𝟱𝟴 | Nebeneffekt

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standardsprachlich
Substantiv, m.
weniger wichtiger, zusätzlicher Effekt

「✿」

Yutas Hand hatte die seine irgendwie ganz selbstverständlich gefunden. Sie fühlte sich nass und kalt an, weil der Regen nicht einmal davor Halt machte, aber für Taeil war sie gleichbedeutend mit Sicherheit. Dieser Griff reichte, damit Taeil ihm überallhin folgte.

Obwohl Yuta schneller laufen könnte (Taeil hatte es bereits oft beobachten dürfen), hielt er ein langsameres Tempo, damit Taeil noch mitkam. Zwar war er immer noch außer Puste, aber es war definitiv leichter, als einen echten Sprint in Langstreckenform hinzulegen.

Mit zusammengekniffenen Augen zog er sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Auch wenn er dadurch schlechter sehen konnte, so hielt es den Regen davon ab, ihm vehement die Visage einzuschlagen.

Eigentlich vergaß Taeil die Nässe, die Müdigkeit und den Schmerz fast. Er vergaß seinen schweren Atem und seinen schnellen Herzschlag, da nur Yutas leuchtende Aura zählte, die ihn durch das heftige Unwetter geleitete. Seine Haare waren ganz durchnässt und hüpften auf und ab, glitzerten im trüben Licht der Straßenlaternen. Er funkelte regelrecht! Funkel, funkel, kleiner Stern. Taeils kleiner Stern. Bei diesem Einfall konnte sich Taeil ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Hin und wieder hopsten sie unter rettende Dächer von kleinen Läden und Hotels, behielten den flotten Schritt dennoch bei. Immerzu hatte Taeil dabei die Melodie des Schlafliedes im Kopf und dachte an die strahlenden Sterne, die ihnen gerade zusahen.

Der breite Bürgersteig führte zu einer Treppe, die endlich in eine U-Bahnstation mündete. Sie stolperten die Stufen herunter, und als Yuta schon ihren Zug sah, zog er noch einmal fester an Taeils Hand, sodass sie es noch knapp hineinschafften. Atemlos stürzten sie sich in das Zugabteil, in dem nur noch wenige Menschen Platz fanden. Ein strahlendes Lächeln zierte seine Lippen, nachdem er sich hastig nach Taeil umgesehen hatte und ihn direkt hinter sich entdeckte.

» Wir hätten nicht rennen müssen, die Züge fahren im Minutentakt «, ächzte Taeil und beobachtete Yuta dabei, wie er sich an der Wand hinter ihm abstützte, sobald sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung setzte. Taeil griff nur nach einer Halteschlaufe und lehnte sich weit zu seinem Gegenüber vor.

» Na und? « Yuta schnappte nach Luft. » Hat doch Spaß gemacht. «

Taeil lachte und wusste sich nicht anders zu helfen, als Yutas blödes Shirt zu packen, ihn zu sich herunterzuziehen und seine Lippen zu küssen. Für einen Moment war alles egal. Für einen Moment war es wirklich das Schönste der Welt und er wollte einfach alles ausblenden und alles vergessen ─ Hauptsache, Yuta war da. Er funkelte doch so schön!

Überrascht schlug Yuta die Augen auf, sobald Taeil ihn losließ. » Wofür war das denn? «

» Weiß nicht. Ich hatte irgendwie Lust, dich zu küssen. Darf ich etwa nicht? «

» Weiß nicht. Du bist ja derjenige, der immer alles vertuschen will «, konterte er und zuckte mit den Achseln, nur um daraufhin mit seiner Nasenspitze gegen Taeils zu stoßen.

» Du bist so frech. «

Ein spielerisches Blitzen erschien in seinen Augen. » Dann sorg dafür, dass ich die Klappe halte. «

Und schon lagen Taeils Lippen wieder auf seinen. Er könnte schwören, seltsame Blicke in seinem Rücken zu spüren, versuchte aber, sich nicht davon beeindrucken, gar unterkriegen zu lassen. Das war okay. Taeil wollte sich doch nur einmal wie ein normaler Teenager fühlen. Er wollte verliebt und blöd und kopflos sein, er wollte Yuta ganz oft küssen und nur das tun, wonach ihm gerade war, egal, welche Konsequenzen es mit sich zog. Nur weil Yuta ein Junge war, war es doch nicht automatisch falsch. Schließlich fühlte Taeil ebenfalls etwas, etwas Gutes und Schönes, wie es auch zwischen Mann und Frau existierte.

𝗗𝗨𝗔𝗟𝗜𝗦𝗠 𝘺𝘶𝘸𝘪𝘯𝘪𝘭.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt