𝟰𝟰 | Anspannung

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standardsprachlich
Substantiv, f.
1. das Anspannen, Angespanntsein
2. Anstrengung, Konzentration

「✿」

Nervosität.

Ein Zustand, in dem jeder mal, wenn auch nur für ein paar Minuten vor einem Vortrag, gewesen sein musste.

Taeil wusste nicht, woran es lag. Vielleicht an Yutas Knie, das gerade das seine berührte. Oder die Art und Weise, wie er dauernd zu Taeil herüberschaute. Da er nicht zu ihm sehen wollte, weil ihm der Gedanke (im Gegensatz zu Yuta) abwegig vorkam, ihn so unverschämt anzustarren, wusste er nicht, wie Yuta schaute, geschweige denn über was er nachdachte oder was er so sehr an Taeils Gesicht fand.

Womöglich war es auch Jungwoo, der gerade vor der Tafel stand und sich bemühte, beim Präsentieren seiner Ergebnisse nicht an seinem Stottern zu ersticken. Taeil würde ihn nie verurteilen, es war immerhin auch nicht eine seiner Stärken, frei zu sprechen.

Nichtsdestotrotz war es schwer, ihm zu folgen, weshalb Taeil irgendwann abschaltete und nur abwesend durch die Reihen sah. Fahles Licht fiel durch den naturwissenschaftlichen Hörsaal, trübte die Schüler mit seiner tristen Farblosigkeit und ließ sie alle darauf hoffen, dass diese Stunde endlich ein Ende nahm. Sie hatten doch schon alle Klausuren hinter sich, die Sommerferien kamen immer näher und es war nur eine Frage der Zeit, bis kein einziger Schüler die Motivation mehr hatte, auch nur die Hand zu heben.

Taeil empfand sich nicht als ein Teil davon. Irgendwie konnte er nicht anders, als unsicher an seinen Lippen zu knabbern, denn ja, Yuta, Nakamoto Yuta, machte ihn nervös. Ihm gefiel ihre Nähe nicht. Ja, sie gefiel ihm, aber nicht, wenn es so auffällig wirkte. Vor allem, wenn er bedachte, welch stechende Skepsis in Sichengs Augen lag, der die Szenerie eben einige Sekunden aus zusammengekniffenen Augen beobachtet hatte. Sicheng machte ihm Angst. Viel Angst. Am meisten Angst.

Das ist es.

Yuta trennte sie wie eine Front voneinander, sodass sie einander weder anzicken noch sich vertragen konnten, zudem er auch keiner der beiden allein zurücklassen konnte. Er war fast ein bisschen wie ein Schiedsrichter, der den Waffenstillstand aufrechterhielt und für provisorischen Frieden sorgte, indem er es ihnen beiden recht machte. Nicht recht, aber zumindest deichselte er den Konflikt durch einige Kompromisse, mit denen beide Parteien halbwegs leben konnten.

Es war nahezu offensichtlich, dass Taeil damit nicht ganz einverstanden war. Dass Yuta noch etwas mit Sicheng zu tun hatte, nervte ihn. Nicht, weil der Junge ihm einen Korb gegeben hatte, nein, sondern weil Yuta eine ziemlich lange Zeit für ihn geschwärmt hatte, und wer weiß, vielleicht kamen da mit der Zeit Gefühle auf, die Taeil für nicht allzu gut halten würde? Deshalb sollte Sicheng nicht mehr mit Yuta sprechen, oder?

Das war eine Sache, die Taeil nicht bedacht hatte, und mal ehrlich, er war nie ein Typ dafür gewesen, etwas so Wichtiges zu vergessen.

Aber gut, was konnte er Yuta verübeln? Im Großen und Ganzen machte er ja nichts falsch. Es wäre nämlich in einem Fall wie diesem absolut unbegründet, den Kontakt zu Sicheng abzubrechen ─ ja, wenn Yuta in Sicheng verliebt gewesen war (oder sogar noch Gefühle für ihn hatte) gehörte es sich eigentlich, Abstand zu halten, aber wie sollte er das erklären, wenn er und Taeil ihre Beziehung nicht öffentlich machten? Außerdem hatte Sicheng doch niemand anderen außer Yuta (und Juhyun), es wäre nichts als sozialer Mord, den Jungen jetzt komplett im Stich zu lassen. Das hätte er nicht verdient. Nein, Sichengs Wohl war ihm schließlich auch wichtig.

𝗗𝗨𝗔𝗟𝗜𝗦𝗠 𝘺𝘶𝘸𝘪𝘯𝘪𝘭.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt