19. Kapitel

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Plötzlich werden die Bäume vor mir immer weniger und ich stehe, als ich weitergehe, auf einmal auf einer Lichtung. Das Gras ist so hochgewachsen, dass es mir bis ungefähr zur Hüfte geht. Des Weiteren kann man vermehrt Blumen sehen, die in all ihrer Pracht blühen. Ihre Schönheit ist trotz der Dunkelheit zu erkennen, nur die Arten kann man nicht identifizieren. Die Blumen glitzern im Licht des Vollmondes und ziehen mich magisch an, weswegen ich weiter in die Mitte der Lichtung gehe. Ich hebe meinen Blick und schaue in den wolkenfreien Himmel über mir. Plötzlich, wie aus dem nichts, ziehen Wolken auf, die die Sterne überdecken. Sie nehmen sogar fast dem Mond das Licht, aber er kämpft darum es zu behalten. Als ich wieder geradeaus schaue, sehe ich wie kleine Atemwolken meinen Mund verlassen. Ich bin erstaunt wie kalt es ist und erst dann bemerke ich die Gänsehaut, die meine nackten Arme überzieht. Natürlich laufe ich immer noch im T-Shirt herum! Ich hoffe nur, dass es jetzt nicht anfängt zu regnen! Gerade als ich das denke, bekomme ich einen Tropfen ab. Ich warte, vielleicht war es nur einer. Doch dann bekomme ich noch zwei weitere ab. Wieso muss es ausgerechnet jetzt mit Regnen anfangen? Ich renne wieder weiter, über die Lichtung, deren Schönheit ich nicht mehr genießen kann, wieder hinein in den Wald und suche nach einem geeigneten Unterschlupf.

Mittlerweile ist der Regen immer stärker geworden und es hat angefangen zu gießen. Ich bin komplett durchnässt, aber anhalten will ich auch nicht. Vor mir ist eine kleine Erhebung zu sehen und ich bekomme neuen Mut. Ich beschleunige wieder meine Schritte, um den Ort schneller zu erreichen.
In wenigen Minuten komme ich an und könnte vor Freude anfangen aufzuschreien. Es ist eine kleine Höhle, gerade groß genug für vier Personen. Für mich jedoch vollkommend ausreichend. Also krieche ich hinein und muss feststellen, dass es hier genauso kalt ist. Jedoch windgeschützt und trocken. Mein Zähne klappern. Meine nasse Kleidung macht das alles nicht besser. Also versuche ich an etwas warmes zu denken und mir wird tatsächlich etwas wärmer, aber die Kälte kann nicht vertrieben werden.

Ich lege mich auf den harten Boden und schließe meine Augen. Ich versinke in der Dunkelheit, doch einschlafen kann ich nicht. All meine Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt und ich finde einfach keine Ruhe. Besonders als ich höre, wie etwas die Höhle betritt, werde ich unruhig und mein Herzschlag beschleunigt sich ums vielfache. Dennoch versuche ich mich nicht zu bewegen, öffne aber die Augen. Durch die Dunkelheit ist nicht wirklich viel erkennen. Ein kratzendes Geräusch ertönt, was mir symbolisiert, dass es weiter in die Höhle kommt. Es hat den Höhleneingang verlassen, weswegen mehr Licht eindringt. Wieder das Geräusch. Ganz vorsichtig drehe ich meinen Kopf und blicke in gelb leuchtende Augen. Es ist also ein Tier, welches näher trottet und dann an mir schnuppert. Bei meinem Gesicht angekommen, spüre ich richtig die weiche, leicht nasse Nase. Kurze Zeit später etwas ledrig Nasses auf meiner Wange. Mit gleichmäßigen Bewegungen leckt es mir doch tatsächlich über die Wange! Die Berührung kitzelt leicht, weswegen ich etwas kichern muss. Das Tier lässt sich neben mir nieder und schmiegt sich an mich. Dabei spüre ich die Wärme des Körpers neben mir und rutsche noch näher heran. Es ist mir egal, ob es gefährlich sein könnte. Es ist mir egal, dass ich gerade mein Leben riskiere. Doch um ehrlich zu sein, habe ich auch keine Angst. Denn wenn es mir hätte wehtun wollen, hätte es das schon längst getan. Mit diesem Gedanken dämmere ich dann doch weg.
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«Fiona! Warte, das könnte eine Falle sein!», ertönt eine Stimme hinter mir. Sie ähnelt der von Tobias, doch als ich mich umdrehe, sehe ich niemanden. Ich zucke mit den Schultern und gehe weiter die holprige Straße entlang. Ich halte erst an, als ich vor mir ein verlassenes Haus sehe. Es ist riesengroß, ähnelt einer Villa und zieht mich in den Bann. Ich spüre wie ich im Trancezustand einen Schritt nach dem anderen darauf zugehe. Die Warnung ertönt erneut, aber die Anziehungskraft ist einfach stärker.

Vorsichtig öffne ich die Tür, dringe weiter in das Haus ein. Auf einmal ertönt ein lauter Knall, weswegen ich vor Schreck zusammenzucke. Aber es ist, als hätte ein Geist von mir Besitz ergriffen, der mich zum weiterlaufen anregt und das unerklärliche Zufallen der Türe vergessen lässt. Als ich fast das Wohnzimmer erreicht habe, werde ich plötzlich von hinten festgehalten und hineingeschoben. Zunächst bin ich wie erstarrt. Kann mich nicht bewegen und lasse alles nur geschehen. Doch die drei Stimmen, die sich jetzt über ihr Vorhaben unterhalten, erkenne ich sofort. Sie stammen aus der Zeit, als ich noch im Heim war.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt