11. Kapitel

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PoV Tobias

Wie versteinert stehe ich vor der großen Fensterfront und blicke hinab auf die dunkle Straße, wo vor wenigen Minuten Fiona weggeschliffen wurde. Ich kann immer noch nicht glauben, was ich da gesehen habe! Fiona war für mich unantastbar. Sie hätte überhaupt nicht gefunden werden dürfen. Das heißt, dass sie unvorsichtig gewesen sein musste. Weiß sie denn nicht, dass sie uns damit alle in Gefahr bringt?!

Ich spüre wie der Ärger in mir aufflammt und ich meine Hände zu Fäusten balle. Noch bevor ich auf die Wand neben mir schlagen kann, tippt mir jemand auf den Rücken. Ich drehe mich also mit gehobenen Fäusten um und verpasse ihm, noch bevor ich meinen besten Freund richtig erkenne, einen Schlag. Doch zum Glück fängt er ihn geschickt ab und hält beide Arme fest bis ich ihn richtig erkenne und mich entspanne. Erst dann lässt er mich los und schaut mich fragen an. Als ich mich nur kopfschüttelnd abwende, schlägt er mir leicht auf den Hinterkopf. «Was willst du von mir Mark?», frage ich aufgebracht. «Ich will nur, das du dich beruhigst. Was ist denn passiert?», fragt mich mein bester Freund.

Ich drehe mich wütend um und funkel ihn an. Doch er bleibt weiterhin ruhig, was auch meinen Kopf etwas abkühlt. Als ich dann auch noch die anderen sehe, die sich langsam um uns herum versammeln, atme ich einmal tief durch und antworte dann laut: «Die Soldaten haben Fiona gefunden und gefangen genommen.» Die meisten ziehen stark die Luft ein und ein leises, überraschtes Murmeln geht durch die Menge. Doch die Reaktion von Marya erstaunt mich am meisten. Sie zuckt zurück, taumelt und fällt auf ihren Hintern, wo sie erschüttert sitzen bleibt. Ihre Freundinnen, die ihr wieder hoch helfen wollen, ignoriert sie und bleibt stattdessen wie erstarrt sitzen. Mark ist der einzige, der einigermaßen ruhig bleibt und als ich ihn darauf anspreche, murmelt er nur: «Ich habe es auch gesehen. Deswegen bin ich sofort zu dir gekommen, um zu sehen wie es dir geht und ob du es auch mitbekommen hast.»

Ich zucke nur mit den Schultern und bedeute ihm, dass er mit den anderen über das weitere Vorgehen sprechen soll. Ich war dafür einfach noch nicht bereit. Ich spürte wieder die Wut in mir hochkommen, obwohl ich diesmal nicht wusste, ob sie auf immer noch auf Fiona gerichtet war. Meine Hände ballen sich wie von selbst wieder zu Fäusten, während ich mich wieder zur Straße drehe. Dort haben sie Fiona in die nächste Straße geschleift und der hintere Soldat hat ihr einen Schlag verpasst. Einen Schlag, der sie Ohnmächtig gemacht hat. Ich will mir nicht ausmalen, wie schmerzhaft das gewesen muss.

Um das also nicht zu tun, wende ich mich dem Gespräch hinter mir zu. «...Deswegen schlage ich vor, dass wir erst einmal versuchen hier wegzukommen und dann unser weiteres Vorgehen besprechen», meint gerade Mark. «Aber... aber wir müssen doch Fiona befreien. Das sollte unsere höchste Priorität haben», besteht Marya. «Ja. Das ist es auch. Wir sollten nur unsere Sicherheit nicht vernachlässigen. Deswegen gehen wir als erstes zu einem sicheren Ort und machen uns dann dort einen Plan, wie wir sie finden und befreien können». Die Anderen stimmen ihm zu und machen sich daran, ihre Sachen zu holen. Auch Mark verlässt meine Seite, kommt aber schnell mit meinen Sachen wieder. Diese drückt er mit mit den Worten: «Reiß dich jetzt mal zusammen, die anderen brauchen dich», in die Hand. Ich schüttel darauf nur den Kopf und unterdrücke meine aufkommenden Tränen. Doch dann nicke ich ihm zu und warte, bis sich alle wieder versammelt haben. Bis dahin suche ich noch Fionas Rucksack und nehme diesen an mich.

Als wieder alle um mich und Mark herumstehen, übernehme ich wieder die Führung und leite unsere Gruppe durch die Straßen. Dafür nehme ich als erstes eine Nebenstraße von der, die die Soldaten genommen haben. Dann folge ich jedoch meinem eigenen Weg im Kopf. Ich weiß ganz genau wo wir sind, da ich als ich noch klein war, jeden Tag diesen Straßen gefolgt bin. Eigentlich ist das eine glückliche Fügung, da wir sonst ziemlich aufgeschmissen wären, wenn es darum geht Fiona zu finden. So kann ich jedoch, während wir laufen, Orte durchgehen, an denen sie sich verstecken könnten. Da hilft mir bei Besinnung zu bleiben. Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch jederzeit die Beherrschung verlieren könnte. Doch Mark hat Recht. Die anderen brauchen mich wirklich. Nur ich kann sie an einen sicheren Ort führen und hoffentlich Fiona finden. Kaum ist ihr Name in meinem Kopf gefallen, nehmen meine Gedanken eine ganz andere Richtung an.
Ich denke an ihre braunen Augen, die einen anblitzen wenn sie wütend ist. Die voller Wärme sind, wenn von etwas redet, was ihr viel bedeutet. Aber ihre Augen können auch kalt und intelligent sein, wenn sie einen Plan austüfftelt oder sich abschottet. Allein ihre Augen zeigen so viele Regungen, dass ich mir gar nicht vorstellen will, wie sich ihr ganzer Körper reagiert, wenn sie Schmerzen ausgesetzt ist. Ich will mir nicht vorstellen, wie ihre Schrei klingen. Ich will mir nicht vorstellen, wie ihr seltenes Lächeln gänzlich verblasst.

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt