8. Kapitel Teil 1

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Seit vier Stunden sind wir schon unterwegs. Bis jetzt hat auch zum Glück noch keiner angefangen rumzunörgeln. Anscheinend haben sich alle Gedanken gemacht, auf was sie sich hier einlassen.

Ich bilde das Schlusslicht und halte Abstand zu den anderen. Die ganze Zeit habe ich im Mittelpunkt gestanden, was zu viel für mich gewesen ist.
Es wird noch ein paar Stunden dauern, bis wir an unserem Ziel ankommen, auf welches wir uns geeinigt haben. Es ist erst einmal etwas kleines, wo wir dann weiterplanen wollen, wenn wir angekommen sind. Es muss allerdings noch etwas Zeit vergehen, ehe wir einen kurzen Zwischenstopp im Einkaufszentrum machen können. Es wird nämlich am sichersten sein, wenn wir von der Dunkelheit geschützt sind. Die anderen sind zwar davon überzeugt, dass wir dort noch jemandem zum Handeln finden, aber ich bin mir da nicht so sicher. Schließlich waren wir die ganze Zeit von der Außenwelt abgeschnitten und keiner hat in unserer Schulzeit auch einmal das Gelände verlassen. Wieso auch? Es war ja alles da, weswegen wir auch keinen Grund dafür hatten. Der Prozess kann schon viel weiter sein, ohne dass wir etwas mitbekommen haben. Doch da ich nichts mehr sagen will, weise ich die anderen auch nicht darauf hin.

Nach einer etwas längeren Erholungspause und weiteren zwei Stunden Weg, haben wir endlich das Center erreicht und stehen nun vor einer Tür. Da wir ja gedeckt werden, müssten wir noch in Sicherheit sein und uns Zeit lassen können. Langsam und vorsichtig öffnet Tobias die Tür, aber vor uns ist nichts weiteres als Dunkelheit. «Wir sind wahrscheinlich im Keller», ruft jemand nach hinten. Wir verlassen alle den Geheimgang und suchen nach Licht. Viele zücken ihr Handy, aber Tobias rät sofort davon ab. Schließlich können wir es, wenn es einmal leer ist, nur sehr schwer bis überhaupt nicht aufladen können. Auch ich habe mein Handy ausgeschaltet in der Tasche.
Irgendwer findet den Lichtschalter und der Raum wird urplötzlich so hell, dass alle ihre Augen schließen und dann blinzeln müssen, um überhaupt etwas zu sehen. Wir sind im Lagerraum. Deswegen bahnen wir uns langsam einen Weg durch die Kartonstapel und suchen den Ausgang, welchen wir nach einer Weile auch finden. Die Tür lässt sich sogar von innen öffnen, aber nachdem wir aus dem Raum geschlüpft sind, lehnen wir sie nur an. Denn den Code, um die Tür wieder zu öffnen, kennen wir nicht.

Erst jetzt habe ich die Möglichkeit zu sehen, wie es hier aussieht. Alles ist dunkel und das einzige Licht wird von der Straßenbeleuchtung draußen gespendet. Ich hatte also Recht damit, dass der Prozess schon weiter fortgeschritten ist.
Als alle schon ausschwärmen wollen, hält Tobias sie zurück. Ich gehe währenddessen langsam zum Haupteingang und verberge mich so gut es geht im Schatten der Wände. Dann luge ich langsam um eine Ecke.

Was ich dort sehe lässt mich erstarren. Tobias, der mir gefolgt zu sein scheint, stößt ein kleines «Oh fuck!» aus. Dabei kann ich ihm nur zustimmen. Die Gläser der umliegenden Häuser sind eingeschlagen und vor dem Center stehen eine Handvoll Soldaten. Sie sind bis an die Knochen bewaffnet und durch das Grinsen im Gesicht, würde ich behaupten, dass sie aus dem anderen Königreich kommen. Auch Tobias scheint es bemerkt zu haben. Wir gehen langsam wieder zurück, versuchen dabei keinen Laut zu machen. Bei unserer Klasse angekommen, erzählt Tobias im Flüsterton was wir gesehen haben. Dabei lässt er kein so winziges Detail aus. Die Gruppe beschließt, wobei ich mich enthalte, sich aufzuteilen und alles Notwendige mitzunehmen. In einer viertel Stunde wollen wir uns dann im Keller wiedertreffen.

Ich muss, mit einer Gruppe aus zwei Mädchen, mich nicht eingeschlossen, und drei Jungen bestehend, das dritte Obergeschoss nach etwas Brauchbaren durchsuchen. Wir finden einen Haufen von Decken und Schlafsäcken. Da die Schlafsäcke am praktischsten sind, nimmt jeder so viele wie er tragen kann davon. Ich bezweifle jedoch, dass das wirklich reichen wird. Nach einer viertel Stunde beschließen wir zu den anderen zurück zu kehren. Auf einmal ist ein Taschenlampenstrahl direkt vor uns auf der Rolltreppe zu sehen. Die anderen erstarren. Doch, außer mir, reagiert auch noch ein anderes Mädchen sofort. Wir ziehen die anderen hinter uns her und suchen ein geeignetes Versteck. Wir wissen dass das nicht die anderen sein können, da diese sich eindeutig leiser verhalten würden.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt