♕2 - Alvarez♛

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♕ Taehyung ♛

Spätestens jetzt wurde mir bewusst, dass mein Leben ein neues Kapitel erreicht hatte und ich die Weise, wie ich dieses bisher führte, komplett umschlagen musste. Denn bisher war ich nur der einfache Prinzenjunge, der auf möglichst formale Art erzogen wurde und dem man zeigte, wie man als Teil der royalen Familie zu leben hatte.

Entscheidungen treffen wie mein Vater durfte ich nie, die Wichtigkeit von ihnen war bisher immer zu enorm ㅡ oftmals ging es um die Politik, die Ordnung dieses Reiches oder die nächsten Schritte, bezüglich der anderen Imperien. Ich wusste nicht, was gut für dieses Land war und was nicht, mir fehlte das lebhafte Wissen und die Erfahrung, um zwischen verwerflichen und moralisch korrekten Beschlüssen differenzieren zu können.

Im Grunde war ich nur ein Junge unter vielen, ein kleiner Punkt auf der Erde inmitten dieser eminenten Vielfalt an individuellen Menschen. Ich kannte nichts als das Innere dieser Mauern, ich kannte nichts anderes als einen kleinen Teil von Alvarez. Mein Zuhause war der Ort, an dem ich mich sicher und geborgen fühlte und trotzdem keimten tief in mir die neugierigen Begierde nach Wissen. Wie konnte ich etwas mein Zuhause nennen, wenn ich noch nicht einmal die Möglichkeit hatte, einem anderen Ort diesen Titel zu verleihen?

Ich wollte wissen, wie das Leben draußen aussah und was es mit all den Geschichten, die ich in meiner Zeit hier bereits im Archiv gelesen hatte, auf sich hatte und wollte die geschriebenen Sachen mit eigenen Augen sehen. Ich wollte es sehen, hören und spüren können; sei es der starke Reitwind, der meine Mähne zersauste, wenn ich auf meinem Schlachtross dem Gegner entgegen ritt oder einfach nur der tröpfelnde Regen auf meiner Haut, wenn die Götter wieder einmal weinten.

Ich wollte es auch spüren können, all die Furcht, die Angst, die Aufregung und den köstlichen Geschmack des Sieges.
Aber waren diese Dinge es wirklich wert, dass man einen Krieg anzettelte und damit die Leben vieler Bürger riskierte, obwohl diese nur ein gewöhnliches Leben in Frieden haben wollten? War es richtig einen Krieg zu führen, in dem das einzige Ziel der Tod ist? Konnte man nach der Zerstörung tatsächlich wieder aufbauen oder waren das alles bloß die närrischen Gedanken meines Vaters, dem wohl mächtigsten Mann von Alvarez? Das konnte meines Erachtens nach nicht seine Richtigkeit haben und genau das wollte ich auf meinem Weg herausfinden, alleine und für mich.

Ich wurde zum Kronprinzen gekrönt und konnte nun nicht mehr das Leben führen, wie ich es gewohnt war und wie ich es immer verflucht hatte. Gleichzeitig bekam ich dadurch aber auch die Chance etwas zu verändern, bisher klammerte ich mich nur an meine Träume und musste merken, dass diese auch nur Träume bleiben würden, allerdings hatte ich nun erstmals die Chance etwas zu tun.

Wenn einem etwas fehlte, bemerkte man erst, wie glücklich man sich hätte damit schätzen sollen, denn sobald diese Dinge nicht mehr da waren, realisierte man, dass nichts auf dieser Welt selbstverständlich war und nur weil sie seit meiner Geburt da waren, mussten sie nicht bis zu meinem Lebensende an meiner Seite bleiben. Dinge wie die Unbeschwertheit, mich mit keinen Entscheidungen, die das Leben anderer Menschen betrifft, auseinandersetzen zu müssen.

Ich hatte meine Zeit in meinem Zimmer oder im Archiv verbracht, hatte Training zur Selbstverteidigung und einen Privatlehrer, der mir über die Geschichte dieses Landes erzählt hat oder mir die nötigen politischen Aspekte erklärt hatte. Doch nun konnte ich womöglich erstmals dieses Königreich verlassen und etwas von der Außenwelt entdecken; aber auch wenn meine Freude darüber sich kaum in Worte fassen lässt, so trat ich dem Ganzen auch unsicher entgegen.

Was würde sich mir alles in einer Welt wie dieser offenbaren?

Meine Hand fuhr dem glatt geschliffenen Holz meines Fensterrahmens entlang, während ich meinen Kopf der am Horizont stehenden Sonne entgegen streckte. Freiheit war für jeden anders definierbar, für mich waren es diese kleinen Momente, in denen ich dieses Schloss verlassen konnte und mich wie ein ganz normaler Bürger fühlen konnte. Die Momente, in denen ich mich nicht wie ein Prinz fühlte und all den Lasten für eine Weile entrinnen konnte.

Brotherhood メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt