Kapitel 7

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Der Wind rauschte in meinen Ohren. Das Wasser plätscherte unter mir. Die Wellen des Meeres wurden höher. Durch den Nebel konnte ich Garrys Insel erkennen. Die spitzen Berge ragten weit in den Himmel hinauf. Ich wusste, dass an der Seite von einem dieser mein Haus klebte, unerreichbar für Menschen ohne Drachen, doch das interessierte mich im Moment am Wenigsten. Im Hafen stand seine Schifflote. Mit zusammengekniffenen Augen schaute ich mich um. Plötzlich sah ich ihn. Seine verwuschelten, schwarzen Haare hätte ich überall erkannt. Er hatte ein markantes Kinn und die wunderschönsten, dunkelbraunen Augen, die ich jemals gesehen hatte. Er stand auf einem Boot ziemlich in der Mitte des Hafens. Doch hinter ihm stand Garry. Ein Muskel in meinem Gesicht zuckte. Plötzlich stach mir eine Klinge ins Auge, die im Licht der Sonne aufblitzte und sich an seinem Hals befand. Ein tiefes Knurren drang aus meiner Kehle und brachte die Luft zum Vibrieren. Wie konnte er es wagen Ben zu bedrohen? Dieser schien ausgelaugt und schwach. In seinen Augen konnte ich Angst erkennen. Rasend legte ich meine Flügel an und sauste im Sturzflug hinab. Ich wollte ihn nur noch beschützen. Er war zum Zentrum meiner Welt geworden. Geschmeidig glitt ich durch die Luft auf das Boot zu. Garry hat auf mich gewartet. Plötzlich hörte ich das Zischen eines Pfeiles. Kurz darauf spürte ich, wie etwas meine schuppige Haut durchdrang und sich in mein Fleisch bohrte. Trotz des Schmerzes hielt ich nicht an. Ein weiteres Zischen ertönte, und dann noch eines und so weiter. Immer mehr Pfeilspitzen bohren sich in meinen Körper. Bluttropfen quollen aus den Wunden und fielen auf das Salzwasser hinab bevor sich in diesem auflösten. Ein Pfeilhagel nach dem anderen ergoss sich über mich doch ich hielt nicht an. Ich musste inzwischen wie ein Stachelschwein aussehen. Ein paar Sekunden später landete ich auf dem Holzdeck des Bootes. „Wie schön, dass du wieder da bist, Arya", schnurrte Garry. Wütend knurrte ich und duckte mich mit gefletschten Zähnen leicht. Sofort presste mein alter Arbeitsgeber die Klinge noch mehr auf Bens weiche Haut. Ich zuckte zusammen. „Du wolltest verschwinden, aber ich weiß, wie ich dich wieder zurückholen kann", meinte er selbstverliebt. Mein Körper bebte vor Wut. Bens Augen blitzten auf. Ich wusste, was das hieß, er hatte einen Plan. Garrys Lippen waren hämisch verzogen. Er würde meine Erklärung sicherlich als Ausrede abtun und ihm die Kehle trotzdem durchschneiden. Ich hoffte Bens Idee war gut. Er begann mit seinen Fingern auf seinem Bein zu trommeln. Die Geste kannte ich! Er tat dies immer, wenn er wollte, dass ich schnell reagierte. Augenblicklich spannte ich meine Muskeln an. Meine Augen zuckten unablässig über die beiden. Plötzlich hob er seinen rechten Fuß in die Höhe. Garry war zu abgelenkt von mir um diese Bewegung zu bemerkten. Auf einmal trat Ben ihm zwischen die Beine. Er keuchte auf und krümmte sich. Sein Griff um das Schwert lockerte sich. Blitzschnell umfasste mein bester Freund das Handgelenk des anderen und drückte zu. Die Waffe fiel auf die Holzdielen und klirrte leise. Augenblicklich sprintete ich los. Ich begann mit meinen Flügeln zu schlagen. Ich schwebte knapp über dem Holz über das Boot. Mit meinen vier Beinen packte ich Ben. Ich begann noch schneller mit den Flügeln zu schlagen, hektischer. Sein Körper schmiegte sich an meinen Bauch. Schwerfällig gewann ich an Höhe. Ich hörte wieder das Zischen von Pfeilen. Panisch schaute ich mich um. Ein Pfeilschauer sauste von links oben auf uns herab. Sofort ließ ich mich etwas fallen. Der Wind peitschte um meinen Leib. Nun flog ich knapp über dem Wasser. Ein paar Tropfen spritzten nach oben und legten sich auf meine Haut. Nun erreichten mich die Pfeile. Die Spitzen bohren sich durch meine Flügelhaut und kamen auf der anderen Seite wieder heraus bevor sie ins Wasser platschten. Schmerzerfüllt schnappte ich nach Luft doch wurde nicht langsamer. Ich musste ihn beschützen. Ich gewann an Geschwindigkeit. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen folg ich weiter. Vor mir erhob sich eine gigantische Nebelwand, die jedoch sehr durchsichtig war. Glücklich preschte ich durch diese. Ich hatte es geschafft, ich hatte Ben gerettet. Ein leises Schnurren brachte meinen Brustkorb zum Vibrieren. Gemeinsam ließen wir Garrys Insel hinter uns. Keiner von uns beiden würde je wieder als Krieger für ihn arbeiten. Ich umschloss ihn noch fester mit meinen Beinen.

Mein Leben als HalbdrachinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt