♕24 - Dunkler Ritter♛

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Jeongguk

Mit gesenktem Blick und den Zähnen mit leichtem Druck auf den Lippen, legte sich meine Hand an den Knauf meines Schwertes und holte die Waffe aus ihrer Scheide heraus. Ich hatte noch nie ein Problem gehabt, diese Waffe einzusetzen, denn schließlich war sie ein wichtiger Bestandteil von mir und durch sie kam ich auch an meinen Titel, der den meisten eine Gänsehaut über dem gesamten Körper jagt.

Meine Waffe war genauso unsauber wie meine Hände; ich war ein Prinz, der die Philosophie des Wortes Frieden für einen Feldzug über Bord warf und dem Begriff eine neue Interpretation schenkte. Ich dachte immer, dass Leben nehmen genauso natürlich war wie Leben geben, und weil ich eine höhere Position als die anderen hatte, war ich närrisch genug an diesem Glauben festzuhalten.

Aber warum sollte ein Mensch über das Schicksal eines anderen Menschen entscheiden dürfen?

Ich war der festen Überzeugung und mein Vater - nein, das gesamte Land - hatte diesen Gedankengang unterstützt und nie in Frage gestellt, schließlich war er aus ihren Taten entstanden. Und genau darin bestand der Fehler. Ich war ein Prinz, der sich um die Sicherheit seiner Bürger kümmern sollte und das tat ich auf diabolische Art und Weise.

Ich schützte, indem ich mordete.

Ich konnte keine klaren Gedanken mehr fassen und kaum ein Auge mehr zudrücken, denn seit wir Besuch von dem König und dem Prinzen von Alvarez bekommen hatten, wurde mein sonst so klares Weltbild erschüttert. Ich hatte Taehyung für deutlich ungeeignet gehalten, er würde mit Sicherheit nie einen Menschen töten, denn das ging gegen seine Prinzipien und dafür hätte ich ihm am Liebsten die Kehle aufgeschlitzt.

Aber als dieser mysteriöse Typ namens Gladion auf einmal auftauchte, musste ich feststellen, dass der Krieg und das System der Menschheit nicht so einfach gestrickt war, wie wir aus der Königsfamilie gerne hätten. Wir führten Menschen an und keine wertlosen Schachfiguren.

Ich betrachtete mein Schwert und dachte an all das Blut, das daran kleben musste und schüttelte deshalb meinen Kopf, bevor ich es auf dem Podest vor mir ablegte und mich dann davon abwandt. Das war das vielleicht erste Mal, dass ich ohne Waffen unterwegs war und auch, wenn das strengstens untersagt war, so fühlte ich mich frei und musste nicht an all die Schreie derer denken, die durch mich oder meine Truppen auf dem Feld gefallen sind.

Der Krieg war etwas schreckliches und wie sollte man sein Ziel erreichen, wenn man es noch nicht einmal kannte?

Wofür kämpften wir?

Ich verließ den Palast und wusste nicht, wohin mich meine Beine tragen würden, denn meine Gedanken waren weit weg von der körperlichen Präsenz meinerselbst. Ich nahm kaum etwas um mich herum wahr; weder den dunkelblauen Himmel, noch die vielen Sterne, die lichterloh an diesem standen und zusammen mit dem heutigen Vollmond unser Land erleuchteten. Ich spürte eine erfrischende Brise und eine leichte Gänsehaut verbreitete sich über meinem Körper, meine Nackenhaare stellten sich auf und ich gelangte wieder in die Realität.

Augenblicklich kam ich zum Stehen und atmete tief durch, ehe ich einen Blick auf meine Hand warf und dann auf das, was sich dahinter verbarg.

Es war der heilige Teich, von dem gesagt wurde, dass er einen mit den längst schon ruhenden Vorfahren verbinden konnte. Um ehrlich zu sein hatte ich nie ein solches Bedürfnis; ich war ein Prinz, der nicht viel auf den Glauben gab und sich auch nicht vorstellen konnte, dass etwas an ihm liegen konnte. Es gab Menschen, die ihr gesamtes Leben ihrem Glauben an Gott widmeten, ich hingegen hatte mein Leben dem Krieg gewittmet.

Aber da meine Gedanken ein einziges Wirrwarr waren und ich mit vermutlich niemandem darüber sprechen konnte, hatte es mich wohl unbewusst hierher verschlagen und für einen kurzen Augenblick der Stille tat ich nichts anderes, als das stille Gewässer vor mir zu betrachten. Wie als würde ich darin alle meine Antworten finden.

Für einen Augenblich fühlten sich meine Lider schwer an und mein Blick wurde trüb, doch auf einmal bemerkte ich ein Schimmern in der Mitte des Teiches und legte daraufhin meinen Kopf in den Nacken. Es war der Mond, der sich an der Oberfläche des Wasser widerspiegelte und ein angenehmes Gefühl durchströhmte meinen Körper.

Ich ging vorsichtig auf die Knie und platzierte meine Hand vor dem Teich, ehe ich einen Blick um mich herum warf und dann wieder auf das schillernde Wasser starrte. Anschließend legte ich meine Hand ins Wasser und begann zu lächeln, denn das Wasser war aus mir unerklärlichen Gründen nicht so kalt wie die Nacht.

Ich atmete aus und schloss meine Augen. Ich erhoffte mir irgendein Zeichen, vielleicht irgendeine Präsenz oder eine Stimme, die mir meine Fragen beantworten konnte, doch nichts dergleichen erwartete mich. Langsam verlor ich die Hoffnung und Enttäuschung übernahm die Kontrolle.

»Jeon Jeongguk«, hörte ich auf einmal eine männliche Stimme sagen. Reflexartig riss ich meine Augen auf und warf einen Blick über die Schulter, erblickte so eine in Finsternis gehüllte Gestalt, die aber langsam in das Licht des Mondscheins trat.

Ein Seufzen kam mir über die Lippen als ich den mir gut bekannten Mantel erblickte und erkannte, dass das hier niemand aus dem Jenseits war, sondern der Kerl, der mich hier schon einmal ungefragt aufgesucht hatte: Gladion.

»Was willst du dieses Mal von mir?«, fragte ich und erhob mich wieder auf meine Beine, um ihm direkt in seine Iriden blicken zu können. In der Regel sagten die Augen eines Menschen mehr aus als die Worte, die seine Lippen verließen, doch er war einer dieser mysteriösen Fälle, aus denen ich nicht schlau wurde.

Genauso wie bei Taehyung.

»Ich habe eine Mitteilung für dich und nur wenig Zeit, also hör zu«, sagte er und ich runzelte irritiert mit der Stirn. Was konnte so wichtig sein, dass er nachts hier aufkreuzen musste und woher wusste er, dass ich hier sein würde?

»Hass darf die Welt nicht in ihren Bann ziehen. Gier ist nur der Anfang, Krieg wird entstehen und er wird wie ein Höllenfeuer lodern. Aber selbst die stärkste Flamme kann mit Wasser bezwungen werden, also finde das Wasser und bewahre die Menschheit vor ihrem grauenhaften Untergang.«

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Heute mal aus Jeongguks Sicht ^^

Brotherhood メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt