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Eine Minute vor neun hüpfte Jungkook gut gelaunt die wacklige Treppe runter und fuhr sich noch einmal durch die Haare. Dann öffnete er die Tür und genoss mit geschlossenen Augen die ersten Sonnenstrahlen. Er trat hinaus und wollte sich an die Hauswand lehnen, um auf Jisoo zu warten. Doch da war schon jemand. Ein abgemagerter junger Mann mit strähnigen blauen Haaren saß zusammengekauert neben der Tür und schlief. Sein Gesicht sah angespannt aus, die Augen zusammengekniffen und der Mund verzogen, als würde er gleich anfangen zu weinen. Jungkook erkannte ihn fast nicht wieder, doch es war eindeutig- „Taehyung! Was machst du hier draußen, es ist doch viel zu kalt!" Er kniete sich hin und legte seine Arme um ihn. Taehyung blinzelte und öffnete die Augen. „Hi, Jungkook", krächzte er und versuchte ein schiefes Lächeln, brach jedoch in einen Hustenanfall aus. „Ich bring dich erst mal rein, du bist ja ganz unterkühlt", meinte Jungkook besorgt und half Taehyung hoch. Er stützte sich dankbar auf seiner Schulter ab und machte vorsichtige kleine Schritte, als fürchtete er, seine Beine könnten ihn nicht tragen. Er wandte sich nach rechts um zu Jungkooks Wohnung zu gehen, doch dieser schüttelte den Kopf und sagte leise: „Ich wohne momentan auf dem Dachboden."

„Warum?", fragte Taehyung und versuchte krampfhaft, seine Augen offen zu lassen.

„Erklär ich dir nachher, wenn du ein bisschen geschlafen hast."

Taehyung nickte und behielt nur mit Mühe seinen Kopf oben. Jungkook stieß die Tür mit dem Fuß auf und bugsierte ihn hinüber zu seinem Bett. Es war nur ein klappriges Metallgestell mit einer alten Matratze, doch es war gemütlich und als Taehyung sich hinlegte, stellte er fest, dass es noch warm war und wunderbar nach Jungkooks Shampoo roch. Etwas zwischen Apfelkuchen und Frühlingswiese. Er lächelte und ließ seine Augen zufallen. Jungkook hatte ihm seine Jacke ausgezogen und als er wieder in seinen Wohn- und Schlafraum zurückkehrte, war Taehyung schon eingeschlafen.

Er betrachtete ihn kurz und strich ihm ein paar blaue Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Taehyung sich die Haare gefärbt hatte. Das letzte Mal, als sie sich gesehen hatten, waren sie noch dunkelbraun gewesen und seitdem war Taehyung nicht mehr in der Öffentlichkeit gewesen und Bilder auf Instagram hatte er auch nicht mehr gepostet. Warum er wohl so dünn war? War er auf Diät oder gab es einen anderen Grund? Beunruhigt, aber glücklich, dass Taehyung nun bei ihm war und er ihm helfen konnte, holte Jungkook seine Pinsel und Farben raus und beendete das Bild, dass seit drei Tagen einsam und allein auf die Staffelei gespannt war.

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Als Taehyung wieder aufwachte, strahlte die Sonne mit aller Kraft durch das Fenster, als wollte sie ihn wieder zum Leben erwecken. Jungkook saß vor dem Bett, die Hände in die Tasche seines Hoodies gesteckt. Vor ihm stand eine Schale mit Suppe. „Na ausgeschlafen?", fragte Jungkook und kicherte. Taehyung rieb sich die Augen. „Kann ich Zähneputzen?" Jungkook nickte und zeigte auf eine Tür. „Da liegt eine neue Zahnbürste am Waschbecken und einen Waschlappen hab ich dir auch hingelegt. Mina schläft gerade, aber nachher kannst du bei ihr duschen gehen."

Taehyung nickte schläfrig, stand auf und tapste ins Bad. Es war klein aber ausreichend und weniger bedrängend als sein Luxusbadezimmer zuhause. Eine einzelne nackte Glühbirne beleuchtete die alte Tapete und die morschen Dielen.

Als Taehyung fertig war, setzte er sich zu Jungkook auf den Boden, der ihm einen Löffel reichte und die Suppe zuschob. „Ist die für mich?", fragte Taehyung überrascht. „Klar du Dummkopf", lachte Jungkook. „Du hast total abgenommen, das macht mir Sorgen."

Taehyung zuckte ausweichend die Schultern und fing an, seine Suppe zu löffeln. Er hatte seit Tagen nichts mehr gegessen und als sein Bauch sich mit der warmen Flüssigkeit füllte, stieg pure Glückseligkeit in ihm hoch. „Danke, Jungkook", sagte er mit einem verlegenen Lächeln. „Immer gerne", lachte dieser. Dann wurde er ernst. „Also, möchtest du mir verraten, was du vor meiner Haustür gemacht hast?"

Taehyung sah betreten in die Suppenschüssel. Das Grünzeug schien sehr interessant zu sein. Vielleicht las er gerade seine Zukunft darin. „Taehyung?"

Er hob den Blick und sah Jungkook mit Tränen in den Augen an. „Ich musste dich einfach sehen", flüsterte er. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten, nicht bei dir zu sein." Und bevor Jungkook etwas sagen konnte, hatte sich Taehyung über die Schüssel hinweg in seine Arme gestürzt und war hemmungslos weinend mit dem Kopf auf seine Schulter gesackt. Jungkook schob vorsichtig die Suppe beiseite und zog den jungen Mann an sich, der sonst so fröhlich lachte, doch nun einfach nur zerbrechlich und ausgelaugt schien. Er wusste, dass er nichts sagen sollte, dass er nichts sagen musste. Er hielt ihn einfach fest und streichelte ihm über den Rücken. Denn manchmal ist es das, was Menschen brauchen: Die Illusion, dass alles wieder gut wird.


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2 Kapitel in drei Tagen, wasch denn hier los xD

I'm very no Loser **Taekook**Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt