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Ein Jahr später

Rena fuhr mit dem Auto von Köln zurück nach Düren. Es war spät abends und es schüttete wie aus Eimern. Sie war beim Tanzen gewesen und wollte nun nach Hause. Im Radio spielte das uralte Lied ‚Moonlight Shadow' und sie sang leise mit.

Als sie an der Straße vorbeikam, die sie nach Hause führen würde, verspürte sie plötzlich ein seltsames Gefühl. Sie fuhr weiter geradeaus, bis sie schließlich in Aachen ankam. Fast automatisch führte sie der Weg zu einem altbekannten Haus.

Leise schloss sie die Autotür und ging den Weg bis zur Haustür. Da es nach wie vor schüttete, war sie sofort klatschnass, obwohl sie sich beeilte.

Rena klingelte an der Haustür und wartete. Niemand öffnete ihr und sie versuchte es erneut.

Schließlich öffnete ein verschlafener Ju verwirrt die Tür und starrte sie überrascht an.

„Rena? Was machst du denn hier?", fragte er und öffnete die Tür komplett. Er war barfuß und trug ein BamCrew Shirt und eine Jogginghose.

„Seit wann schläfst du denn um 22 Uhr schon?", fragte sie verwirrt.

„Seit ich alt bin und letzte Nacht durchgemacht habe.", antwortete er grinsend. „Also? Was gibt's?"

Rena trat ein und wusste selbst nicht so richtig, was sie eigentlich bei ihm wollte. Sie fasste sich an den Kopf und starrte ihren alten Freund an, der sie neugierig beäugte.

„Ju, ich, äh.", stammelte sie und wusste nicht, was sie eigentlich wollte. „Die Scheidung ist seit einer Woche durch und ich war eben in Köln und bin heimgefahren, aber eigentlich wollte ich gar nicht nach Hause und ich habe über so viel nachgedacht in den letzten Monaten und eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich eigentlich hier bin."

Julien lachte und legte einen Arm um ihre kalte Schulter. „Komm, ich hole dir ein Handtuch und was Trockenes zum Anziehen und dann fängst du nochmal von vorn an."

Sie nickte und ließ sich ins Wohnzimmer führen. Julien kam kurz darauf mit einem Handtuch und einem Pullover wieder.

Sie strich mit der Hand über den Stoff und den Aufdruck.

„Das ist doch der gleiche, den du mir damals gegeben hast.", sagte sie leise und lächelte.

„Nachdem du Bunbury von Oscar Wilde zitiert hattest.", fügte er hinzu und nickte, als er sich erinnerte. „Ich dachte, der gefällt dir vielleicht immer noch."

„Natürlich", sagte sie und zog sich ihre nasse Bluse über den Kopf. Schnell zog sie den Fly me to the moon Pullover über. Julien hatte zur Seite geschaut und ihr ihre Privatsphäre gelassen.

„So, nun erzähl doch nochmal, was eigentlich los ist.", sagte er dann und lächelte sie aufmunternd an.

„Ju, ich habe die ganze Zeit gegrübelt, was ich falsch gemacht habe. Dabei habe ich gar nicht daran gedacht, was alles gut lief. Ich habe die ganze Zeit nach einer Konstante im Leben gesucht. Als ich Kind war, habe ich mir eingeredet, dass der Mond meine Konstante sein würde. Daran habe ich, mehr oder weniger zum Spaß, lange festgehalten. Ich habe gedacht, dass Steven meine Konstante sein könnte, nachdem du und ich so ein Auf und Ab durchgemacht haben. Ich wollte Ruhe und eine Beziehung und eine eigene Familie. Aber dies hielt auch nicht ewig, wie du weißt. Nun stehe ich in meinem Leben und weiß nicht, ob es das schon gewesen sein könnte. Mit 40 Single und eine neunjährige Tochter. Eine mehr oder weniger ruhige Beziehung zu meinem Exmann. Arbeit. Aber ich bin einsam und ich will endlich Mal aufhören mir immer Gedanken zu machen. Ju, auf den Mond ist kein Verlass mehr und ich muss aufhören ständig davon zu sprechen, sonst steckt man mich noch in die Klapse." Rena stand nach der langen Rede auf und lief zum Fenster. Es hatte aufgehört zu Regnen und die Wolken zogen weg. Sie richtete ihren Blick wieder auf Julien, der sie aufmerksam, wenn auch still, beobachtete. Er stand ebenfalls auf, auch wenn er nicht wirklich wusste, wieso. „Ju, verdammt, die einzige Konstante, die ich brauche, bist du."

Ihre Worte verhallten in der Stille. Sie sahen sich beide an und schwiegen. Renas Haare tropften noch immer vom Regen und klebten an ihrer Stirn.

„Rena, ich weiß nicht, es ist so ewig her und wir haben uns doch irgendwie mit allem arrangiert.", sagte er leise.

„Dann war es das wohl hier?", fragte sie und sah ihn an und mit einem Mal war sie wieder 27 und nicht mehr 40 und Ju war wieder 33 und nicht 46. Ihre Haare waren wieder lang und seine waren silberfarben und ihre Falten waren weniger und ihre Herzen waren jünger. Der einzige Unterschied war, dass diesmal nicht Jus Haare, sondern ihre triefnass waren. Es war wieder der Tag der Entscheidung, wie damals, also Rezo vor ihrer Tür stand, als er sie und Ju zusammen gesehen hatte. Aber diesmal gab es keinen Rezo, diesmal gab es nur einen Ju und eine Rena und eine Entscheidung.

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Er verließ das Wohnzimmer und Rena bleib einfach in der Mitte des Raumes stehen und grübelte über das nach, was geschehen war. Kurz darauf kam Ju wieder. Seine Haare waren nass und hinterließen eine Spur auf seinem Shirt. Nachdenklich trat er zu Rena.

Er streichelte ihre Wange, auf der eine Träne herablief. „Irgendwann vielleicht, wenn ich mehr Zeit für ein Privatleben habe, dann werde ich vielleicht glücklich.", bezog er sich noch einmal auf das, was Rena gesagt hatte, bevor er gegangen war. „Naja... Dann war es das wohl hier."

Rena nickte und wischte sich über die Augen. „Meinst du, wir können trotzdem Freunde sein?"

Ju blickte sie nachdenklich an. Schließlich nickte er leicht. „Unter einer Bedingung."

„Die da wäre?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Du passt gut auf unseren blauhaarigen Lieblingsmusiker auf und ihr habt ein glückliches Leben.", sagte er leise und lächelte sie etwas wehmütig an.

Renas Augen brannten wieder und Tränen liefen erneut über ihre Wangen. Sie trat nickend ein paar Schritte von ihm weg und er ging zur Eingangstür.

„Tschüss, Ju.", sagte Rena leise und rang sich ein Lächeln ab.

Ju überlegte, ob er sie noch einmal umarmen sollte. „Tschüss.", erwiderte er. Als sie die Tür schließen wollte, hielt er sie aber mit der Hand auf.

Sie schaute überrascht auf seinen Arm und wollte gerade ansetzten, etwas zu sagen.

Er zog sie noch einmal zu sich heran und gab ihr einen zarten Kuss auf den Mund. „Ein Abschiedsgeschenk.", flüsterte er gegen ihre Lippen und Rena war sich nicht sicher, ob es ein Geschenk für sie oder für ihn selbst war.

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Ju ging auf sie zu und Rena setzte sich ebenfalls in Bewegung, sie blieben dicht voreinander stehen.

Er sah ihr in die Augen und erinnerte sich an den Tag, als er sie verloren hatte. Er wischte ihr die nassen Haare aus dem Gesicht.

„Nein. Diesmal nicht.", sagte er leise und beantwortete damit ihre ursprüngliche Frage. „Du hast meine Bedingung erfüllt, weißt du das?"

„Deine Bedingung?", fragte sie verwirrt.

Er nickte. „Du solltest Steven glücklich machen und das hast du. Fast 13 Jahre lang. Und du hast ihm eine Tochter geschenkt, die ihn weiterhin glücklich macht."

Es dämmerte ihr, worauf er sich bezog und sie lächelte ihn leicht an. „Und jetzt?"

„Jetzt ist unsere Zeit gekommen. Jetzt machen wir uns glücklich.", sagte er und überbrückte endlich die restliche Entfernung zwischen ihnen. Ihre Lippen verschmolzen und Rena erinnerte sich wieder an die alten Zeiten. Erinnerungen an Passis Geburtstag und von Afrika spielten sich vor ihren geschlossenen Augen ab, von ihr und Ju im Fahrstuhl, von ihren Panikattacken, von dem weichen Pulli und der Cap, die er ihr geschenkt hatte. Sie erinnerte sich an seine spontanen Besuche in Hamburg oder als sie bei ihm war im Sommer. Die Zeit in der Bamschool und ihrer Wohnung in Köln mit ihm, die Drehs, die Tänze, all das kam wieder hoch.

Sie lösten sich voneinander und schauten sich lächelnd in die Augen. Irgendwo draußen schien sicherlich der Mond, aber Rena hatte nun Ju und eigentlich war dies die einzige Konstante in ihrem Leben, auf die es von jetzt an noch ankam.

Unter dem selben Mond (Rezo & Julien Bam & OC) | AbgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt