Kapitel 12

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Als ich das leise Knarren von Holz höre wurde ich sofort aus meinem friedlichen Schlaf gerissen. Das Geräusch sich nähernder Schritte gesellte sich dazu. Ein unzufriedenes Knurren brachte meinen Brustkorb zum Vibrieren, welches sich jedoch schnell in ein erschöpftes Murren verwandelte. Ich wollte meine Augenlider um keinen Preis öffnen, ich lag wundervoll bequem. Wie lag ich eigentlich? Mein linker Arm ruhte auf der nackten Brust von jemanden und mein Kopf lag auf dessen Arm. Meine Flügel hingen ausgebreitet zu beiden Seiten des Bettes hinunter. Moment mal, ich lag auf Ben! Die Ereignisse des vorhergegangenen Tages brachen über mich herein. Ich hatte mich an Ben gebunden! Bereute ich es? Eigentlich nicht. Schmunzelnd schmiegte ich mich enger an ihn, sodass mein Kopf nun auf seiner Schulter ruhte. Mein linkes Bein legte ich zwischen seinen ab. Mein rechter Arm lag einfach neben mir. Sein Körper war wahnsinnig warm und kuschelig. Ein zufriedenes Seufzen entwich mir. Langsam begann Ben sich zu regen. Seine Knochen knacksten, als er sich ausgiebig streckte und sich auf den Holzbrettern rekelte. Als er seinen Arm bewegen wollte bemerkte er das Gewicht auf diesem. „Rühr dich nicht", knurrte ich müde. „In Ordnung, mein kleiner Morgenmuffel", erwiderte er süffisant: „Auch wenn du nicht gerade warm bist." „Soll ich etwa von dir wegrücken, damit du nicht so frierst?", fragte ich ihn genervt. „Auf keinen Fall", erwiderte er schnurrend. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich lag bäuchlings auf dem Holz und es war ein Wunder, dass noch kein Splitter in meinem Leib steckte. Mein Mund öffnete sich zu einem herzhaften Gähnen. Ich genoss einfach seine Wärme und seine Anwesenheit. Ich hatte mich also wirklich an ihn gebunden, für immer. Noch nie hatte ich mich bei jemand anderem so wohl und sicher gefühlt. Plötzlich hörte ich, wie die Haustür hastig geöffnet wurde. „Danke, dass ihr so schnell hergekommen seid, um mich abzulösen", hörte ich Rotzbacke sarkastisch sagen. „Wir haben jetzt keine Zeit dafür!", fauchte Astrid. Jemand stapfte die Treppen nach oben. Murrend stemmte ich mich auf meine Ellbogen und drehte meinen Kopf zur Treppe. Kurz darauf tauchte Hicks Kopf dort auf. „Was suchst du so früh schon hier, Nachtschattenjunge?", fragte ich ihn gähnend. „Keine Spielchen mehr!", rief Astrid, welche kurz darauf ebenfalls in mein Sichtfeld trat: „Steht auf und zieht euch an!" Stöhnend streckte ich meinen Rücken durch. „Was sagst du dazu?", hauchte ich ihm ins Ohr. „Tun wir es einfach einmal, ich habe keine Lust noch mehr Feinde hinter meinem Rücken zu haben", erwiderte er stöhnend. Langsam kämpfte ich mich weiter hoch. Mit meinem linken Flügel verdeckte ich seine entblößte Körpermitte während ich den rechten zusammenfaltete. „Dreht euch um!", knurrte ich unzufrieden. Genervt rollte Astrid mit ihren Augen bevor sie sich langsam umdrehte. Hicks tat es ihr zögerlich nach. „Komm auf die Beine!", befahl ich Ben zärtlich während ich meinen zweiten Flügel faltete. Ich kämpfte mich ebenfalls aus dem Bett und suchte den Boden nach meinen Kleidungsstücken ab. Ich roch den metallischen Geruch von Blut und sah etwas Getrocknetes von diesem zwischen meinen Beinen. Statt dieses kleine Detail noch genauer zu betrachten sammelte ich meine Kleidungsstücke ein. Stöhnend hob ich mein Oberteil hoch. Die Löcher von den Pfeilen stachen mir sofort ins Auge. Kopfschüttelnd zog ich es mir einfach über. Kurz darauf schlüpfte ich in meine Hose, welche am Fußende des Bettes lag. Ben hatte sich ebenfalls angezogen und musterte mich nun gründlich. Grinsend trat ich ein paar Schritte auf ihn zu und verschränkte meine Finger hinter seinem Nacken miteinander. Lächelnd zog ich ihn zu mir hinunter und legte meine Lippen auf die seinen. Sofort jagte ein Prickeln durch meinen Körper. Nach einer Weile löste ich mich wiederwillig von ihm. Warum mussten seine Lippen auch so perfekt auf die meinen passen? Zufrieden legte ich meine Stirn an die seine. „Seid ihr fertig?!", fragte Astrid genervt. Augenrollend entfernte ich mich von ihm und schlenderte auf die Treppe zu. Die Wikingerin schielte aus den Augenwinkeln heraus über ihre Schulter. „Ja", schnurrte ich ihr ins Ohr. Sie zuckte leicht zusammen bevor sie mir einen hasserfüllten Blick zuwarf und die Treppe nach unten stapfte. Nach einem kurzen Moment setzte ich mich ebenfalls in Bewegung. Ben folgte mir mit dem Schwert von Garry bewaffnet. Er wirkte besorgt und misstrauisch. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich die Drachenreiter, die sich vollzählig in dem Zimmer hinter der Haustür befanden. Sie starrten uns unsicher und etwas hasserfüllt an. „Was haben wir den jetzt schon wieder getan?", fragte ich genervt. „Fragt das die Schiffflotte in der Nähe von unserer Insel", fauchte Astrid, die sich zu den anderen gesellt hatte: „Ihr habt nur den Aufenthaltsort von Hicks herausfinden wollen, damit ihr ihn weitergeben könnt, um danach zu verschwinden zu können damit jemand anders ihn für euch tötet!" Erschrocken riss ich meine Augen weiter auf und schaute sofort zu Ben hinüber. Dieser erwiderte bedeutungsvoll meinen Blick, wir dachten beide das gleiche.

Mein Leben als HalbdrachinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt