𝟮𝟯 | Impertinenz

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bildungssprachlich
Substantiv, f.
1. dreiste Ungehörigkeit; Frechheit
2. impertinente Äußerung oder Handlung

「✿」

Was würde Taeil geben, um so sportlich wie Yuta zu sein? Um nicht schon nach 7 Minuten Laufen schlappzumachen?

Der Japaner hatte ihn bereits zweimal überrundet und dabei immer irgendwelche Kommentare abgelassen, so was wie »Beweg dich, du Lappen« oder »Schon fertig, Moon?«, was Taeil aber nicht provoziert, geschweige denn motiviert, sondern eher getrübt hatte. Beim dritten Mal wurde es dann langsam lächerlich und Yuta schubste ihn von hinten leicht nach vorne, weshalb Taeil fast stolperte, sich jedoch noch knapp hielt.

»Den Cooper-Test kannst du nicht berechnen, Nerd«, spottete er und grinste amüsiert, während er neben dem Kleineren herlief, der sich vor einer Minute noch entschlossen hatte, nur leicht zu joggen. In Sport dann eben nur 10 Punkte. Solange alles andere einwandfrei war, konnte er damit leben.

»Tut mir Leid, dass ich geboren bin«, keuchte er und rappelte sich etwas auf, um nicht absolut schwach rüberzukommen. Es war nicht so, dass er Yuta etwas beweisen oder ihn beeindrucken wollte, nein, dennoch ...

»Unfälle passieren eben«, entgegnete er, bevor er wieder eifrig nach vorne lief und seinen schnaufenden Freund zurückließ. Warte mal. Nein. Hatte Taeil gerade über die Bezeichnung Freund nachgedacht? Okay, eigentlich war es doch schon längst offensichtlich, oder? Er und Yuta hassten sich nicht, ärgerten einander jedoch lieber, als zuzugeben, dass sie den jeweils anderen vielleicht bis zu einem gewissen Grad im entferntesten Sinne womöglich ein winziges, klitzekleines bisschen mochten. Die Betonung lag auf bis zu einem gewissen Grad im entferntesten Sinne womöglich ein winziges, klitzekleines bisschen. Fett umkringeln, unterstreichen und markieren, bitte.

Die heiße Vormittagssonne brannte auf seiner Haut und machte sich in Form von widerlichem Schweiß bemerkbar, weshalb Taeil bereits die Sekunden zählte, bis dieser Lauf endlich aufhörte. Noch zweimal im Kreis rennen, dann reichte es für die 8 Punkte, und wenn er dann beim Speerwurf eine akkurate 10 kassierte, kam er mit Ach und Krach noch auf die altbewährte 10, die unter den ganzen sehr guten Leistungen eventuell nicht so auffiel. (Diese Lücke war trotzdem jedes Mal aufs Neue frustrierend.)

»Und ... 5, 4, 3, 2, stopp«, rief Frau Ahns Stimme, weswegen schon nach kurzer Zeit alle Läufer langsamer wurden. Alle reckten bereits die Hände nach oben, um das Seitenstechen loszuwerden, liefen sich noch aus und spazierten in Richtung Zentrum des großen Sportplatzes, wo die junge Lehrerin bereits eine Liste anführte und die Runden auszählen ließ.

Seine Lunge brannte, die Augen taten weh vom starken Sonnenlicht und ein flauer Schmerz durchzog seine Waden, von dem er sich sicher war, dass er ihn morgen erst nach dem Aufstehen richtig spüren würde. Genervt warf er die Haare zurück und wischte sich den Schweiß mit seinem Shirt von der Stirn, kurz darauf folgte er den anderen und erkannte unter den Schülern Sichengs Haarschopf.

Leichtfüßig tapste dieser zu Frau Ahn, dabei hüpften seine dunklen Haare eifrig mit. Er schüttelte den Kopf und bemühte sich, Sicheng nicht anzustarren, aber herrje, es war so schwer! Wenn er alleine an dieses zuckersüße Gesicht, an die unschuldige Natur und die herzliche Wärme dachte, überkamen ihn wieder Wünsche und Vorstellungen, zu ihm zurückzukehren. Wie könnte da irgendjemand widerstehen? Wer wäre er, Yuta dafür zu hassen, dass er das genauso wenig wie Taeil konnte?

Sobald Sicheng sich wieder umwandte, sank Taeils Blick zu Boden und er tat so, als würde er nach seiner Wasserflasche suchen. Schnell schnappte er danach und trank einen Schluck daraus. Sieh mich nicht an, sieh mich nicht an, du Idiot.

𝗗𝗨𝗔𝗟𝗜𝗦𝗠 𝘺𝘶𝘸𝘪𝘯𝘪𝘭.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt