3. Kapitel

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In meinen Gedanken gefangen folge ich dem Direktor ins Sekretariat. Dann setze ich mich im gegenüber an den Schreibtisch. Es sind verschiedene Papiere darauf ausgebreitet. Er reicht mir davon fünf Stück. Der erste Zettel ist die Hausordnung. Die Regeln sind einfach und somit auch leicht zu merken, naja zumindest die ersten:

1.     Achte auf Sauberkeit!
2.     Unfälle müssen gemeldet werden!
3.     Sei pünktlich im Unterricht.
4.     Wertsachen sind abzugeben.
5.     Halte dich an die Anweisungen der Lehrer, bei besonderen Situationen ( wie z.B. Brand, Unfall, etc.).

Ich habe sie mir einfach noch ein bisschen gekürzt und die unwichtigen schon wieder aus meinem Kopf verbannt, genauso wie die Regeln aus dem Heim. Die nächsten drei Zettel sind Gebäudepläne. Es sind die ganzen Schul- bzw. Unterrichtszimmer markiert. Außerdem auch noch das Freizeitgelände, worunter eine riesige Wiese, eine Schwimmhalle, eine Kletterhalle und noch vieles mehr zählen, und die Wohnzimmer. Da es sehr viele Gebäudekomplexe gibt würde ich mich ohne diesen Plan am Anfang auf jeden Fall verlaufen. Der Direktor hat mir auf den Zetteln schon mein Zimmer markiert. Der letzte Zettel zeigt meinen Stundenplan. Montag und Dienstag habe ich acht Stunden. An den anderen Tagen sechs. Ich habe insgesamt 14 verschiedene Fächer. Doch ich muss mich auch noch zwischen ein paar Fächern unterscheiden. So nehme ich Ethik statt Religion. Des Weiteren entscheide ich mich für Französisch als zweite Fremdsprache. Als erste müssen wir Englisch lernen. Französisch habe ich genommen, da ich auch da schon gewisse Vorkenntnisse habe. Der Direktor druckt erneut meinen Stundenplan aus. Es hat sich nichts geändert. Nur die Zimmernummern wurden hinzugefügt.

Dann führt mich der Direktor zu meinem Zimmer. Dort angekommen, überreicht er mir den Schlüssel und ich kann eintreten. Das Zimmer ist sehr geräumig, aber mir bleibt keine Zeit es genauer zu betrachten, da der Rektor mich sofort wieder aus meinem neuen zu Hause zieht, nachdem ich meinen Koffer abgestellt habe. Er schließt die Tür und lotst mich weiter. Auf dem Weg erklärt er mir wo es hingehen soll: «Da es noch ziemlich früh ist, kannst du gleich noch mit am Unterricht teil haben.» Wir bleiben kurz vor einem Zimmer stehen. Daraus holt er ein Buch und drückt mir dieses dann in die Hand. Wir gehen weiter. Bei einem anderen Raum hält er wieder an und geht ohne anklopfen hinein. Dabei zieht er mich am Arm hinterher, sodass mir nichts anderes übrig bleibt als zu folgen. In dem Raum ist es heller als im Flur. Deswegen muss ich blinzeln um überhaupt etwas sehen zu können. Doch ich höre Geflüster. Ich weiß, dass ich vor einer Klasse stehe. Endlich kann ich alles ganz deutlich erkennen. Es sind drei Bankreihen. An jedem Tisch sitzen zwei Personen. Alle starren mich an. Automatisch versuche ich mich noch aufrechter hinzustellen. Dann wende ich mich zum Direktor um. Dieser spricht gerade mit einer jüngeren Frau. Sie stellt sich als Lehrerin für Französisch heraus. Der Direktor drückt noch einmal kurz meinen Arm, dann verschwindet er wieder aus der Tür.

Die Lehrerin mustert mich und zischt mir zu was ich machen soll: «Stelle dich kurz vor. Das heißt deinen Namen nennen, was du so gerne machst, et cetera. Am besten wäre das natürlich in Französisch. Wenn du das aber nicht kannst, mache das doch in Deutsch.» Ihr Lächeln nach diesen Worten ist zuckersüß...und giftig. Ich drehe mich zur Klasse um. Die meisten schauen mich immer noch an. Andere haben ihren Blick abgewendet. «Je m'appelle Fiona Adams. J'aime la musique. Je pense tous. Mais je préféré la musique du rock, pop et rap», sage ich. Die Lehrerin ist erstaunt und meint dann: «Cherches un place et assieds-toi.» Ich tue wie mir geheißen und suche dann einen leeren Platz, wo ich mich dann auch unverzüglich hinsetze.

Der Unterricht verläuft ziemlich eintönig. Das meiste davon kenne ich schon. Deswegen wird mein Interesse immer wieder von meinen Gedanken abgelenkt. Mitschreiben tue ich nichts, obwohl der Direktor mir noch einen Stift und Block mitgegeben hat. Es sind die letzten zwei Stunden des Tages. Das ist auch der Grund, weswegen die anderen Schüler gen Ende der Blockstunde immer hibbeliger werden. Die Klingel läutet das Ende ein und die meisten springen sofort auf. Ich kann noch nicht einmal aufstehen, schon umringen sie meinen Tisch. Ich kann noch sehen wie eine Gruppe von fünf Mädchen kopfschüttelnd weggeht. Die ganze Unterrichtszeit habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich mit den Anderen umgehen soll. Doch da meine Einstellung sich nicht von jetzt auf gleich ändert, bin ich kühl und abweisend gegenüber den Jungs. Ich höre ihnen nicht wirklich zu. Stattdessen schaue ich auf den Boden und nehme meine Sachen. Als ich dann versuch aus dem Kreis zukommen, habe ich keine Chance. Erst als dann die Lehrerin schreit: «Das reicht jetzt. Jungs, raus aus dem Zimmer! Ich möchte noch einmal unter vier Augen mit Fiona reden!» Ich bin erstaunt, dass sich die Frau meinen Namen gemerkt hat. Die Jungen stöben auseinander und verlassen den Raum. Dankbar nicke ich der Lehrerin zu. Sie hat einmal ihren Namen in der Stunde erwähnt. Nun versuche ich mich daran zu erinnern. Er lautet: Webber. «Was wollen Sie noch mit mir besprechen?», frage ich nach einer Weile. «Eigentlich nichts. Ich konnte nur nicht mit ansehen, wie du von den Jungs bedrängt wirst. Am besten du gehst durchs Vorbereitungszimmer raus. Die Jungs werden wahrscheinlich vor dem Zimmer warten. Komm ich bring dich raus.» Mir bleibt nichts anderes übrig als ihr zu folgen. Wir durchqueren noch zwei weitere Räume. Dann schaut Frau Webber aus der Tür des Klassenzimmers. Nachdem sie überprüft hat ob die Luft rein ist, schiebt sie mich aus der Tür. Erstaunt darüber, dass die Lehrerin mir geholfen hat, bleibe ich noch kurz vor der Tür stehen. Es passiert nicht oft, dass mich jemand überrascht. Und schon gar nicht am ersten Tag. Doch ich schiebe die Gedanken zur Seite und mache mich auf dem Weg zu meinem Zimmer. Nur bis ich es gefunden habe, vergeht eine Stunde. Doch dadurch habe ich auch gleich noch einen großen Teil der Schule gesehen. Ja, ich habe mich einmal komplett verwirrt, obwohl ich den Raumplan mit hatte. 

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt