♕6 - Lichtblick ♛

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Taehyung

Noch während alle anderen den besagten Raum verließen und uns beiden damit die aufgeforderte Privatsphäre boten, spürte ich mein Herz wie wild gegen meine Brust pochen. Ich fühlte mich, als hätte ich mir selbst eine riesige Last aufgesetzt und nun musste ich Verantwortung tragen für das, was soeben noch mein oftmals vorlautes Mundwerk verlassen hatte.

Als wir beide endlich alleine waren, sah ich, wie Vater sich in seinem Thron zurücklehnte und mich mit einem Blick musterte, der mich an Ort und Stelle fesselte. Als hätte das Raubtier mich gefangen, als gäbe es für mich keinen Ausweg mehr aus der Grube, die ich mir selbst gegraben hatte.

»Nun denn« Vater räusperte sich und erhaschte damit meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit für sich. Entschlossen blickte ich zu ihm auf und schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, unauffällig versuchte ich noch einmal durchzuatmen, ehe er seine feste Stimme bereits ein weiteres Mal erhob. »Dir ist bewusst, dass die beiden Königreiche schon seit Jahren verfeindet sind oder?«

Ich nickte mit dem Kopf, denn jedem Bauernjunge wurde beigebracht, was es bedeutete, in diesem Königreich zu leben und dass Atirian unser Erzfeind war. Auch mir wurde diese Geschichte gelehrt, aber konnte man wirklich auf das vertrauen, was närrische Menschen, denen das rationale Denken nicht möglich war, einem erzählten? Konnte ich der Geschichte dieses Landes wirklich trauen, ohne auch nur einen Blick tiefer in das Ganze zu werfen?

»Frieden mit Atirian wäre ein Verrat an unsere Familie und das weißt du, Taehyung. Trotzdem schlägst du das vor, was also sind deine Beweggründe?«, verlangte er dann von mir zu wissen und im ersten Moment musste ich überlegen. Mir war klar, was sie mit uns getan hatten, aber das war nie der Ausbruch dieses Krieges. Die Königreiche waren nicht verhasst, weil wir es so wollten, aber es war der Fluch der Götter, der sich seit der Spaltung des riesigen Reiches Rhalis auf uns gelegt hatte.

»Ich glaube nicht, dass unsere Familie jemals einem Krieg zugestimmt hätte. Du weißt, dass Mutter ein fürsorglicher Mensch war und immer nur das Beste für dich, mich und meine verstorbene Schwester wollte. Du siehst unsere Familie als Ausrede, nicht mit dem Krieg aufzuhören, aber hast sie nie als Grund zum Anfangen gesehen«, ließ ich meinem Redefluss einfach freiem Lauf und hoffte, ihn mit meinen Worten nicht zu verärgern. Das war vielleicht die Chance, dieses Land von alldem Leid und Schmerz zu befreien, das durfte ich nicht durch eine ungeschickte Wortwahl riskieren.

»Ich kann niemandem die Hand geben, der das Blut meiner einzigen Frau und Tochter an sich kleben hat. Selbst wenn dieser jemand mein Bruder ist«, brachte er knirschend hervor und versteifte seine Mimik bei den Erinnerungen an unsere Familie. Das tat ich auch, der Schmerz saß auch bei mir tief und ich war davon auch nie begeistert gewesen, doch irgendwann musste dieser Terror einfach ein Ende finden, egal wie sehr einem das gegen den Strich ging.

»Sie sind gefallen, wie all die anderen Opfer in diesem Krieg und genau aus diesem Grund, muss das Ganze endlich ein Ende finden!« Mit festem Blick entgegnete ich seinen Augen, wie sie jede Bewegung meiner Muskeln inspizierten. Er wollte wissen, wie viel Ehrlichkeit in meinen Worten steckte, denn ganz gleich was meine Lippen hier verließ, wenn mein Körper etwas komplett anderes sagte, machte alles Gesagte hier keinen Sinn.

»Angenommen ich würde deinem Vorschlag zustimmen, gehst du wirklich davon aus, dass sie einem Waffenstillstand zustimmen würden?«, wollte er dann von mir wissen und legte seine Finger nachdenklich an sein Kinn, als würde er selbst die Möglichkeit in Betracht ziehen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Seite interessiert an unnötig vergossenem Blut wäre. Deshalb habe ich den Glauben, dass sie uns anhören werden und wir eine gemeinsame Lösung finden können«, antwortete ich ihm daraufhin und sah, wie er über meinen Vorschlag nachdachte.

Es erleichterte mich, hier nicht auf Granit zu beißen, denn hätte ich diesen Vorschlag bei einem seiner idiotischen Assistenten gebracht, hätte ich genauso gut mit einer Wand sprechen können. Dass ich dieses Gespräch mit meinem Vater führen konnte, zeugte nur von der Vernunft, die immer noch irgendwo in ihm hauste und ihn offenbar noch nicht komplett verlassen hatte.

»Statt einem Racheplan also ein Plan zur Versöhnung, ich fasse es nicht. Taehyung, was du planst könnte uns den sicheren Tod bescheren und ich hoffe, du bist dir dessen bewusst. Wenn unser Königreich gewappnet für den Untergang ist, weil es seinen Herrscher verloren hat, wird dich das bis in die Unterwelt verfolgen und quälen.« Und dessen war ich mir bereits bewusst, ich kannte die Risiken, die sich hinter diesem Plan verbargen, aber ich war bereit diese einzugehen. Denn wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Ich nickte fest mit dem Kopf, auf seinen Lippen konnte ich ein leichtes Lächeln entdecken, doch ich konnte die Deutung dahinter nicht herauslesen. Vielleicht war er glücklich, womöglich war es Stolz, die wahre Bedeutung dahinter werde ich wohl nie verstehen. Aber immer wenn er diesen Gesichtsausdruck pflegte, hinterließ es bei mir ein angenehmes Gefühl, das ich bisher nur selten erlebt hatte. Fühlte es sich so an, wenn ein Vater stolz auf seinen Sohn war und es zeigte?

»Dann triff die Auswahl unserer Begleiter bitte noch heute. Wir werden morgen in der Früh aufbrechen und dann werde ich hoffen, dass du uns alle nicht ins Grab jagst«, erklärte er mir und es schien, als wäre das tatsächlich meine erste Mission als Kronprinz von Alvarez. Und es wirkte, als würde er mir vertrauen, denn er überließ mir die Planung und voraussichtlich sogar die Führung dieses Planes. Natürlich, immerhin wäre ich auch verantwortlich, wenn irgendwas schief gehen sollte.

Ich nickte meinem Vater zu und verbeugte mich noch einmal, ehe ich kehrt machte und dann den Saal verließ. Draußen waren seine Assistenten versammelt, die mich mit Blicken anstarrten, deren Gefühle ich kaum deuten konnte. Es waren Gemischte; darunter Abscheu, Angst, aber auch Hoffnung. Natürlich fürchtete man sich vor Dingen, die man nicht kannte und die man nicht gewohnt war, aber eben genau diese Dinge konnten die größte Veränderung bewirken. Dieser eine Schritt ins Unbekannte konnte dafür sorgen, dass wir diesem Teufelskreis von Leben und Tod endlich entfliehen konnten.

Etwas weiter entfernt lehnte Samuel sich gegen eine Wand und stieß sich von dieser ab, als er mich erblickte und anschließend auf mich zuging. »Und? Wie ist es gelaufen? Konntest du ihn überreden?«, fragte er mich eifrig, seine Augen strahlten ein energisches Feuer aus, das ich schon immer an ihm geliebt habe. Er war nicht wie die anderen und dafür war ich dankbar. Stolz nickte ich mit dem Kopf und erzählte ihm, dass ich die Entscheidung unserer Begleiter noch vor Mondaufgang abgeben solle.

»Wie viele planst du mitzunehmen und vor allem wen?«, wollte er dann wissen, doch ich zuckte bloß mit den Schultern. »Spielt das denn eine Rolle? Letztendlich ist es egal, wer uns alles auf diese Reise begleitet...« Ich legte meine Hand auf seiner Schulter ab und kam dann einen Schritt näher an ihn heran.

»Wichtig ist nur, wer alles wieder von dieser Reise zurückkehrt.«

Brotherhood メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt