25. Kapitel

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Ich hätte mit fast allem gerechnet, aber nicht damit, dass wir vor einer riesigen Villa zum stehen kommen. Von außen wirkt das Haus pompös und alles andere als unauffällig. Allerdings ist es doch gerade deswegen das perfekte Versteck, oder? Ich meine, wenn wir schon nicht erwartet haben, dass das unser Stopp ist, dann können das die Soldaten erst recht nicht. Trotzdem habe ich ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust, während ich die schlossähnliche Villa betrachte.

Wir treten durch eine große Flügeltür, aus Eichenholz, in das Innere des Hauses und durchqueren die Eingangshalle. Als die mächtige Tür hinter dem Letzten laut ins Schloss fällt, zucke ich vor Schreck zusammen. Vor uns eröffnet sich ein hoher Raum, deren Treppe, der Hauptbestandteil dieses Raumes, in die nächsten drei Obergeschosse führt. Mir raubt es den Atem. Doch weniger hat es mit dem pompösen Anblick, als den Erinnerungen, die damit verbunden sind, zu tun. Der Aufbaus dieses Gebäudes gleicht dem aus meinem Heim fast auf jedes Detail.

«Hey, du musst auch mal wieder weiteratmen! Hat der Anblick des Hauses dir so stark den Atem verschlagen?», grinst Marya mich an. Ich stoße zuerst den angehaltenen Atem aus und hole dann tief Luft. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte... Scheiße!
Ich wende mich zu Tobias und frage vorsichtig: «Sind wir hier wirklich sicher?» Er nickt überzeugt. «Ja. Hier gibt es viele Möglichkeiten sich zu verstecken und es gibt sogar einen kleinen Bunker! Wenn die Soldaten uns also hier aufspüren sollten, so werden sie uns definitiv nicht finden», erklärt er für mich und die Anderen, die seinen Worten aufmerksam lauschen.

Nachdem die Anderen zugestimmt haben, zeigt Tobias uns das gesamte Heim. Wobei ich die Ähnlichkeit nicht abstreiten kann. Die Schlafzimmer sind in der selben Etage, die Küche ist gleich aufgebaut, genauso wie die Treppen und sogar die Wände haben denselben Anstrich! Ich rieche förmlich den Geruch der Speisen, die Esmeralda immer für uns gekocht hat. Esmeralda, die gute Seele, die in der Zeit für mich da war und sich um mich gesorgt hat. Wahrscheinlich habe ich mich genau wegen ihrer Art, der Dara so ähnlich war, dazu entschieden bei ihr in der Küche zu arbeiten. Genau wegen Esmeralda wollte ich Dara nicht loslassen und braucht es nicht. Erst als Theresa die Heimleitung übernommen hat. Ich sehe das boshafte Lächeln vor mir, spüre die Schläge von ihr, wenn ich eine Träne vergossen habe oder sie der Meinung war, dass ich gelogen habe. Ich zucke zusammen, als sie ausholt.
«Hey, beruhige dich! Was ist los?» Maryas Stimme holt mich wieder zurück ins hier und jetzt. Ich schaue ihr lange in ihre vor Sorge getrübten Augen, ehe ich als Antwort nur den Kopf schüttel. Was will sie eigentlich von mir? Aber darüber sollte ich mir genauso wenig Gedanken machen, wie über die Erlebnisse im Heim.

Also verbanne ich alle Themen aus meinem Kopf und versuche mich auf die ‚Besichtigung' zu konzentrieren, deren Ende der Bunker darstellt. Im Grunde ist er nicht allzu groß, bietet aber dennoch genug Platz, damit wir alle locker reinpassen. Der Bunker ist mit einem Zahlencode geschützt, den wir in ein verstecktes Pad, in der Wand daneben, eingeben müssen. Wenn der Zahlencode richtig eingegeben wurde, so geht die Bunkertür für kurze Zeit auf und das Pad fährt wieder in die Wand. Von Innen lässt sich die Tür mit einer einfachen Klinke öffnen, sodass man, falls nötig, schnell wieder rauskommt. Der Code, den Tobias uns nennt, lautet: 16 48 75.

Da wir nun unser weiteres Vorgehen besprechen müssen, gehen wir zurück in den großen Speisesaal, der sich im Obergeschoss befindet. Ein Unterschied zu meinem Heim, wie ich feststellen muss, denn bei mir war an dieser Stelle die Bibliothek, in der ich die meiste Zeit verbracht habe. Nein! Stopp! Nicht darüber nachdenken!, rufe ich mich zur Ordnung.
Die langen Tische, an denen mindestens 10 Leute Platz gefunden hätten, räumen wir an den Rand, um in der Mitte unsere Schlafplätze vorzubereiten. Natürlich hätten wir auch in den Schlafräumen übernachten können, aber das wäre nicht sicher gewesen. Bis alle alarmiert gewesen wären, wenn etwas passiert, wäre es für einige schon zu spät gewesen.
Die meisten, so wie ich auch, machen sich zunächst bettfertig, ehe sie sich um Tobias herum auf den Boden setzen. Als alle still dasitzen meint er: «Wie ihr mitbekommen haben solltet, sind wir an unserem Endversteck angekommen. Ich habe allerdings noch eine Frage an euch...» Er legt eine kurze Pause ein, dann spricht er weiter: «Wie gehen wir jetzt weiter vor? Ich hätte da so einige Ideen, aber ihr müsst sagen was ihr machen wollt.» Damit hätte fast keiner gerechnet.
Jedoch schauen sich die Anderen nur ratlos an und keiner sagt etwas, weswegen ich ihn frage: «Was sind denn deine Ideen?» «Ich habe mir gedacht, dass wir uns erst einmal ausruhen sollten. Viele von uns sind nach dem langen Weg noch angeschlagen. Außerdem müssen wir weiter auf der Hut bleiben, auch wenn wir hier sicher sind. Aber um das auch zu bleiben, sollten wir die Gegend auskundschaften. Des Weiteren sollten wir versuchen rauszubekommen, wie weit sie mit der Suche nach der Königstochter sind. Wenn es ein Mädchen aus unserer Klasse sein sollte, können wir nicht rumsitzen und müssen den Krieg stoppen. Wie auch immer wir das machen können... Aber ewig verstecken können wir uns eh nicht.»

Das Mädchen mit den EngelsflügelnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt