1. Kapitel Der Traum

3 0 0
                                    


Das Licht des silbernen Mondes ergoss sich in den sternhellen Wald. Mondjunges quiekte erschrocken, als sich ihre Pfote in einem Dornenstrauch verfing. Sie war ganz allein im Wald und wollte nach Hause. Doch der Wald nahm kein Ende. Das kleine Junge lief jetzt bestimmt schon eine halbe Ewigkeit durch das Gestrüpp, doch immer kamen nur noch mehr Ranken und Bäume. Fauchend zog sie ihre winzige Pfote aus den Dornen und verstummte abrupt. Vor ihr lichtete sich der Wald und hervor kam eine Ebene. In einer Senke konnte sie das Ufer eines Tümpels sehen. Das ist bestimmt der Mondsee, wenn ich denn überhaupt in der wirklichen Welt bin. Ich habe so viele Dinge über ihn gehört, aber er ist noch schöner als ich ihn mir vorgestellt habe. Mondjunges wurde plötzlich von einem Geräusch abgelenkt. Der Strauch neben ihr wackelte und sie vernahm ein leises Piepsen. Sofort ließ sich das Junge in Kauerstellung fallen und pirschte sich an das Geräusch an. Sie öffnete das Maul und sog die Luft ein. Diesen Geruch kannte sie vom Frischbeutehaufen aus dem Lager DonnerClans. Sie versuchte den Geruch zuzuordnen. Also, wie war das nochmal? Ihre Mutter Efeusee hatte sich mit der 2.Anführerin Eichhornschweif über die letzte Jagdpatrouille unterhalten. Oh man, das war vielleicht langweilig gewesen. Also war sie aus der Kinderstube geschlüpft und zum Frischbeutehaufen geflitzt. Dort hatte sie einen riesigen Vogel vom Haufen gezerrt. Er hatte so viel gewogen, dass ihre Pfoten wehgetan hatten. Zum Kühlen hatte sie sich zu der kleinen Regenpfütze am Lagerrand umgedreht und schon ein paar Schritte in ihre Richtung gemacht, als sie plötzlich mit der Nase gegen ein riesiges schwarzes Fellknäuel gestoßen war. Bernsteinfarbene Augen hatten sie aus Spinnenbeins Gesicht streng angeschaut. „Mondjunges. Du darfst noch keine Frischbeute fressen. Du bist noch viel zu jung dafür. Genieße die Zeit, wo du noch die Milch von Efeusee trinken kannst. Jetzt kann ich mir nichts köstlicheres vorstellen, als eine frisch gefangene Wühlmaus. Aber als Junges habe ich die Milch meiner Mutter furchtbar vermisst. Und selbst wenn du schon Frischbeute fressen dürftest, wäre dieser Sperling viel zu groß für dich", hatte ihr der Krieger erklärt. Sperling. Da in dem Gebüsch war ein Sperling. Mondjunges kniff die Augen zusammen. Lautlos schlich sie an Farnen vorbei. Sie konnte schon in den Pfoten spüren, wie der Vogel mit dem Schnabel in der Erde herum pickte. Nur noch eine, vielleicht zwei Schwanzlängen. Fast geschafft! Mittlerweile sah sie das schöne, grau getupfte Gefieder. Doch da trat sie auf ein trockenes Blatt und der Vogel flog davon. Oh, verdammt!, dachte Mondjunges verärgert. Fast hätte sie ihn geschnappt. Plötzlich ließ ein markerschütterndes Heulen ihr das Blut in den Adern zu Eis gefrieren. Sie drehte sich zu der Senke um und sah, wie ein riesiger Fuchs um den Teich herumschlich. Neben dem Knurren bemerkte sie ein angsterfülltes Wimmern. Mondjunges wollten zu Hilfe eilen, doch je mehr sie sich bemühte, vorwärts zu kommen, desto schneller entfernte sich die Szene. Und als sie erwachte, verklang der verzweifelte Schrei:

„Mondjunges! Hilf mir!

MondfinsternisWhere stories live. Discover now