Kapitel 2

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Langsam wachte ich auf. Ich lag auf einem Steinboden. War ich wieder bei Ben auf dem Boden eingeschlafen? Mit einem Schlag kehrten meine Erinnerungen zurück. Sofort setzte ich mich auf. Ich starrte direkt auf die einzige Wand aus Gitterstäben. Noch bevor ich die Personen hinter dieser erkannte verengten sich meine Augen. Ich hasste es eingesperrt zu sein. In diesem Moment trug ich mein übliches Gewand, kniehohe, schwarze Lederstiefel, eine hautenge, gleichfarbige Hose und ein ledernes, jackenähnliches Oberteil, das mit Nieten aus Eisen verziert war. Diese Sachen hatte ich mit meiner Drachenmagie verzaubert, damit sie bei der Verwandlung nicht kaputt gingen und außerdem feuerfest waren. Mit wütend funkelnden Augen musterte ich die beiden auf der anderen Seite der Stäbe. Während mein Blick nur kurz über Heidrun, ihre schwarzen Haare, ihre giftgrünen Augen und ihre Kleidung, die mit ihren Schuppen verstärkt war, streifte blieb er bei Garry hängen. Durch seinen dichten, strubbeligen Vollbart konnte ich sein hämisches Grinsen sehen. „Du bist also doch noch aufgewacht, Arya", sagte er herablassend: „Wurde auch Zeit, Dornröschen. Versuch erst gar nicht dich zu verwandeln, es wird nicht funktionieren." Wütend fletschte ich meine Zähne und knurrte: „Ich weiß das wahrscheinlich besser als du." Er hatte einer seiner Wachen befohlen mich ohnmächtig zu schlagen bevor er mich zu sich gerufen hatte und nachdem diese das erledigt hatte, hatte er mir das Halsband angelegt. Ich konnte das Leder auf einer Haut spüren. Auf dem breiten, schwarzen Lederband befanden sich flache, aus Gronkeleisen geschmiedete Drachen und vorne ein Ring aus demselben Material. Dieses Halsband konnte eigentlich nur von der Person abgenommen werden, die es dem Halbdrachen auch angelegt hatte, so sollte es jedenfalls sein, und während es um den Hals des Halbdrachens lag hatte diese Person die volle Kontrolle über seine Verwandlung. Ich wusste leider auch nur allzu gut, woher dieses Band kam und was es bedeutete. In seinen Augen konnte ich seine Überraschung sehen. „Warum tust du mir das an?", fragte ich mit eiskalter Stimme. „Du hast meinen Befehl missachtet", erklärte er als er sich wieder gefangen hatte: „Also nehme ich dir etwas weg. „Welcher soll das gewesen sein?", fragte ich genervt. „Du solltest diesen anderen Nachtschatten hierherbringen, damit er sich uns anschließen kann!", brüllte Garry. „Das habe ich doch versucht!", verteidigte ich mich laut: „Aber er hat gemeint, dass das nicht geht und ist verschwunden!" Rasend schaute ich Garry an. Er nahm mir meine Verwandlungsgabe wegen einem einzigen, vergeigten Auftrag weg?! Ich schmeckte den bekannten Geschmack von Kuper auf meiner Zunge. Ich hatte also schon wieder eine neue Verletzung, die sich bald in meiner Narbensammlung befinden wird. Mein gesamter Körper war von Narben überzogen, es gab kaum einen Fleck Haut, auf dem sich keine befand. Die weißen Striche stammten von Schwertern, Peitschen, Krallen, Zähnen, Äxten, Fäusten, Flammen und noch vielem mehr. Wenn man unsterblich ist sammelt sich nun einmal eine Menge an. „Bring sie doch nicht zu ihrem Haus, Heidrun", sagte er, ohne seinen hasserfüllten Blick von mir abzuwenden: „Unser kleiner Nachtschatten muss erst noch lernen, wie sie sich zu benehmen hat." Daraufhin wandte er sich ab und ging von meiner Zelle weg. Als seine schweren Schritte schließlich verklungen waren schaute ich Heidrun hilfesuchend an. „Dieses Mal hast du es wirklich versaut, Arya", erwiderte der Klingenpeitschling bedauernd bevor sie ebenfalls aus meinem Sichtfeld verschwand. Glaubte sie, dass ich das nicht wusste?! Ich gebe es ja zu, ich habe den Auftrag verbockt aber es war doch nicht meine Schuld gewesen! Mir wäre es auch lieber, wenn wir einen zweiten Nachtschatten hätten! Dann hätte ich endlich wieder einen zweiten meiner Art in meiner Nähe. Seufzend legte ich mich wieder flach auf den Boden und verschränkte meine Hände hinter meinem Kopf. Mit leerem Blick starrte ich an die Decke. Hoffentlich wird Garry sich morgen wieder beruhigt haben und mir das Halsband abnehmen aber bis dahin konnte ich nichts machen. Es allein loszuwerden kostete mir für meinen Geschmack viel zu viel Kraft und im derzeitigen Moment war eine Verwandlung sowieso unnötig. In meinem Haus hätte es noch einen Sinn gehabt aber hier drinnen? Kälte drang von dem Stein aus in meinen Leib doch sie machte mir nichts aus. Ich fühlte mich schwach und kraftlos, ohne meine Fähigkeit mich zu verwandeln und die kleine Zelle machte mir ebenfalls zu schaffen. Befände sich dieses behinderte Halsband nicht um meinen Hals wäre ich bestimmt schon getobt und hätte alles in meiner Umgebung zerstört doch, weil ich es nun einmal trug war noch nichts geschehen. Es unterdrückte meine Gabe und nahm mir damit auch meine Freiheit. Erschöpft schloss ich meine kräftig dunkelblauen Augen. Ich hasste es in einer Zelle schlafen zu müssen. Es gab keine frische Luft, keine beruhigenden Geräusche und dann war da auch noch dieses bedrückende Gefühl, dass mir die Luft abschnürte. Ich musste so schnell wie möglich einschlafen, nur so konnte ich es ertragen eingesperrt zu sein. Langsam machte sich der Schmerz in meinem Gesicht bemerkbar. Die Wache hat ganz schön hart zugeschlagen. Vorsichtig strich ich mit meinen Fingerkuppen über meine Haut. Sofort zuckte ich zusammen. Verdammt tat das weh! Meine Wange hatte sicherlich eine kräftige, rot-violette Farbe. Als ich meinen Arm wieder neben mich gelegt hatte stöhnte ich frustriert auf und wickelte eine Strähne meines dunkelblauen Haares um meinen Zeigefinger. Irgendwann hatte mich meine Müdigkeit dann doch übermannt und mich in die beruhigende Dunkelheit des Schlafs gezerrt.

Mein Leben als HalbdrachinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt