Kapitel 5

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„Clint, kommst du mit in den Trainingsraum?", Natasha stützte sich gegen den Türrahmen und blickte ins Wohnzimmer. Dort saß Clint am Laptop und sein konzentrierter Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er gerade dabei war die S.H.I.E.L.D. – Datenbank zu durchsuchen. Hatte er etwa eine neue Mission? Oder versuchte er sich vielleicht einfach nur die Zeit zu vertreiben?

Als sie ihn ansprach, hob er den Kopf, überlegte für einen Moment und schüttelte den Kopf: "Nein, tut mir leid, Nat. Fury hat mich zur Aktenarbeit verdonnert. Aber wenn du noch ein paar Stunden wartest, können wir später gerne trainieren gehen." Sie seufzte und schüttelte den Kopf, obwohl sie sich nicht sicher war, ob es sich nur um eine Ausrede handelte: "Schon gut, dann gehe ich alleine."

„Sie könnten auch mit mir trainieren gehen, Romanoff", meldete sich urplötzlich Tony zu Wort. Überrascht starrte sie den dunkelhaarigen Mann an, der ihr erst gar nicht aufgefallen war. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Schließlich schien es bisher so, als würde er sie nicht ausstehen können und sie war sich sicher gewesen, dass ihr Beitrag bei der Abstimmung seine Einstellung ihr gegenüber nicht unbedingt verbessert hatte. „Sind Sie sich sicher, Stark?", ihre hochgezogenen Augenbrauen sagten ihm, dass sie daran zweifelte, dass dies wirklich die richtige Entscheidung für Tony war.

„Keine Sorge, ich habe nicht daran gedacht, dass sie mich so rannehmen sollen wie Barton", er grinste reit als er ihren angenervten Blick bemerkt. Glücklicherweise konnte der Mann nicht sehen wie Clint ihn regelrecht mit einem finsteren Blick durchbohrte. „Oh, tut mir leid. Klang das etwa zweideutig? Das war mir jetzt aber gar nicht klar", mit einem Finger tippte er gegen seine Lippe und tat so, als wäre es wirklich ein Versehen gewesen.

Darauf antwortete sie gar nicht erst und rollte einfach nur mit den Augen, bevor sie sich umdrehte, um den Raum zu verlassen. Doch scheinbar hatte Tony es ernst gemeint, denn er erhob sich sofort und ging ihr nach.

„Stark, was wollen Sie?", murrte sie und band ihr rotes Haar zu einem Pferdeschwanz. „Na trainieren", er streckte seine Hand nach ihr aus und stoppte sie im Gehen, in dem er sie am Amr fest hielt: "Mit dir!" „Tja, ich aber nicht mit Ihnen", mit diesen Worten befreite sie sich aus seinem lockeren Griff: "Jedenfalls nicht, wenn sie nicht langsam mal aufhören immer solche Bemerkungen in Bezug auf Clint und mich zu machen. Sie wissen, dass wir nur Freunde sind." Tony seufze und gab sich geschlagen, obwohl ihm anzusehen war, dass er diese Freundschaft bezweifelte: "Na gut, ich werde versuchen es zu lassen. Versprechen kann ich aber nichts. Dafür finde ich es viel zu lustig Sie zu ärgern, Romanoff."

Erneut rollte sie mit den Augen, konnte ein leichtes Grinsen aber nicht ganz verbergen. Lieber hatte sie es, wenn er ehrlich war, als wenn er ihr falsche Versprechungen machte, die er am Ende dann sowieso nicht hielt. „Okay, kommen Sie", sie ging auf den Fahrstuhl zu, der sie in die Etage bringen sollte, in der sich der Trainingsraum befand. Stark folgte ihre mit einem zufriedenen Lächeln, dass sie gar nicht zu sehen brauchte, um zu wissen, dass es da war.

Die kurze Fahrt überschwiegen sie bis sich dann die Türen wieder öffneten. Stark stieg vor ihr aus und hielt ihr gentleman-like die Tür auf. Ein wenig überrascht von dieser, für ihn ungewöhnlichen, Aktion zögerte sie einen Moment, ging dann aber hindurch. Er grinste sie selbstbewusst an und folgte ihr dann: "Also, Romanoff, dann zeigen Sie mir mal ein paar ihrer Tricks."

„In Ordnung", sie stieg in den Ring und wartete darauf, dass er es ihr gleichgetan hatte. Sie scannte ihn regelrecht und versuchte seine Bewegungen zu analysieren, um so ein Muster zu erkennen. Das tat sie immer beinahe automatisch und so auch hier, obwohl Stark kein Feind war. Er ging in Angriffsposition, während sie die Hände hob und darauf wartete, dass er sie angriff. In diesem Kampf zählte sie auf sein Ego und somit darauf, dass er nicht unbedingt die Verteidigungshaltung annehmen würde.

Und sie hatte ihn tatsächlich nicht falsch eingeschätzt. Er ließ seinen Blick über sie wandern. Dann sprang er auf sie zu und versuchte ihre Arme zu packen. Dieser eher schwachen Attacke wich sie jedoch mit Leichtigkeit aus und griff stattdessen nach seinen Handgelenken. Diese umfasste sie vergleichsweise sachte, aber taktisch klug, sodass sie diese auf seinen Rücken drehen konnte.

„Ah, Romanoff" murrte er und sah sie ziemlich überrascht an: "Aua." Scheinbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie seinen Angriff abblocken würde. Dies machte sie teilweise ein wenig sauer, da sie es hasste, wenn ihre Kollegen sie unterschätzten, doch andererseits verschaffte es ihr auch ein gewisses Triumphgefühl. Sie ließ ihn noch einigen Sekunden in dieser Position verharren, löste sich dann aber von ihm, damit er sich wieder aufrichten konnte.

„Sie können ja wirklich fest anpacken, Romanoff", zwar grinste er, doch Natasha wusste, dass er es tatsächlich ernst meinte und dass dies einem Kompliment doch ziemlich nah war. Jedenfalls dafür, wenn man mit einem Mann wie Tony Stark zu tun hatte: "Jetzt kann ich verstehen, warum Barton heute nicht mit ihnen trainieren wollte." „Clint trainiert immer gerne mit mir", schmollte sie leicht und schaute ihn ein wenig finster an, war darüber aber nicht wirklich böse.

Er zwinkerte ihr daraufhin einfach nur charmant zu und winkte sie dann mit einer Handbewegung zu sich. Damit forderte er sie dazu auf nun ihn anzugreifen. Darauf ging sie sofort ein und verwickelte ihn bald in einen handfesten Faustkampf, bei dem beide gleich gut mitkamen. „Sagen Sie mal, Romanoff", keuchte er, während er sich weiterhin gut gegen sie wehrte. Sie musste wirklich zugeben, dass er besser darin war sich vor ihr zu schützen, als wenn es andersherum war. „Was war das heute Morgen eigentlich mit Barnes und Ihnen?", beendete er seine Frage und sie musste sich zusammen reißen, um nicht laut aufzuseufzen. Eigentlich hatte sie gehofft, dass niemand sie darauf ansprechen würde und besonders nicht Stark.

Deshalb machte sie einen unschuldigen Gesichtsausdruck, in dem sie mittlerweile schon geübt war: "Ich weiß nicht, was Sie meinen, Stark." Der Mann besah sie mit einem verächtlichen Blick: "Ernsthaft? Die anderen mögen Ihnen sowas vielleicht abkaufen, aber ich nicht. Gerne kann ich Ihr Gedächtnis aber wieder auf den neusten Stand bringen."

Sie legte den Kopf leicht schief und verschränkte die Arme vor der Brust, wartend auf seine Einschätzung der vorangegangenen Situation. „Heute Morgen saßen wir alle gemeinsam am Küchentisch, während Steve sich auf den Weg gemacht hatte, um Barnes zu holen", als er den Namen des Neuankömmlings aussprach, verzog er das Gesicht und wirkte dabei fast ein wenig angewidert.

Zwar wusste sie, dass er Bucky gegenüber noch nie wirklich wohl gesonnen zu sein schien, hatten ihn aber noch nie gefragt, warum. Doch sie war sich sicher, dass es irgendeinen Grund geben musste. Stark misstraute niemandem einfach ohne Grund. Das hatte sie schließlich am eigenen Leib zu spüren bekommen, nachdem ihre Tarnung bei Stark Industries aufgeflogen war. Damals war sie dort als S.H.I.E.L.D. – Schatten unterwegs, um auf Tony aufzupassen. Danach hatte sie sich sein Vertrauen erst hart wieder erarbeiten müssen und es immer noch nicht geschafft es völlig zurückzuerlangen.

„Jedenfalls ist Rogers dann mit Barnes in die Küche gekommen und hat begonnen das Team vorzustellen", beinahe erklärte er es ihr so, als wäre sie nicht dabei gewesen: "Aber als er dich vorstellen wollte, wusste er schon von alleine, wer du bist." Starks Blick war forschend, als er auf eine Reaktion von ihr wartete: "Und da habe ich mich gefragt woher."

Kurz musterte sie ihn widerwillig, antwortete dann aber: "Ich war mit Steve auf einer Mission als wir Barnes zum ersten Mal gesehen haben. Aber dass er sich daran noch erinnern würde, hätte ich auch nicht gedacht." Mehr wollte und würde sie ihm nicht erzählen. Es ging ihn schlichtweg nichts an.

„Dann hast du es wohl irgendwie geschafft ihm im Gedächtnis zu bleiben", für einen Moment machten seine Worte sie unachtsam, sodass er sie mit einem leichten Tritt gegen ihre Arme, die sie zum Schutz gehoben hatte, gegen die elastischen Seile des Rings befördern konnte: "Oder ist da vielleicht mehr, hm?"

Das wüsste er wohl gerne! Doch sie würde ihm sicher nichts aus ihrer Vergangenheit erzählen. Was damals zwischen Bucky und ihr war, ging niemanden außer Clint und Fury etwas an.

Genervt erhob sie sich wieder und schlüpfte aus dem Ring. Dass er nur mit ihr trainieren wollte, um an neue Informationen zu kommen, hätte sie sich eigentlich auch denken können. „Natasha, warte!", rief er ihr hinterher, während sie auf die Tür zuging. „Warum sollte ich?!", fragte sie mürrisch und machte sich gar nicht die Mühe zurückzublicken oder stehenzubleiben, bevor sie in sarkastischem Ton rief: "Wenn du irgendwas über mich wissen willst, hack doch einfach meine S.H.I.E.L.D. – Akte. Daran scheinst du ja besonders großen Spaß zu haben." Damit spielte sie darauf an, dass er genau das schonmal versucht hatte, aber glücklicherweise fehlgeschlagen war.

Remember me || WinterWidow ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt