Kapitel 13

4.5K 163 19
                                    

Mein Rachen wurde extrem trocken. Meine Kopfhaut prickelte. Wäre es besser gewesen, wenn er eine Frau mit an diesen Ort genommen hätte, als das, was ich nun vor Augen sah? Keine Ahnung. Ich konnte mich nicht entscheiden, aber ich wusste eines... nämlich, dass ich Aiden Tompson überhaupt nicht kannte. Selbstverständlich wusste ich, dass er sicherlich, wenn es darauf ankam, nicht einer der netten Jungs war, doch das grenzte schon an Folter, was ich erblickte. Mir wurde übel und das richtig. Trotz alledem wand ich den Blick nicht ab. 

Was tust du da? Die vier Worte passten nicht bloß zu ihm, sondern auch zu mir. Das Haus war von innen doch etwas größer, wie erwartet. Der Raum indem sich Tompson befand war kaum mit Gegenständen bestückt. Lediglich ein paar heruntergekommene Schränke waren zu entdecken. Darauf stand auf einem die besagte Lampe. Einiges an Werkzeug und Metallgegenständen, die ich noch nie in meinem Leben zuvor gesehen hatte, lagen auf abgeschabtem Holz. Auf einer Kommode eine halb offene Tüte mit Dosenfutter und einem Löffel, der daneben lag und dann genau in der Mitte des Raumes ein Stuhl. Darauf saß irgendein Mann. Schwer zu schätzen, in welchem Alter er sich befand, weil sein Gesicht extrem angeschwollen war. Ich erkannte bloß, wie er die Augen versuchte aufzureißen, als sich Aiden die Jacken von den Schultern zog und ein anderes Shirt überwarf. Ein Schwarzes, um genau zu sein.

Dabei erkannte man wieder einmal sein Muskelspiel, die Tattoos... Doch die Szenerie war viel zu abgedroschen, um sich darüber Gedanken zu machen. Ich wusste, dass er diesen Mann jeden Moment verletzte, denn wenn ich mir ihn so anschaute, musste er Einiges an Blut verloren haben. Mehr als das. Eigentlich hatte ich mit so etwas nicht unbedingt Probleme. Zumindest nicht, wenn sich einer schnitt oder in dieser Richtung. Das jedoch war eindeutig zu viel für mich. Auf dem Boden befand sich eine große Lache, die sich extrem ausbreitete. Eingetrocknetes Blut, was entweder von diesem Menschen stammte, oder vielleicht doch von jemand anderem.

Alles um den Stuhl herum, worauf die Person saß, war besudelt. Dort, wo diese sich befand, alles dunkelrot... von dem ursprünglichen Holz kaum mehr etwas zu erkennen. Und der Mann... nackt. Gefesselt. Er wimmerte und flehte Aiden an. Was er genau sagte, verstand ich nicht, aber er wiederholte immer die beiden Worte: »Bitte nicht!« Das konnte ich an seiner Mundbewegung erkennen. Ich wollte einen Schritt nach hinten gehen, aber ich war wie erstarrt. Vor allem, als mein Blick auf die Arme des Fremden fielen. Mit Stricken war er an den Lehnen festgebunden. Seine Hände hingen schlaff nach unten, bewegten sich kaum. Erst glaubte ich mich verguckt zu haben, doch dann konnte ich... Shit. Shit. Shit.

Das war doch nicht sein Ernst. Hatte ich Aiden so falsch eingeschätzt? Mir wurde noch übler und ich wollte am liebsten kotzen. Der Mann hatte an seiner linken Hand nur noch einen Daumen, den Zeigefinger und den Mittelfinger. Die anderen beiden waren bloß noch Stummel, beziehungsweise bis zum Mittelgelenk abgetrennt. Das Blut dort verkrustet, aber ich sah durch die Flecke auf dem Boden, dass es noch nicht allzu lange her war. Vielleicht von gestern Nacht? Oh mein Gott. Wenn Aiden so etwas machte, wie konnte er ohne schlechtes Gewissen den Tag über so tun, als wäre nie etwas gewesen?

Galle kroch meiner Speiseröhre nach oben. Noch mehr, als mir klar wurde, dass er diesen Mann mit Sicherheit nicht seit gestern in diese Hütte sperrte und bestimmt auch dafür sorgte, dass er gar nicht schnell starb. Er wollte etwas aus ihm herauskriegen, quälte und folterte diesen Menschen, trennte ihm Körperteile ab. Scheiße. Was sollte ich nun machen? Abhauen? Aber wie komme ich dann wieder ins Haus? Schlagartig traten mir Tränen in die Augen. Ich hatte Mitleid mit diesem Menschen. Natürlich. Das was Aiden eventuell eben nicht hatte. War er ein Monster? Wie konnte er bloß so etwas tun?

Ich hatte mir wirklich viel ausgemalt, was er heimlich trieb, aber nicht das. Das war schon ziemlich absurd. Wer glaubt schon daran, dass jemand jede Nacht verschwindet, um einen anderen Menschen zu quälen? Unwillkürlich stolperte ich nach hinten, als Tompson eine Zange aus seinem Rucksack zog. Das hatte er also mitgenommen. Weiteres Werkzeug. Was soll das werden? Das wusste ich spätestens dann, als er sich damit an dem Mund des halb bewusstlosen Mannes zu schaffen machte, ihn öffnete und damit einen Zahn umklammerte. Oh, fuck. Wie konnte er... Doch noch bevor Aiden diesen tatsächlich herausreißen konnte, stolperte ich in Trance weiter nach hinten, schrie kurz auf und wusste augenblicklich, dass er mich hörte.

Dark Attraction I - RulesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt