30.Kapitel

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Ich falle und falle. «Wird der Aufprall sehr weh tun?», ist die erste Frage die mir in den Sinn kommt. Der Wind zieht an meinen Haaren und als ich meine Augen aufschlage sehe ich über mir den blauen Himmel. Doch drehen möchte ich mich nicht, denn ich kann mir schon denken, was immer näher auf mich zukommt. Es ist der Asphalt. Als ich jedoch unter mich blicke sehe ich nur Dunkelheit. Auch über mir ist es jetzt schwarz. Wo ist der Himmel? Ein fürchterlicher Schmerz durchzuckt meine linke Seite. Doch es kommt nicht vom Aufprall, schließlich hätte der Schmerz meinen Rücken betreffen müssen.

Plötzlich erhellt sich der Raum, indem ich mich befinde und ich kann eine Gruppe aus fünf Männern erkennen. Es sind Soldaten. Sie kommen bedrohlich auf mich zu und ich versuche weiter zurückzuweichen. Doch plötzlich sind zwei hinter mir und nehmen mir somit meine Fluchtmöglichkeit. Keinen Augenblick später bin ich von den Männern eingekreist und sie treten und schlagen auf mich ein. Fürchterliche Schmerzen durchzucken meinen Körper. Obwohl ich es zu vermeiden versuche, entweicht mir immer wieder ein leises Stöhnen oder ein spitzer Schrei. Doch zu meinem Erstaunen hören sie irgendwann auf. Mittlerweile kann ich mich nicht mehr wirklich bewegen. Ich stöhne auf als ein erneuter Tritt mich erwischt.
Doch was ich dann sehe nimmt mir meinen Atem. In mir zieht sich alles zusammen. Der Albtraum ist noch nicht vorbei. Ich nehme meine ganze Kraft zusammen und versuche weg von der Gruppe zu kommen. Weg von denen, die mir nur Böses wollen. Nur ihren eigenen Spaß. Immer und immer wieder wiederhole ich: «Nein! Nein!» Ich schreie es ihnen fast entgegen, aber ich kann nicht fliehen. Die anderen fassen mich und ich kann mich nicht wehren. Der Hauptagierende sagt: «Komm schon, es wird dir gefallen!» Ich habe keine Kraft mehr, um mich wirklich zu wehren. Doch dieses eine Wort schreie ich immer wieder. Selbst als es passiert, schreie ich es ununterbrochen. Immer mehr Tränen laufen über mein Gesicht.

~

Ich bemerke, wie jemand an mir rüttelt. Ich denke dabei das Schlimmste, weswegen ich nicht darauf reagiere. Als es zunimmt, versuche ich mich mit letzter Kraft zu wehren. Ich will und kann nicht mehr. Mein Körper fängt an unkontrolliert zu zittern. Das rütteln wird immer sanfter und plötzlich erreicht mich eine Stimme. «Hey, Hey. Alles ist gut, beruhige dich, alles ist nur ein Traum, ok?» Ich spüre wie etwas in meinem Körper nachgibt. Ich lasse mich darin fallen und alles wird schwerer und schwerer.
Ich öffne meine Augen und schaue in die von Tobias. Sofort verschwimmt meine Sicht und mir kommen die Tränen. Ich zittere und kann keinen klaren Gedanken fassen. Tränen laufen mir weiter unkontrolliert über das Gesicht. Zuerst zucke ich zurück als mich Tobias berührt, da ich ihn anfangs nicht erkenne. Doch dann entspanne ich mich ein wenig.
Er streichelt mir sanft über den Rücken «Hey, alles ist gut. Ich pass auf dich auf.» Tobias drückt mich, nachdem er das gesagt hat, wieder fest an sich. Ich grabe meinen Kopf in seine Brust. Und er zieht mich, wenn das überhaupt geht, noch weiter an sich heran.

Als ich mich annähernd beruhigt habe und nicht mehr zittere, fragt Tobias: «Willst du mir sagen, was du geträumt hast?» Ich schüttele nur meinen Kopf. «Denkst du, du kannst nochmal schlafen?» «Ich weiß nicht.» Meine Stimme zittert noch etwas. Immer wieder holen mich meine Albträume ein. «Ist schon okay. Ich bin da und pass auf dich auf», meint Tobias und drückt mir einen Kuss auf meinen Haaransatz. Ich nicke und lächle leicht in mich hinein. Ich kann tatsächlich nicht nochmal einschlafen, dafür ist die Angst zu groß. Ich will das einfach nicht nochmal erleben. Zwischen Tobias und mir herrscht Stille, aber sie ist beruhigend. Wir müssen nichts sagen, auch ohne Worte beruhigt er mich. Ich spüre wie Tobias' Atmung immer ruhiger wird. Irgendwann geht sie gleichmäßig und automatisch weiß ich, dass er eingeschlafen sein muss. Ich halte meine Augen weiter offen und schaue ob irgendetwas ungleichmäßig ist. Jetzt wache ich über ihn.

Es ist schon einiges an Zeit vergangen, als plötzlich ein leises Poltern zu hören ist. Mittlerweile muss es ziemlich spät am Abend sein, vielleicht auch frühe Nacht. Ich schaue zu Tobias. Sein Gesicht ist entspannt und es tut mir leid ihn jetzt wecken zu müssen. Doch es nicht zu tun, wäre zu gefährlich. Also lege ich mich fast noch mehr auf ihn und beuge mein Gesicht weiter über Seins. «Tobias, du musst aufwachen», flüstere ich ihm zu. Dazu rüttle ich ihn leicht an seiner Schulter. Ich spüre förmlich wie er immer weiter aufwacht und ihn immer mehr Energie durchströmt. Seine Augen öffnen sich vorsichtig. Fast augenblicklich hält mich sein grün wieder gefangen. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich flüstere süßlich: «Ich glaube wir bekommen bald Besuch.»
Sofort wird sein Blick hektisch, aber ich bleibe ganz ruhig. Dann deute ich neben mich, auf diesen Spalt. Er nickt und rutscht vorsichtig dorthin. Ich habe mich auf die andere Seite gleiten lassen, um ihm den Vortritt zu lassen. Nicht weil ich unbedingt auf Ihm liegen will, sondern weil ich mich besser tarnen kann. Er verschwindet in der unteren Ebene, aber man kann ihn noch zur Hälfte sehen. Ich rutsche auch näher zu ihm, bleibe aber vor ihm liegen und drehe dem Flur den Rücken zu. «Was jetzt?», fragt mich Tobias leise. «Einfach ruhig liegen blieben. Ich versuch es so aussehen zu lassen, als wären wir tot. Ich werde eine Illusion um uns herum erschaffen.» Tobias nickt vorsichtig, aber man sieht ihm seine Ängste und Zweifel an. Da wir jetzt nicht mehr unter dem Schlafsack liegen, spüre ich die Kälte. Ungewollt fange ich an zu zittern und auf meinem ganzen Körper bildet sich Gänsehaut aus, was Tobias sofort zu bemerken scheint. «Komm her», meint er nur und zieht mich auf sich. Er tastet nach dem Schlafsack und legt diesen über uns.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt