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Jungkook saß auf seinem Bett und trommelte mit den Fäusten gegen die Wand. Es war 9 Uhr morgens und er hatte noch nicht geschlafen. Seit Stunden wartete er auf einen Anruf von Taehyung, der alles erklären würde. Als Jin ihn gestern Abend abgeholt hatte, war Taehyung so verängstigt gewesen, dass er Jungkook nicht einmal ansehen konnte. Er warf sich in Jins Arme und schluchzte und weinte ohne Ende. „Es ist nicht deine Schuld", sagte Jin noch, bevor er Taehyung aus dem Zimmer bugsierte, doch Jungkook wusste, dass genau das Gegenteil der Fall war. Er wusste zwar nicht warum, aber es war seine Schuld. Es war seine Schuld, dass Taehyung vor ihm zurückwich und vor ihm flüchtete.

Sein Handy klingelte. Es war Taehyung. Er meldete sich mit brüchiger Stimme. „Hallo? Tae, gehts dir gut?"

„Ja alles okay. Ich muss dir was sagen."

„Das ist gut, ich weiß nämlich absolut nicht was gestern los war, du-" Seine Stimme brach und er ließ Taehyung einfach sprechen.

„Ich weiß nicht warum du dich nicht erinnerst, aber wir sind zusammen auf eine Schule gegangen. Du warst mit Jimin befreundet. Ihr wart immer zusammen."

Jungkook schluckte. „Und... War ich auch mit dir befreundet?"

„Nein. Ihr habt mich geschlagen. Mich beleidigt. Ihr habt mir wehgetan. Du hast mir wehgetan. Und ich wusste nie wieso."

Jungkooks Lippen zitterten. Wenn er an seine Schulzeit dachte, waren da nur Namenlose, verschwommene Gesichter. Er erinnerte sich kaum. War es wirklich Jimin gewesen? Und Taehyung?

„Wieso, Jungkook?", fragte Taehyung.

Und dann brach alles auf. Die sichere Schale, die seine Erinnerungen vor ihm verborgen hatten, strömten mit einem Mal wieder auf ihn ein. Doch da war nicht nur Jimin, der mit ihm gemeinsam auf den dürren Jungen einschlug, sondern auch sein Vater. Und dann war es nicht mehr Taehyung der auf dem Boden lag, sondern er selbst. Und sein Vater, der auf ihn einschlug. Sein Vater, der mit einer Flasche in der Hand aus dem Zimmer trampelte und vor sich hinlallte. Seine Mutter, die hilflos daneben stand und weinte. Seine kleine Schwester, kaum ein halbes Jahr alt, die in der Babyschale lag und schrie. Noch am selben Tag brachte seine Mutter sie zu ihrer besten Freundin. Er hatte sie nie wieder gesehen. Seine Mutter ließ sich scheiden. Sie zogen weg, sein Vater kam wegen häuslicher Gewalt für ein paar Jahre ins Gefängnis.

„Jungkook?", sagte eine besorgte Stimme und zog ihn wieder zurück in diese einsame Kammer. Und erst jetzt bemerkte er, dass nicht seine Schwester, sondern er selbst geschrien und nicht seine Mutter, sondern er selbst geweint hatte. Er musste raus. Schluchzend sprang er auf, drückte Taehyung weg und wählte stattdessen eine andere Nummer. „Jisoo", flüsterte er. „Bitte komm und hol mich ab."

Er verstand ihre Antwort nicht, stürzte nur die Treppen hinunter und fiel beinahe hin. Als er endlich auf der Straße stand fühlte er sich jedoch nicht befreit, sondern ungeschützt und verletzlich. Er brach zusammen und sank an der Wand nieder, wie Taehyung es einst getan hatte. Das schien schon so lange her zu sein, obwohl es nur vierundzwanzig Stunden gewesen waren. Er weinte und umklammerte seine Beine, zog sie fest an sich, um nicht von innen heraus auseinanderzubrechen. Und dann war Jisoo da. Sie nahm ihn in den Arm, zog ihn hoch und begleitete ihn zu ihrem Auto. „Ich bring dich zu deiner Mutter, okay?", fragte sie leise und er nickte widerstandslos, ließ sich von ihr auf den Sitz setzen und anschnallen. „Wusstest du es?", fragte er noch. Sie sah ihm tief in die Augen. „Du hast mir alles erzählt. Ich hab immer versucht, dich dazu zu bringen, deine Therapie weiterzumachen. Aber du wolltest nicht. Und dann hast du alles verdrängt. Es tut mir so leid, Jungkook."

Er nickte stumm, nicht im Stande etwas zu erwidern, doch das musste er gar nicht. Sie verstand.


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Ja ähm hi, ich lebe noch 🤧😂

I'm very no Loser **Taekook**Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt