♕28 - Treuer Verräter♛

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♕ TAEHYUNG ♛

Als ein Seufzen meine Lippen verließ und ich das Buch zuschlug, aus dem ich eben noch gelesen hatte, erhob ich mich und rollte genervt mit den Augen. Es war vollkommen unwichtig, was ich tat, es fühlte sich alles nicht richtig an. Als würde ich lediglich versuchen, die Zeit in all meiner Verzweiflung totzuschlagen - wartend, dass etwas neues geschah, das mir weiteres Kopfzerbrechen bereiten würde.

Ein leichter Schauer rieselte über meinen Rücken und meine Nackenhaare stellten sich auf, denn als ich mich dem offenen Fenster näherte, wehte ein kaltes Lüftchen in meine Richtung und für einen Augenblick kam mir das Bild des vereisten Waldes wieder in den Sinn. Als würde ich die Kälte auf meiner Haut spüren, doch sobald mir auch wieder diese Flamme der Hoffnung in den Sinn kam, spürte ich, wie das Eis auf meiner Haut zu schmelzen begann.

Zufrieden nickend verließ ich den Raum und beschloss nach etwas Essbarem zu suchen. Es war schon lange her, seit Vater und ich das letzte Mal eine Mahlzeit geteilt hatten. Normalerweise war es üblich, dass wir alle zusammen saßen, doch seit unserem Besuch in Atirian hatte sich all das geändert. Seitdem war mein Kopf ein Ort, in dem Gedanken ihr Chaos verbreiten konnten und Vater verbrachte seine Zeit viel lieber alleine.

Ich fragte mich, woran er denken musste und ich wollte wissen, ob er jemals etwas über das Volk von Eldiven gehört hatte. Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit Gladion und an die Worte, die er sagte, als er sich mit mir unterhielt und mir war klar, dass es kein Zufall sein konnte, dass er sich ausgerechnet zu einer Zeit wie dieser zeigte.

Seufzend spielte ich mit meinen Fingern und marschierte planlos hin und her - den Plan, meinen Bauch mit Nahrung zu füllen, hatte ich schon längst wieder verworfen und es nervte mich, dass ich absolut nichts unternehmen konnte, um mich auf andere Gedanken zu bringen.

»Taehyung«, hörte ich eine mir bekannte Stimme meinen Namen rufen und drehte mich augenblicklich in die Richtung, aus der ich glaubte, sie gehört zu haben. Kurz darauf erblickte ich Bogum, der mit einem Lächeln auf den Lippen auf mich zuging und ich versuchte dieses schwach zu erwidern. »Bist du immer noch so sehr in deine Gedanken vertieft?«, fragte er mich dann und ich nickte zögerlich.

Normalerweise war es mir nicht erlaubt, mehr als unbedingt nötig mit Bediensteten zu reden, doch ich hatte mich an diese Regel nie wirklich halten können. Bogum war anders als die meisten, deshalb hatte ich mich auch auf unserer Reise so gut mit ihm verstanden.
»Hast du Lust auf einen Spaziergang?«, wollte er dann von mir wissen und da ich mich wenige Momente zuvor noch gefragt hatte, was ich zur Ablenkung tun konnte, kam mir dieser Vorschlag mehr als nur gelegen.

Ich nickte und freute mich bereits auf die Natur dort draußen. Als wir das Innere des Palastes verließen spürte ich wieder diese kalte Briese und atmete diese freudig ein. Ich verband die Außenwelt mit Freiheit - ein Gefühl, das ich seit Kindertagen begehrte, denn ich fühlte mich wie ein Vogel, der in seinem Käfig eingeschlossen wurde, weil man fürchtete, dass ihm sonst etwas zustoßen konnte. Ich wusste, wer ich war und ich wusste, dass es viele Menschen gab, die Geld dafür geben würden um meinen Kopf bei sich zu haben, doch ich war kein Idiot, der nicht auf sich aufpassen konnte.

Ein Rascheln in der Nähe riss mich aus meinem Gedankengang und mein Blick schnellte in besagte Richtung. Ich spähte einmal zu Bogum und dieser zuckte bloß mit den Schultern, also näherte ich mich dem Baum. Als dieser erneut raschelte, raste ein Eichhörnchen nach unten und rannte weiter auf den nächsten Baum, ein Lachen entwich meiner Kehle. Es war schon ewig her, seit mir das letzte Mal eins begegnet war.

Zwischen Bogum und mir war es relativ still, aber ich wollte dieses Schweigen brechen und ein Gespräch mit ihm beginnen.
»Sag mal, wie ist das eigentlich so? Wenn man jeden Menschen auf dieser Welt als gleich sehen kann, ohne sich zu fragen, wer dein Freund und wer dein Feind ist?«, wollte ich von ihm wissen, denn er war ein Heiler. Sie unterschieden Menschen nicht, für sie war jeder gleich.

Er legte seine Finger an sein Kinn und begann zu überlegen. »Es fühlt sich richtig an, doch dafür braucht man eine ganze Menge Vertrauen in die Menschen um uns herum. Vertrauen ist etwas seltenes in einer Welt wie dieser«, erklärte er mir. Vertrauen war ein Wort, das leicht gesagt, doch schwer umgesetzt werden kann.

»Aber hast du keine Angst davor, dass man dieses Vertrauen ausnutzen wird?«, hakte ich nach, denn dieses Konzept war eine fast schon merkwürdige Sache für mich. Es gab Menschen, denen ich vertrauen konnte und es gab Menschen, bei denen ich es nicht konnte. Es gab Menschen, die einem sofort das Messer in den Rücken rammen würden und trotzdem vertraute er jedem soweit, dass er ihnen ohne zu zögern den Rücken zeigen würde.

»Man wird Vertrauen ausnutzen, wenn es einen Grund dazu gibt«, murmelte er und blickte mir dann in die Augen, als würde er darin nach etwas suchen.
»Taehyung, es gibt keine Zweifel dass du ein Mann mit einer Menge Charakter und Selbstbewusstsein bist«, fuhr er dann fort und ein leichtes Lächeln spiegelte sich auf seinen Lippen wieder.

»Du musst frei sein. Frei von Zweifeln und frei von Ängsten.«
Mein Mund öffnete sich einen Spalt breit und ich wusste nicht genau, was ich sagen sollte. »Wie soll ich das anstellen, wenn jeder auf dieser Welt gegen mich zu sein scheint. Wem kann ich vertrauen, wenn ich das Gefühl habe, dass jeder gegen mich steht?«
E

r schien für einen Augenblick für einen Augenblick zu überlegen.

»Deshalb sagte ich dir, dass du frei sein musst. Denn glaub mir, du benötigst mehr Mut zum Vertrauen als für den Krieg.«

Ich presste meine Lippen aneinander, unfähig, etwas zu erwidern. Bedeutete das etwa, dass ich die ganze Zeit über etwa einfach bloß feige war? »Aber beruht Vertrauen nicht auf Gegenseitigkeit?«, sprach ich dann das aus, was mir auf der Zunge brannte und ich sah, wie Bogum mit dem Kopf nickte.
»Gewinn ihr Vertrauen und schenke ihnen deins. Alleine wirst du auf dieser Welt nichts bewirken. Du wirst niemals gegen den Rest der Welt ankommen, wenn du niemanden auf deiner Seite stehen hast.«

Und ich glaubte, das war der Punkt, der mir die ganze Zeit über Sorgen machte. Ich war alleine, hatte niemanden, der auf meiner Seite stand, denn selbst mein Vater vertraute meinen Vorhaben nicht. Das bedeutete, dass ich zuerst einmal dafür sorgen musste, nicht mehr alleine zu sein, bevor ich die versuchte, die Welt zu verändern.

Ein erneutes Rascheln lenkte die Aufmerksamkeit von uns beiden auf einen Platz. Doch dieses Mal war es anders, ich hatte ein ungutes Gefühl. Das war auf keinen Fall ein Tier, ich war mir sogar ziemlich sicher, dass das ein Mensch war, weshalb Bogum und ich auf der Hut waren. Als dieser dann aber ins Freie trat, traute ich meinen Augen nicht. Ich riss sie vor Schock weit auf und ging ein paar Schritte nach hinten.

»Jeongguk?«, rief ich fassungslos und musterte den schwer keuchenden Jungen vor mir von oben bis unten.
»Was machst du hier?«, fragte ich ihn irritiert und tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf. Als er sich wieder gesammelt hatte, blickte er mir felsenfest und alarmierend in die Augen.

»Sie greifen euch an! Ihr müsst euch verteidigen!«

Brotherhood メ VkookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt