Kapitel 5

120 8 2
                                    

Mein Blick zuckte sofort überrascht zu den Drachenreitern. „Ach ja, ihr seid ja auch noch da", murmelte ich leise. Auf einmal flogen viele schrecklichen Schrecken an mir vorbei und hoben Gothi in die Luft. Einen kurzen Augenblick lang beobachte ich die kleinen Drachen während sie das Medium wegtrugen bevor ich mich wieder den Anderen widmete. Diese starrten mich ungeniert an. „Ihr müsst mir eure Fragen schon stellen, wenn ihr Antworten auf sie haben wollt", knurrte ich, als ich die forschenden Blicke satthatte. „Du heißt Arya, richtig?", fragte Astrid streng. Missmutig nickte ich. Ich hasste es ausgefragt zu werden. „Warum verstehst du die Drachen?", fragte Fischbein aufgeregt. Seine Augen glitzerten neugierig. Misstrauisch kniff ich meine Augen zusammen und legte meinen Kopf schief. War diese Frage wirklich ernst gemeint? Wie konnte man nur über so wenig Wissen verfügen? Als würde ich mit einem kleinen Kind sprechen antwortete ich langsam: „, Weil ich auch ein Halbdrache bin." Ungläubig schauten die Reiter mich an. Genervt stöhnte ich auf. Wo war ich hier bloß gelandet? Ich könnte mich natürlich verwandeln und wegfliegen doch wegen dem Halsband wäre ich danach mehr als nur ein Bisschen geschwächt und es war mir zu gefährlich schwach in der Nähe von Leuten zu sein, die ich nicht gut genug kenne. Um mich zu Verwandeln musste ich an einen einsamen Ort, das verlangte mein Instinkt von mir. „Heißt das, dass du so wie ich bist?", fragte Hicks. „Eigentlich schon", antwortete ich nachdenklich. „Warum nur eigentlich?", wollte Raffnuss verwirrt wissen. Langsam verzog ich meine Lippen. Wie konnte ich das jetzt am Besten erklären? „Ich habe im Gegensatz zu dir die Verwandlung unter Kontrolle", versuchte ich zu erklären. Die Kinnladen der Reiter öffneten sich schockiert. Darauf hatte ich wirklich überhaupt keine Lust. Außerdem musste ich das Band loswerden bevor der Rat noch mehr Drachen auftreiben konnte, um dieses mit noch mehr Magie zu versorgen. Etwas weiter über dem Haus kreisten die anderen Drachen und musterten mich uns neugierig von oben. „Hakenzahn, tu mir bitte einen Gefallen und bring mich tief in den Wald, schnell!", brüllte ich in der Drachenzunge, wobei ich etwas meiner Macht in die Worte legte. Ich bekam zwar immer leichte Schuldgefühle, wenn ich mit meiner Kraft andere dazu brachte etwas zu tun aber manchmal war es einfach notwendig. Trotz der gigantischen Entfernung konnte ich sehen, wie sich seine Pupillen zu dünnen Schlitzen verengten. Schnell legte er seine Flügel an und stürzte im Sturzflug hinab. „Ihr könnt mir eure Fragen nachher stellen", meinte ich entschuldigend zu den Drachenreitern. Nachdem ich das letzte Wort ausgesprochen hatte umschlossen seine langen Krallen meinen Leib. Kraftvoll begann er mit seinen ausgebreiteten Schwingen zu schlagen. Der Wind zog an mir. Der riesenhafte Albtraum sauste mit mir über den Himmel auf den Wald zu. Wir hatten schon einen großen Abstand zu den anderen, die sich wahrscheinlich noch nicht vom Fleck gerührt hatten, als die ersten Bäume in Sicht kamen. Meine Augen tränten etwas. Ich bemerkte, dass Hakenzahn anfing immer tiefer zu fliegen. Der Druck, mit dem er mich hielt, war nicht sonderlich unangenehm aber auch nicht besonders schmerzvoll. Meine hängenden Füße kamen den Baumkronen immer näher. Etwas weiter vor uns gab es eine baumfreie Stelle. „Lass mich dort runter und flieg dann zurück!", knurrte ich gegen den Fahrtwind. Sofort bremste er ab. Ich konnte nur hoffen, dass die Reiter mich nicht suchten. Vorsichtig setzte er mich ab. Der Boden fühlte sich nach der Luft komisch unter meinen Fußsohlen an. Ohne noch ein Wort zu sagen erhob sich der Drache in die Luft und war kurz darauf nicht mehr zu sehen. Statt ihm hinterher zu schauen musterte ich meine Umgebung. Ich war von einer hohen Felsmauer umgeben, über die ein paar Bäume ragten. In der Mitte der unter dem Waldboden liegenden Lichtung befand sich ein glasklarer See. Das Wasser war sicherlich angenehm kühl und perfekt zum Boden. Nein, ich musste die Verwandlung jetzt hinter mich bringen. Ich durfte mich nicht ablenken lassen! Seufzend atmete ich tief ein und bereitete mich innerlich auf den Schmerz vor. Im Licht der Sonne waren meine Narben überdeutlich zu sehen. Manche waren winzig und kaum sichtbar doch andere stachen einem allein durch ihre Größe ins Auge. Auf fast jedem Millimeter meines Körpers befand sich eine weißliche Narbe. Langsam schloss ich meine Augenlider. Die Sonnenstrahlen wärmten meine kühle, fast schon kalte Haut. Manchmal verbrachte ich Stunden damit einfach meine Narben anzustarren. Kopfschüttelnd leerte ich meinen Kopf. Tief atmete ich ein. Vor meinem inneren Auge erschien langsam ein Bild meiner Drachenform. Sofort machte sich Schmerz in mir breit. Zischend zog ich scharf die Luft ein. Der Schmerz pulsierte heiß durch meine Adern. Keuchend ließ ich mich auf meine Knie fallen. Die raue Erde bohrte sich in meine nackte Haut. Zitternd krümmte ich mich. Meine Schläfen pochten. Das Halsband schien enger zu werden und mir meine Luftrohre zuzudrücken. Das Ziehen wurde stärker. Langsam bahnte sich die Verwandlung an. Meine Gelenke und Knochen begannen zu knacksen. Ein leises Wimmern drang aus meiner Kehle. Meine Muskeln verkrampften sich. Der Schmerz nahm zu. Ich fiel nach vorne auf meine Hände. Meine Knochen verschoben sich. Stöhnend krümmte ich meinen Rücken. Mein Körper veränderte sich langsam auch äußerlich. Ich spürte, wie die ersten Teile meiner Haut durch Schuppen ersetzt wurden. Keuchend kniff ich meine Augen zusammen. Mein Leid trieb mir Tränen in die Augenwinkeln. Die Erste rollte langsam meine Wange hinunter und hinterließ eine feuchte, salzige Spur. Einen Moment lang hing sie an meinem Gesicht bevor sie von der Schwerkraft erfasst wurde. Der Schmerz machte mich langsam orientierungslos. Stöhnend sackte ich zusammen. Ich fiel der Länge nach auf den Boden. Meine Atemzüge wurden unregelmäßiger und abgehackter. Mein gesamter Leib bebte. Ich wusste nicht mehr, woher der Schmerz eigentlich kam. Mir tat alles unglaublich weh. Mit auf die Schläfen gepressten Handballen wand ich mich auf dem Boden. Plötzlich erstarb der Schmerz von einem Moment auf den anderen. Ich hörte, wie etwas auf dem Boden aufprallte. Der Staub kratzte beim einatmen in meiner Kehle. Sofort erschlafften meine verkrampften Muskeln. Kraftlos atmete ich tief ein. Meine Augenlider fühlten sich bleischwer an und wollten nicht wieder geöffnet werden. Mit aller Kraft kämpfte ich gegen das Verlangen nach Schlaf.

Mein Leben als HalbdrachinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt