𝟰𝟯 | Unwohlsein

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standardsprachlich
Substantiv, n.
vorübergehende, leichte Störung des körperlichen Wohlbefindens

「✿」

» Wie kommt ihr dazu, meine Jacke aus dem Fenster zu werfen?! «

Mark und Doyoung tauschten einen ertappten Blick aus, bevor sie wieder zu Taeil sahen und gleichzeitig mit den Schultern zuckten. » War keine Absicht «, entschuldigte Letzterer die Tat.

» Achso, also habt ihr meine Jacke ohne Absicht zwei Meter weit geworfen? «, stellte er infrage.

Doyoung schürzte die Lippen. » Naja, wir hatten freie Bahn, da haben wir gedacht ... «

» Und außerdem wussten wir nicht, dass sie fallen würde «, behauptete Mark, dabei ließ er den Füller wie ein Akrobat (in mini) zwischen seinen Fingern hin und her drehen und wenden und flippen, sodass Taeil beinahe allein vom Hinsehen schwindelig wurde. » Wir wollten mit einem Experiment beweisen, dass die Gravitation existiert. « Der Kanadier lächelte zufrieden und hielt mit dem Schreibutensil (Gott sei Dank) still, um mit Hilfe dessen auf das Fenster deuten zu können, obwohl die Jacke jetzt zwei Stockwerke tiefer auf dem Schulhof lag. » Erfolgreich ausgeführt. «

» Aber dass du es auch nicht gerafft hast ... «, fügte Doyoung, den Kopf schüttelnd, hinzu und sah dem armen Kleidungsstück hinterher, als wäre die Hinrichtung nicht bereits gute zehn Minuten her.

» Das heißt nicht ─ «

» Egal, jetzt pscht, ich glaube, wir besprechen die Hausaufgaben «, unterbrach Mark ihn sofort und sah wieder nach vorne, wo der Ethiklehrer um einen Freiwilligen zum Vorlesen bat.

Ein Großteil der Klasse hatte den Arbeitsauftrag natürlich nicht erledigt, hallo, es waren nur noch vier Tage bis Notenschluss, wen zum Teufel juckte es da, was in Ethik auf war? Klar, Taeil hatte die Aufgabe (recht halbherzig, zugegeben) gemacht, dennoch war es offensichtlich, dass sich sonst niemand Gedanken darüber gemacht hatte ─ Moment mal, Yuta!

Taeil hob träge die Hand und rief mitten in die Totenstille hinein: » Ich glaube, Yuta möchte. «

Alle Blicke lagen auf ihm, weshalb er schnell die Hand auf den Mund schlagen wollte, als könnte er seine Aussage so rückgängig machen, doch das war nun einmal nicht möglich. Es war einfach wie eine Patrone aus ihm herausgeschossen. Aber es war doch nicht falsch. Yuta hatte seine Note aufbessern wollen, nicht? Wieso zögerte er jetzt?

» Herr Nakamoto? «, hakte er interessiert nach und wandte sich dem Japaner zu, der sich ruckartig gerade aufsetzte und sagte: » Ich habe zugehört, ich schwör's! «

Allgemeines Lachen flutete den Raum. Parallel dazu klickte Yuta einige Male mit seinem Kugelschreiber herum. Interpretation: Nervosität. Schlussfolgerung: Er hatte sehr wohl zugehört.

» Ihr Aufsatz. Ob Sie ihn vortragen möchten, war die Frage. «

» Ähm ... «, er sah auf seine Unterlagen und presste unsicher die Lippen aufeinander. » Okay? «

Taeils Herz tat Yuta zuliebe kleine Freudensprünge, da er irgendwie so etwas wie mütterlichen Stolz in sich aufkommen spürte, als Yuta den Text (wenn auch unter Stress und immer noch mit dem Kuli spielend) vorlas. Eine gewisse Anspannung lag im Raum, sobald das letzte Wort fiel, dennoch ertönte kurz darauf das Klopfen der Mitschüler. (Seit der Mittelstufe sagte Herr Lim immer » Wir machen das jetzt wie an der Uni! « und sie klopften, statt zu klatschen. Taeil verstand nicht so recht den Unterschied, das Klopfen war vermutlich stilvoller oder so. Aber vor allem war es leiser!) Schon kurz darauf bekam er Lob von seinem Lehrer und ein paar Verbesserungsvorschläge, weshalb Yuta zufrieden grinste.

𝗗𝗨𝗔𝗟𝗜𝗦𝗠 𝘺𝘶𝘸𝘪𝘯𝘪𝘭.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt