„Und, was war es dieses Mal?", fragte Junghyuk, während er mir ein Kühlakku reichte. „Ich, ähm, ich bin die Treppe runtergefallen", schwindelte ich. „Ah ja", sagte er skeptisch und zog eine Augenbraue hoch. „Und die Treppe hat dir gleich noch ein blaues Auge verpasst?" Ich sah betreten auf meine Füße. Mein großer Bruder seufzte und ging vor dem Sofa in die Hocke, um mir in die Augen schauen zu können. „Das ist jetzt schon das dritte Mal in diesem Monat, dass ich dich abholen muss, weil du so schwer verletzt bist, dass du kaum laufen kannst. Taehyung, wenn irgendetwas los ist, dann rede mit mir. Du weißt, dass du mir vertrauen kannst, oder?" Ich nickte. Er lächelte traurig und nahm mich in den Arm. Ich klammerte mich trostsuchend an seine muskulöse Brust und atmete tief seinen vertrauten Geruch ein. Mein Bruder war mein Ein und Alles. Er war der einzige, der mir aus meiner Familie noch geblieben war. Er war mein einziger Freund.
Junghyuk löste sich aus der Umarmung und schaute auf die Uhr. „Ich muss noch lernen, machst du dir nachher selbst was zu essen?", fragte er. Ich nickte, er lächelte mir noch einmal aufmunternd zu und ließ mich dann allein auf dem Sofa zurück. So war das seit er angefangen hatte zu studieren. Er musste abends zu Vorlesungen und ich aß alleine. Aber das war in Ordnung, denn am Wochenende nahm er sich immer Zeit für mich und wenn ich wirklich Hilfe brauchte, war er für mich da. Es dauerte eine Weile, bis ich mich aufraffen und in mein Zimmer schleppen konnte. Dort machte ich mir Musik an, schmiss mich aufs Bett und fing mit geschlossenen Augen an mitzusingen. Das tat ich immer, wenn ich mich entspannen wollte und es gab für mich nichts Schöneres auf der Welt. Na gut, lesen vielleicht. Nach einiger Zeit setzte ich mich an meinen Schreibtisch und fing an, mir das Zeug, was ich heute verpasst hatte, selbst beizubringen. Wir folgten immer dem Buch, also war das nicht allzu schwer, auch wenn ich keine Freunde in meiner Klasse hatte, die mir den Stoff hätten schicken können. Als ich fertig war, nahm ich mir ein Buch und vertrieb mir die Zeit bis zum Abendessen. Ich weiß, klischeehaft. Brille, liest gern und interessiert sich für die Schule. Achso, ich hab eins vergessen, schwul. Gehört das überhaupt zu dem Klischee dazu? Egal, ich hab Hunger. Also ging ich hinunter in die Küche und wärmte mir Nudeln auf. Die nahm ich mit in mein Zimmer und drehte die Musik wieder auf. Als ich fertig war, stellte ich den Becher beiseite. Irgendwann musste Junghyuk nochmal nach mir geschaut haben, denn als ich am nächsten Morgen aufwachte, war er verschwunden.
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Mit geducktem Kopf, die Bücher fest umklammert schlich ich durch die Gänge, in der Hoffnung, nicht aufzufallen. Tatsächlich schaffte ich es bis ins Klassenzimmer. Dort saß allerdings Jimin schon auf seinem Platz und machte irgendwas an seinem Handy. Als ich eintrat, schweifte sein Blick nur kurz zu mir und widmete sich dann wieder dem Display. Überrascht setzte ich mich auf meinen Platz direkt vor ihm. Nicht nur, dass er nicht an Jungkooks Rockzipfel hing, sondern auch, dass er mich soeben komplett ignoriert hatte. Gut gelaunt packte ich mein Zeug aus.
Meine gute Laune hielt allerdings nur bis ein viel zu gut aussehender Junge mit schwarzem Haar und haselnussbraun gesprenkelten Augen den Raum betrat, Jimin abklatschte und den ganzen Unterricht über nicht aufhörte, mich mit Papierkugeln abzuwerfen, die mich hart im Nacken trafen.
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Nachdem die Klingel die letzte Stunde beendet hatte, packte ich in Windeseile meine Sachen zusammen und düste in die Bibliothek, wo ich mich immer in den Pausen und nach Schulschluss versteckte, um nicht von zwei gewissen Leuten zusammengeschlagen zu werden.
Durch das Fenster, welches nicht von den hohen Bücherregalen verdeckt wurde, konnte ich den Schulhof im Auge behalten und sehen, wann die Luft rein war. Jimin und Jungkook waren gerade am Schultor angekommen, als Jimin plötzlich stehen blieb, Jungkook etwas zurief und dann wieder auf das Gebäude zusteuerte. Vermutlich hatte er ein Buch vergessen oder so. Ich hatte keine Lust zu warten bis er fertig war, also musste ich mir etwas überlegen. Es gab zwar nur einen Ausgang, doch wenn ich die kleine Treppe nahm, die beinahe niemand benutzte, müsste ich es nach draußen schaffen, ohne dass Jimin mich überhaupt bemerkte. Perfekt!
Ich öffnete die Tür einen Spalt und lugte hinaus auf den Gang. Niemand zu sehen. Schnell huschte ich hinaus zur Treppe und lief so leise wie ich konnte die zwei Stockwerke hinunter, doch auf einmal packte mich jemand am Handgelenk und zog mich mit sich.
Das einzige, was ich erkennen konnte, war ein Schopf hellbraunen Haares, dann wurde ich in eine dunkle Kammer geschoben und die Tür geschlossen. Ich wich an die Wand zurück. Hier war noch jemand, und wenn ich richtig lag mit meiner Vermutung, steckte ich ziemlich in der Klemme. Es raschelte kurz, dann flammte ein Licht auf und bestätigte meinen Verdacht.
Ein grinsender Jimin stand vor mir, sein Gesicht viel zu nah an meinem, ein Feuerzeug in seiner Hand. „Na, Zuckerpüppchen? Wie geht's?", fragte er unschuldig, als hätte er mich nicht grade in eine Besenkammer entführt.
„Gut", krächzte ich. „Vermisst du nicht etwas?" Jimin holte etwas aus seiner Tasche und hielt es mir unter die Nase. Ich schnappte nach Luft. Scheiße. Es musste mir gestern aus der Tasche gefallen sein und ich Idiot hatte es nicht mal bemerkt. Wenn Jimin darin gelesen hatte, wusste er... Oh nein, bitte sag mir, dass das nicht wahr ist. Dort hatte ich alles hineingeschrieben, auch, dass ich seit zwei Jahren in seinen besten Freund verliebt war, obwohl er mich jeden Tag herumschubste wie ein Spielzeug.
„Da stehen sehr interessante Dinge drin", sagte Jimin und blätterte grinsend in meinem Tagebuch herum. „Dinge, die manche Leute wohl lieber nicht erfahren sollten." „Gib es mir zurück", sagte ich schwach. „Aber", fuhr er fort, als hätte er mich nicht gehört, „Ich verrate dir auch etwas, das nicht für jedermanns Ohren bestimmt ist. Damit es fair bleibt, okay?" Er legte den Kopf schief, als hätte er mich nur gefragt, ob er sich mein Mathebuch ausleihen könne.
Da ich keine andere Wahl hatte, nickte ich hilflos und sah zu, wie sich seine Mundwinkel zu einem zufriedenen Grinsen verzogen. Er ließ das Feuerzeug los und ließ damit die einzige Lichtquelle erlöschen.
Ich hörte, wie es klappernd auf dem Boden aufkam und dann hatte ich keine Zeit mehr zum Denken, denn etwas Warmes und Weiches hatte sich auf meine Lippen gelegt. Jimin küsste mich und plötzlich waren seine Hände überall, an meinen Wangen, meinem Hals und unter meinem Shirt in Richtung Boxershorts.
Verzweifelt stieß ich ihn von mir. Er blieb einige Momente lang in der Dunkelheit stehen, dann flüsterte er: „Denk dran, Taehyung, bewahr mein Geheimnis und ich denke nicht einmal dran, dich vor Jungkook zu blamieren oder dich zum Gespött der ganzen Schule zu machen."
Und mit einem Kichern öffnete er die Tür und verschwand aus der engen Kammer.
Dann hörte ich ein leises Klicken. Ich war eingeschlossen.
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Zu viel Klischee?

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I'm very no Loser **Taekook**
FanfictionIn der Schule wird Taehyung von jemandem tyrannisiert, der ihm leider viel zu gut gefällt. Doch was passiert, wenn eben dieser später zu seinem größten Fanboy wird? **-** Taekook