31. Kapitel

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Diesmal ist es kein Albtraum, das spüre gleich ich in der ersten Sekunde. Die Stimmung ist anders als sonst, nicht so dunkel und ohne Hoffnung. Eher das Gegenteil ist der Fall. Des Weiteren wirkt alles um mich herum so friedlich. Ich weiß, dass es so ist, auch wenn ich nichts sehe.
Plötzlich wird es wie von selbst um mich herum heller und ich beginne Landschaftsumrisse zu erkennen. Es ist, als würde ich aus einem langen Schlaf erwachen und erst jetzt alles um mich herum wieder wahrnehmen. Ich liege auf der Seite auf dem Boden. Dieser ist mit lauter braunen Fichtennadeln bedeckt, was zwar leicht pickst, aber trotzdem auch extrem weich ist. Vorsichtig richte ich mich auf. Ich befinde mich in einem Wald, mit den verschiedensten Bäumen. Zum Teil sind es Laub- , aber auch viele Nadelbäume. Alles scheint in einem kräftigen grün. Es ist einfach nur wunderschön und wirkt gleichzeitig so beruhigend.

Aus den Augenwinkeln erkenne ich einen Felsen, welcher leicht mit Moos bedeckt ist. Er scheint mich magisch anzuziehen, weswegen ich zu ihm gehe. Dabei bemerke ich, dass er leicht schräg, rund nach oben geht. Ich könnte jetzt den Wald erkunden oder mich einfach oben auf den Felsen setzen. Ich entscheide mich für die zweite Variante. Meine Beine überschlage ich, nachdem ich mit nur wenig Energieaufwand nach oben gelaufen bin, zu einem Schneidersitz und schaue beziehungsweise höre mich danach um.
Zu sehen sind nur Bäume, aber hören kann man viel mehr. Das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der Blätter, das Knacken von Zweigen. All das signalisiert mir, dass Tiere in der Nähe sind. Es gibt immer mehr als man sieht.
Ich nehme wahr, wie ich mich beruhige und automatisch auch mein Puls langsamer wird. Mein ganzer Körper entspannt sich und ich merke wie immer mehr Energie durch meinen Körper fließt, was ein angenehmes Kribbeln auslöst. Deswegen schließe ich meine Augen und entspanne mich, wenn es überhaupt geht, noch mehr. Wie von allein zeichnen meine Ohren und Gehirn, mit der Hilfe von Lov, ein perfektes Bild meiner Umgebung.

Ich höre, sehe und registriere es sofort als jemand das Gebiet betritt. Es ist kein Mensch, sondern eine Form von Energie. Sie kommt immer näher, bis sie letztendlich genau vor mir zum Stehen kommt. Um nicht unhöflich zu sein, öffne ich meine Augen und sehe die Gestalt erneut an. Die Energie hat die Form eines kleineren Mädchens angenommen, welche mich nun anlächelt. Sie ist aus einem bestimmten Grund hier, das spüre ich sofort.
«Was ist deine Aufgabe?», hake ich also nach. «Die Frage ist, was ist deine? Ich bin hier, um ein Teil von dir zu werden und dich damit zu vervollständigen», erklärt sie mit melodischer Stimme. Ich kann nicht anders als sie anzustarren, da sie alles so leicht hin sagt. Denn mir war von der ersten Sekunde an klar, was das für sie bedeutet. «Aber dann verschwindest du für immer von hier...»
Sie lächelt mich an. «Aber das ist meine Aufgabe. Deswegen bin ich überhaupt erst auf die Welt gekommen. Ich bin mit dir geboren worden und habe auf dich gewartet. Jetzt ist die Zeit reif, um wieder eins mit dir zu werden und all deine Fähigkeiten zu aktivieren. Es ist Zeit das du wieder du wirst.»

Nach diesen Worten streckt sie die Hand aus, um mich zu berühren. Ihre Hand schmiegt sich an meine Wange und Lichtblitze durchzucken meinen Körper. Immer und immer mehr Energie strömt in meinen Körper und verbindet sich mit mir. Ich spüre dabei förmlich wie ein kleines Türchen in meinen Kopf geöffnet wird.
Dann, als es offen steht, gibt mein Körper ein leises stöhnen von sich. Jetzt bin ich endlich wieder vollständig, muss nichts mehr befürchten oder mich verstecken. Das weiß ich auch ohne wirkliche Bestätigung. Die Mädchengestalt vor mir fängt an zu flackern und nach wenigen Sekunden ist sie dann ganz verschwunden. Ich blinzele noch einmal, um etwas klarer zu werden.
Dann ist auch schon der Augenblick vorbei. Um mich herum ist alles still geworden, aber als ich mich erhebe wird es wieder laut. Ich spüre wie die Natur unter mir anfängt zu leben. Es ist, als würde ich sie überhaupt erst aufwecken. Ein komisches aber auch berauschendes Gefühl. Ich stehe auf, aber da mir leicht schwindelig ist, setze ich mich sofort wieder hin. Plötzlich sehe ich vor meinem inneren Augen ein Mädchen auf der Brust eines Jungen liegen. Sie schläft und er ist wach und schaut ihr beim Schlafen zu. Um sie herum kann man Trümmer erkennen, aber sie wirken trotzdem so friedlich. Am Anfang erkenne ich die beiden Gesichter nicht, aber dann werden sie klar. Es sind Tobias und ich. Fast automatisch beginne ich zu lächeln. Der Blick mit dem Tobias mich anschaut ist warm und voller... Gefühl. Und da weiß ich, dass ich wieder zurück muss. Also schließe ich meine Augen und zähle von 10 aus rückwärts. 10...9...8...7...6... Dann bin ich schon eingeschlafen und mein Körper wird wieder schwer.

~

Ich spüre förmlich wie ich wieder in der ‚normalen' Welt ankomme. Mein ganzer Körper kribbelt und ich lächle automatisch. Ich spüre einen Arm um meinen Körper, der mich an etwas Hartes drückt. Nach einiger Zeit weiß ich, dass es an seine Brust ist. Ich öffne vorsichtig meine Augen und hebe meinen Blick leicht an. Seine grünen Augen ruhen immer noch auf mir und nehmen mich sofort gefangen. Sie ziehen mich förmlich an und ich lächle leicht. Es dauert noch ein paar Sekunden bis ich mich ganz losreißen kann und mich vorsichtig aufsetze.
«Du hattest keinen Albtraum, oder?» Ich schüttle den Kopf. Nun lächelt auch er und zieht mich wieder zurück in seine Arme. Eigentlich müsste ich mich wehren, aber wahrscheinlich hätte ich das schon viel früher machen müssen. Ich lehne mich also leicht an die Brust von Tobias. Am Anfang bin ich komischer Weise etwas steif, aber entspanne mich nach einer Weile wieder. Was ist nur plötzlich los mit mir? Schließlich habe ich doch schon öfters in Tobias Armen geschlafen.
«Wie spät ist es eigentlich?», frage ich mit leicht zitternder Stimme. «Es ist mittlerweile fast ein ganzer Tag um. Ich denke die anderen werden uns bald suchen kommen. Nur was machen wir jetzt?»
Das ist eine gute Frage. Ich schaue zu ihm hoch und mustere ihn. Irgendwie scheint er mir erschöpft. Also meine ich nur: «Du bist müde. Deswegen kannst du ja noch ein wenig schlafen. Schließlich warst du die ganze Nacht wach.» «Was wirst du in der Zeit machen?», fragt Tobias. «Entweder Wache halten oder auch nochmal schlafen», meine ich mit einem Lächeln. Obwohl ich schon die ganze Zeit geschlafen habe, war ich immer noch etwas erschöpft. Er nickt vorsichtig, lässt mich aber nicht los.
Deswegen bleibe ich weiterhin auf seiner Brust liegen und beobachte zunächst den Gang. Zwar bin ich erschöpft, aber zu Beginn reicht es nicht aus, um schlafen zu können. Doch da nichts passiert, schließe ich meine Augen. Die Arme von Tobias bieten mir Sicherheit und Schutz. Ich fühle mich geborgen und als wäre ich zu Hause angekommen, obwohl ich dachte nie wieder eins zu finden. Ob ich dieses Gefühl wohl noch öfters bekommen werde? Mit diesem Gedanke falle ich schon bald in einen traumlosen Schlaf.

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Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Annie :]
(am Wochenende wird ein tripple Update kommen, ich hoffe ihr freut euch darauf ^^)

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt