♕12 - Gebrochene Bindung♛

231 29 7
                                    

Taehyung

Es war das erste Mal, dass ich meinen Vater so mit seinem Bruder gesehen hatte; die Stimmung zwischen ihnen war nicht definierbar, aber kalt und ich fragte mich, ob in ihr noch der kleinste Funke von Liebe herrschte. Es war seltsam zu wissen, dass deine größten Feinde gleichzeitig auch diejenigen sind, die einem selbst am nähesten standen, dennoch hatte ich nicht mal das Gefühl, eine Bindung zu ihnen zu haben.

Immer nur hatte Vater vor ihnen gewarnt und erzählt, warum sie Abschaum für diese Welt waren und weshalb sie kein Recht zu leben hatten. Aber ich wusste selbst, dass der atirianische König mein Onkel war und auch wenn ich nie wirklich mit ihm in Kontakt stand, so hegte ich nie Hass gegen ihn. Nur weil er glaubt, dass alle Einwohner aus Alvarez es tun und mein Vater sich das so wünscht, muss ich es nicht auch tun. Ganz anders sah es da aber mit meinem neu kennengelernten Cousin Jeongguk aus, dessen Zorn sich förmlich in seinen Augen wiederspiegelte. Wie ein loderndes Feuer, das man nicht löschen konnte.

Ich spürte, dass er uns nicht besonders friedlich gesinnt war und unsere plötzliche Anwesenheit alles andere als berauschend fand, vielleicht würde ich das als herzhaft treuer Krieger meines Landes auch so empfinden, aber ich war schon immer offener gewesen, was den Umgang mit anderen Zivilisten anging. Denn wo auch immer sie lebten, sie konnten nichts für ihre Heimat und einen Menschen für etwas zu hassen, für das er im Grunde gar nichts konnte, war einfach nicht meine Art.

Schnaufend erhob ich mich von dem Bett, auf dem ich mich wenige Minuten zuvor noch niedergelassen hatte. Ich beaugte dass verknitterte Bettlaken und strich dieses daraufhin wieder einigermaßen glatt, dann aber fiel mein Blick auf die gegenüberliegende Wand und blieb daran hängen. Mit langsamen Schritten trappte ich darauf zu und erkannte verschiedene Seiten aus einem Buch daran gepinnt. Stirnrunzelnd nahm ich jede einzelne von ihnen ins Visier und ein Lächeln begann sich auf meine Lippen zu schleichen.

Das waren die Seiten eines Buches, welches mich schon seit Kindertagen begleitet, immer wieder habe ich daraus gelesen, weil ich fasziniert von dessen Inhalt war. Es war die Geschichte der Königreiche und die Königssage selbst.
Ich erinnerte mich an die dort geschriebenen Worte, als hätte ich sie erst gestern gelesen, doch in Wahrheit begleiten sie mich seit jeher durch den Alltag und beschäftigen mich mit dem Versuch, die Wahrheit in der Geschichte herauszufinden.

»Es lebte einmal ein Mann, geboren von den Sterblichen, gesegnet mit den Kräften der Götter. Er erschuf eine Vielzahl an Waffen, verbannte damit all die sich auf dieser Welt breit gemachte Finsternis. Als eine Vergeltung seiner Leistung, gewährten die Götter ihm einen heiligen Stein - den Kristall, den er mit allen Mitteln zu beschützen hatte und der irgendwann den wahren König auserwählt, damit dieser die Menschheit durch das kommende Desaster führen kann und sie vor dem rettet, das sie droht zu vernichten.«

Bis heute fragte ich mich, wer dieser König war und von welchem Desaster hier die Rede war. Es konnte demnach auch nicht sein, dass es zwei Könige und zwei Reiche gab, wenn in dieser Sage nur von einem die Rede war. Einem König, der die Menschheit vor ihrer Vernichtung rettet und der von den Göttern dazu auserwählt wurde. Irgendwas sagte mir, dass das nicht das Schicksal war, das man uns damit auferlegen wollte.

Aber die Dinge verlaufen leider nicht immer so, wie man sie plante und daran Schuld hatte man selbst häufig nicht mal; es waren die Emotionen der Menschen und ihre Taten, die man unmöglich vorhersagen kann, denn ein Mensch war keine Figur in irgendeinem Spiel. Ein Wesen aus Fleisch und Blut würde niemals handeln, wie man selbst es geplant hatte und darin bestand womöglich auch der Denkfehler von damals.

Ein Seufzen entwich meinen Lippen, es gab noch so vieles, das mir verschleiert war und noch viel mehr, das sich erst mit der Zeit klären würde. Was vermutlich jetzt wichtig war, war diesen Krieg zu beenden und dafür zu sorgen, dass die Menschheit sich nicht teilt. Vielleicht war das auch das große Desaster, vor dem man uns damals gewarnt hatte - dass die Menschen sich im Nachhinein nicht alle selbst vernichteten. Denn letzten Endes gab es für uns Sterbliche nichts gefährlicheres als uns selbst und den Hass, der in uns heranwächst, wenn wir ihn zulassen.

Ich wandt meinen Blick wieder ab und marschierte zu der Tür, die mich nach draußen führte. Der Blick durch das Fenster verriet mir, dass es bereits anfing zu dämmern und wie man mir sagte, gab es ein Abendessen zu dieser Zeit und wir sollten ebenso daran teilhaben. Natürlich mit der Ausrede, dass man seine Gäste und Familie hier gut behandelte, aber diese scheinheilige Freundlichkeit diente vermutlich rein zur Provokation meinem Vater gegenüber. Ich verstand nicht, wie eine Familie so sehr zerreißen konnte, wie es bei uns der Fall war.

Mit der Hand drückte ich die metallische Klinke nach unten und öffnete langsam die Tür vor mir, trat aus meinem Gemach hervor und vernahm zwei Stimmen weiter vorne in dem Gang, an dessen Ende unsere Zimmer waren. Irritiert folgte ich dem Klang der beiden und erblickte anschließend zwei Soldaten von Atirian, weshalb ich mich versteckt hielt.

»Denkst du, der König wird sie noch umbringen lassen?«, fragte der Typ und seine rauchige Stimme jagte mir schon fast eine Gänsehaut über den Körper.
»Keine Ahnung, damit würde man endlich alle Probleme lösen können und die Welt würde merken, wer der wahre Herrscher der Menschen war«, antwortete der andere, dessen Stimme zwar nicht allzu dunkel war, aber trotzdem eine gewisse Männlichkeit mit sich schwingen hatte.

Meine Finger legten sich unsicher und fast schon wie von selbst an meine Lippen, weil ich daran denken musste, wie man uns nachts skrupellos den Dolch in die Brust steckte. Wir waren hier ausgesetzt wie auf einem Präsentierteller und würden wir hier das Zeitliche segnen, war das auch noch unsere eigene Schuld.
»Ich glaube nicht, du weißt ja, in welcher Beziehung die beiden Könige zueinander stehen. Denkst du, sie könnten das Band einfach so durchtrennen?«
»Das ist es doch schon längst...«

Meine Hand ballte sich langsam zur Faust und ich würde nur allzu gerne etwas dazu sagen, da legte sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter und ich fuhr erschrocken um. Mit aufgerissenen Augen realisierte ich dann aber, dass es sich nur um Bogum handelte, der mich hier peinlicherweise beim Lauschen erwischt hatte.
»Mach dir nicht so viele Gedanken, wir sind mit friedlichen Absichten gekommen und demnach wird man uns hier auch behandeln. Sie mögen sich zwar hassen, doch sie haben dennoch Respekt vor dem jeweils anderen. Und die Götter würden es nicht gut heißen, einen friedlich gesinnten Mann aufgrund persönlicher Basis zu ermorden«, las er mir die Sorge regelrecht aus dem Gesicht und nahm sie mir mit ein paar wenigen Worten wieder weg.

Ich atmete tief durch und verzog leicht meine Miene, »Ich kann hier niemanden so wirklich einschätzen und ich glaube, manche würden sogar Gottes Wort brechen um das zu tun, was sie für richtig halten.«
Bogum zuckte lediglich mit den Schultern und es war fraglich, ob er einfach nichts mehr zum Antworten wusste oder er es einfach dabei belassen wollte. Sein Gesichtsausdruck blieb aber ruhig und deshalb versuchte ich, auch meine Sorgen wieder nach hinten zu drängen.

Stattdessen beschlossen wir dann, uns auf den Weg zum Speisesaal zu machen, da die anderen womöglich schon auf uns warteten und wir beide nicht unbedingt zu spät kommen wollten.

Brotherhood メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt