13. Kapitel

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Mittlerweile hat sich Tobias etwas gesammelt und sagt jetzt: «Wenn wir jetzt weitergehen, sollten wir sehr vorsichtig sein. Es sollte zwar sicherer sein, aber man weiß nie, ob noch eine Nachhut kommen wird. Aber die Hauptgruppe der Soldaten ist in die andere Richtung gegangen, also wo wir herkommen.» Er legt eine kurze Pause ein und wartet das Nicken von den Anderen ab. Erst dann räuspert er sich und fügt: «Außerdem sollten wir auch Fiona danken», hinzu.

Überrascht blicke ich zu ihm hoch. Wird er den Anderen mitteilen, dass ich sie vor den Soldaten gewarnt habe? Wie soll ich ihnen erklären, woher ich das weiß? Ich kann es ihnen nich sagen, ohne mein Geheimnis zu schützen oder ohne dass sie mich für komplett irre halten.

Doch als Tobias weiterredet, äußert er eine ganz andere Sache. «Fiona ist der Grund, warum wir nicht gefangen genommen, gefoltert oder Gott weiß was noch wurden. Es tut mir wirklich leid, dass ich so stur war und ich bin froh, dass mich Fiona überreden konnte weiterzuziehen.» Damit beendet er seine Rede und blickt zu Boden. Die Anderen schauen ebenfalls alle betreten zu Boden, nur ein einziger Junge widerspricht ihm: «Also hör jetzt mal kurz zu. Du willst dir die Schuld an etwas geben, was nicht passiert ist. Für uns zählt nicht wäre oder könnte. Schließlich konnte Fiona dich überreden und nichts ist passiert. Die Soldaten haben uns nicht erwischt. Also bist du an nichts Schuld und es ist alles gut!»

Nun blickt Tobias wieder nach oben, lächelt und bedankt sich dann. Damit ist dieses Thema beendet und wir treffen unsere Vorbereitungen für den nächsten Marsch. Doch noch bevor wir aufbrechen, fällt mir etwas ein, was ich bisher nicht beachtet habe. Deswegen rufe ich, um Aufmerksamkeit zu bekommen, einmal ganz laut über meine Mitschüler hinweg: «Hört mir bitte einmal kurz zu!» Nachdem alle Gespräche um mich herum verstummt sind, was erstaunlicherweise sehr schnell passiert, rede ich weiter: «Ich möchte alle diejenigen bitten, die sich verletzt haben, zu mir zu kommen. Ich werde mir dann die Wunden anschauen und euch behandeln. Außerdem würde ich gerne die Fäden von Melissa ziehen wollen!» Ich gehe in einen angrenzenden Raum und breite meine Versorgungsmittel auf einem Tisch aus.
Als erstes kommt ein Junge zu mir, der sich den Arm ziemlich stark bei einem Sturz aufgeschürft hat. Ich reinige die Wunde gründlich, da sie nur so von Dreck starrt und desinfiziere sie dann. Ich möchte nicht, dass es zu einer Infektion kommt. Dann gebe ich ihm noch ein Pflaster mit, was er sich selber drauf machen soll, nachdem alles getrocknet ist. Die nächste Person ist Melissa. Während sie ihre Hose auszieht, schließe ich die Tür zu diesem Raum. Dann erst wende ich mich ihr zu und untersuche zunächst die Wunde. Durch die Fäden ist alles ziemlich gut verheilt. «Das kann jetzt kurz ziepen oder wehtun, danach sollte aber alles gut sein», meine ich, ehe ich die Fäden ziehe. Melissa spannt sich kurz an, aber das legt sich sofort wieder, nachdem alles vorbei ist. Ich creme die Wunde noch einmal kurz ein und wickle einen Verband drum. «Ich muss mir das morgen noch einmal anschauen. Ich würde dich bitten, dass bis dahin der Verband dranbleibt.» Sie nickt, bedankt sich noch einmal und verlässt kurz darauf wieder den Raum. Nach ihr kommen noch einige, die sich etwas aufgeschürft haben oder mit dem Fuß umgeknickt sind. Zum Glück ist niemand weiter schwer verletzt und ich muss nichts mehr nähen.
Als letztes kommt Tobias zu mir und meint: «Das müssten jetzt alle gewesen sein, oder?» Als ich nicke, versinkt er einmal kurz in seinen Gedanken, ehe er mir beim zusammenpacken hilft.

Danach machen wir uns wieder auf den Weg, weg von den Soldaten und weg von dem Haus. Ich laufe ganz hinten, lasse mir aber Zeit, sodass ich etwas Abstand zu den anderen gewinnen kann. Doch ich bin nicht die einzige, die sich zurückfallen lässt, denn schon nach kurzer Zeit ist jemand neben mir. Ich brauche nicht zu raten wer es ist, denn ich kann es mir sehr gut denken. Leider sagt Tobias nichts und genau das ist es, was mich beunruhigt.
Anscheinend sucht er nach den richtigen Worten, um mit mir über irgendetwas zu reden. Wahrscheinlich will er fragen, woher ich wusste, dass wir gleich in die Soldatengruppe hineinlaufen werden. Tobias atmet einmal ganz tief ein und ich werfe ihm einen kurzen Seitenblick zu. Er schaut immer noch nach vorne, verlangsamt aber sein Tempo. Da ich ihn auch noch etwas fragen will, passe ich mich ihm an.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt