdest!" Collin erhob sich aus dem Bett und war so schnell bei ihr, dass sie aufschrie.

Sie wachte schweißgebadet auf. Es war nur ein Traum, das alles war nur ein Traum. Es stimmte, der eine Teil war nur ein Traum gewesen, aber der andere, der ein Loch in ihre Welt gerissen hatte, war real. Atyria setzte sich im Bett auf und schaute sich in dem kleinen Gästezimmer um. Es war schön eingerichtet. Es gab einen großen, dunkelbraunen Schrank, einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen und in der einen Ecke stand noch ein Sessel, auf welchem eine Decke lag. Wahrscheinlich hatte Bryan auf dem Sessel geschlafen und ihr das komplette Bett überlassen. Sie bemerkte auch den Spiegel an der Wand. Was ihr aber ins Auge stach, war das Bild an der Wand. Atyria konnte auf dem Bild ein Tier erkennen, von dem sie noch nie zuvor gehört hatte oder es jemals gesehen hatte. Es war so groß wie ein Hirsch, war vielleicht sogar ein Hirsch, nur mit dem Unterschied, dass der Hirsch auf dem Bild drei Geweihe besaß. Sie löste ihren Blick von dem Bild und ging zu dem kleinen Tisch, auf dem ein Zettel mit Kleidung lag:

Das kannst du anziehen, habe meine Tante extra gefragt. Hoffe es passt dir, wollte dich nicht aufwecken. ~Bryan

Sie schaute sich die Kleidung genau an. Das Oberteil sah ganz gut aus, war grau und hatte die richtige Größe für sie. Die braune Hose, bei der Atyria sich freute endlich einmal eine Hose zu tragen, die keine Löcher hatte, passte auch perfekt. Ihr Blick wandte sich dann zu den schwarzen Stiefeln, die unter dem Tisch standen. Sie zog sie an und stellte fest, dass sie ein wenig zu groß waren. Besser als nichts. Ich sollte echt dankbar sein. Sie schaute sich im Spiegel an, nur um zu erkennen, wie fertig sie aussah. Atyria hätte wirklich gerne ein heißes Bad genommen, aber sie musste erstmal rausfinden, was zur Hölle hier ablief. Sie ging zur Tür, stieß sie sanft auf und betrat den Gang. Sie musterte alles um sich herum. An den Wänden hingen wieder ein paar Bilder, aber sonst fiel ihr nichts Besonderes auf. Sie bemerkte die Treppe und machte sich auf den Weg nach unten, als sie Stimmen hörten. "Sie kann nicht hierbleiben, Bryan. Wenn du recht hast und sie diejenige ist, an die du denkst, dann ist das gar nicht gut!" "Sie braucht erstmal ein wenig Ruhe. Sie hat gestern Nacht ihren Freund verloren. Sie hat den Mensch verloren, den sie liebte oder besser gesagt immer noch liebt. Du weißt selbst was es bedeutet, wenn sie diejenige ist, an die ich denke." Es gab eine kleine Pause bis Bryans Tante wieder anfing zu sprechen: "Genau das macht mir ja Angst, du weißt, dass sie wahrscheinlich selbst nicht einmal weiß wer sie ist und welche Menschen ihre Eltern waren!" Atyria hatte keine Ahnung über was die beiden dort unten sprachen, doch so wie es klang, war es nichts Gutes. Sie wollte niemanden in Gefahr bringen und wenn Bryans Tante Probleme bekommen könnte, nur weil sie einer Frau half die auf der Flucht war, würde Atyria lieber wieder gehen, als hier zu bleiben und sie zu gefährden. Sie kam unten an und hörte Bryans Stimme, der sie anscheinend gehört hatte: "Wir sind hier drüben in der Küche!" Sie folgte der Stimme und stand plötzlich in einer großen, voll ausgestatteter Küche. "Guten Morgen, Liebes. Komm setz dich doch, willst du etwas essen oder einen Tee? " fragte Bryans Tante sie. "Ein Tee wäre super, wenns ihnen nichts ausmacht." "Ach bitte, gar kein Problem und das mit dem Höflichen lassen wir auch mal gleich, verstanden? Nenn mich einfach Fiona. Aber was mich eigentlich interessiert: Wie heißt DU?" "Oh, ich hab wohl Bryan gestern Nacht auch nicht meinen Namen gesagt. Mein Name ist Atyria." Fiona sah aus, als würde sie über etwas nachdenken und sagte dann, während sie ihr den Tee gab: "Nur Atyria? Gibt es keinen Nachnamen?" Atyria antwortete mit leiser Stimme: "Ich hab bestimmt einen, aber ich kenne ihn leider nicht. Ihr solltet vielleicht wissen, dass ich meine Eltern niemals kennengelernt habe, ich bin hier in Claywood auf der Straße aufgewachsen. Habe mich durchgeschlagen und jetzt bin ich an so einem Punkt. Einfach nur scheiße." Fiona sah sie an und Atyria konnte Mitleid auf ihrem Gesicht erkennen. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, was du schon alles durchmachen musstest. Es tut mir wirklich leid. Du sollst wissen, dass du hier immer willkommen bist!" Lüge. Gerade eben hatte sie noch etwas anderes gesagt. Atyria wusste wirklich nicht was los war und ich Blick ging zu Bryan, der sie die ganze Zeit angeschaut hatte. "Geht's dir wieder etwas besser? Hoffe es war für dich in Ordnung, dass ich im Sessel neben dir geschlafen habe." fragte er sie mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. "Geht so, ich kann es einfach nicht glauben, dass er tot ist. Weißt du, er war so ein guter Mensch. Er hat mich immer zum Lachen gebracht und seine Geschenke zu allen möglichen Festen waren einfach die Besten. Meistens bekam ich einen Strauß Rosen und eine Verabredung in einem teuren Restaurant. Er hat wirklich all sein Geld für mich ausgegeben." Sie machte eine kleine Pause um ihre Tränen zu unterdrücken."Und die Situation mit dem Sessel stört mich nicht, habe eigentlich schon damit gerechnet, dass du neben mir im Bett schläfst." Bryan fing an zu lachen. "Keine Sorge, ich bin ein Mann, aber ich bin kein Arschloch, dass sich jede Frau schnappt." "Weißt du irgendetwas über Collin, hat man ihn schon begraben?" Sie hasste es diese Worte auszusprechen, aber es war die Wahrheit und sie musste damit jetzt leben. "Ich hab mich ein wenig umgehört und habe herausgefunden, dass sein Leichnam noch untersucht wird, aber er soll anscheinend übermorgen bestattet werden. Dazu hängen in der ganzen Stadt Steckbriefe mit einer Beschreibung die auf dich zutrifft. Sie suchen dich, aber nicht als Zeugin, sonder als Mörderin." Was hatte Atyria auch sonst erwartet? Sie war gestern Nacht mit Bryan geflohen und die Stadtwache hatte sie dabei gesehen. Natürlich dachten sie dann, dass Atyria Collin umgebracht hatte. "Ich bin also auf der Flucht, habe ich das richtig verstanden?" Bryan schaute sie traurig an und sagte dann mit leiser Stimme: "Ja. Aber keine Sorge, hier bist du sicher. Das verspreche ich dir. Solange du bei mir bleibst, wird alles gut." Sie zuckte zusammen. "Das hatte Collin vor ein paar Jahren mir auch versprochen." "Das, das wusste ich nicht. Tut mir leid." Er machte eine kleine Pause, bevor er wieder anfing zu reden: "Können wir uns vielleicht kurz unter vier Augen unterhalten?" Atyria nickte ihm nur zu und er nahm ihre Hand und zusammen gingen sie wieder nach oben in das Gästezimmer, in der sie die Nacht verbracht hatte.

Oben angekommen setzte sie sichs auf Bett und Bryan blieb vor ihr stehen. Er hatte die gleichen Sachen an, die er auch gestern Nacht getragen hatte und in seinem Gesicht konnte man Müdigkeit erkennen. Er hatte wahrscheinlich viel zu wenig Schlaf bekommen. "Ich sollte mich vielleicht bei dir bedanken, dafür, dass du mich hierher gebracht hast." Bryan sah sie an und setzte sich neben sie. "Du hast mir geholfen und ich habe dafür dir geholfen. Du musst dich nicht bedanken." Diese braunen Haare und diese gelben Auge. "Du warst die Katze, der ich geholfen habe? Du bist ein Cray?" Bryan fing an zu lachen. "Du hast es also herausgefunden, ich hab mich schon gefragt, wie lange du dafür brauchst." Sie betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. Greviel hatte ihr damals Geschichten über die Cray erzählt." Ich habe mir die Cray irgendwie immer anders vorgestellt. Du siehst für mich so menschlich aus." "Das liegt wahrscheinlich daran, dass meine Mutter ein Mensch ist und mein Vater ein Cray. Ich bin also nur ein Halb-Cray. Aber was mich eigentlich interessiert: Wer bist du?" Atyria schaute ihn verwirrt an. "Ich bin Atyria, eine arme Frau, die auf der Straße aufgewachsen ist und sich jeden Tag aufs Neue durchschlagen musste." Bryan erwiderte: "Du weißt wirklich nicht mehr über dich?" "Nein, wie oft soll ich es denn noch sagen?!" Sie sagte die Wahrheit, sie wusste wirklich nicht wer sie war. Sie kannte ihre Eltern nicht, sie wusste nicht, wo sie wirklich geboren ist. Sie wusste einfach nichts über sich selbst. "Bryan, du hast die Nachricht in meiner Wohnung doch auch gelesen, oder? Was heißt Mhefran?" Es sah so aus, als überlegte er, dann antwortete er ihr. "Mhefran ist ein Wort in der Sprache der Cray. Es bedeutet so viel wie Königstochter oder Prinzessin. Bevor Atyria etwas sagen konnte, flog unten die Haustür auf und eine Männerstimme ertönte: "Wo sind die beiden Verbrecher?!" Sie hörte Fionas Stimme antworten: "Sie sind oben, im Gästezimmer. Treppe nach oben und dann die Tür ganz links." Bryan sprang auf, schloss die Tür ab und schob den Schrank gegen die Tür. Fiona hatte sie verraten. Sie hatte die Stadtwache informiert, dass sie hier waren. 

Mhefran - Retterin des LichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt